Wissenschaftler des Instituts für Integrierte Qualitätsgestaltung der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz haben in Kooperation mit Quality Austria im Zuge der Studie „Qualität 2030“ eruiert, wie sich in den kommenden zehn Jahren der Qualitätsbegriff verändern wird. Ein wichtiger Trend ist das Thema Nachhaltigkeit. Bei diesem Projekt hatten sich auch zehn namhafte Unternehmen aus der Wirtschaft beteiligt, darunter Lenzing, BWT, Infineon Austria und KEBA.
„Quality Austria ist seit jeher Vorreiter im Bereich Qualität. Daher war es für uns so spannend, bereits heute anhand einer wissenschaftlich fundierten Studie die Qualitätsansprüche des Jahres 2030 zu erkunden“, erklärt Anni Koubek, Innovationsmanagerin und Prokuristin bei Quality Austria. Mehr als eineinhalb Jahre lang hatten Wissenschaftler der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz im Auftrag von Quality Austria für die Studie „Qualität 2030“ Trendreports analysiert, Workshops mit namhaften Unternehmen veranstaltet und Zukunftsforscher interviewt. Es wurden in einem Open-Foresight Ansatz bewusst sowohl B2B- als auch B2C-Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen eingebunden. Denn wenn man von Trends spricht, dann sind diese so groß, dass sie alle betreffen. Konkret haben sich folgende acht Trends herauskristallisiert:
Einfachheit: Intuitive Bedienung muss forciert werden
Kaufentscheidungen werden immer rascher getroffen. Entsprechend kurz ist auch die Aufmerksamkeitsspanne der Kunden im Internet. „Die Zukunft ist daher einfach, bequem und unkompliziert. Wenn ein Unternehmen diese Kundenerwartungen nicht erfüllt, ist es bald weg vom Markt“, skizziert die Projektleiterin der Studie, Melanie Wiener von der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Denn im Onlinegeschäft ist der Mitbewerb oft nur einen Mausklick entfernt. Vor allem große Handelskonzerne haben mit intuitiver Bedienung oder One-Click-Bestellungen die Messlatte für alle anderen stark nach oben geschraubt.
Nachhaltigkeit: Europa hat mehr Rohstoffe als gedacht
Während in den letzten Jahren bei vielen Handys sogar die Akkus so fix verbaut wurden, dass sie nicht durch den Nutzer gewechselt werden konnten, geht der Trend künftig in Richtung Kreislaufwirtschaft. Dazu müssen alle möglichen Produkte bereits bei der Entwicklung so gestaltet werden, dass sie einfach aufgerüstet oder repariert werden können. Weiters sollten am Ende des Produktlebenszyklus Materialien in einer möglichst hohen Qualität rückgewinnbar und recycelbar sein. „Europa ist eigentlich ein rohstoffarmer Kontinent, wenn man aber beispielsweise die Baustoffe betrachtet, die in unseren Gebäuden zur Wiederverwendung ‚gelagert‘ sind, sind wir genau genommen ein rohstoffreicher Kontinent“, erläutert der Vorstand des Instituts für Integrierte Qualitätsgestaltung und akademische Leiter der Studie, Prof. Erik Hansen.
Sinnhaftigkeit: Unternehmen müssen ihre Werte auch leben
Greenwashing wird für Unternehmen in Zukunft schwieriger. Konzerne, bei denen zwar die Produktqualität passt, die aber ihre eigenen Werte nur vorgeben und nicht leben, müssen mit einem Boykott der Konsumenten rechnen. „Vertrauen und Transparenz sind Werte, die künftig noch stärker in den Qualitätsbegriff einfließen werden“, erklären die Experten.
Digitalisierung: Algorithmen könnten Entscheidungen treffen
Ähnlich wie beim autonomen Fahren könnte die Digitalisierung in Zukunft so weit gehen, dass Unternehmensentscheidungen auf „Big Data“ basieren. „Wer sagt denn, dass ein schlauer Algorithmus nicht besser ist als ein Stratege“, wurde von einem Sparringpartner der Studie als provokante These aufgestellt.
Zertifizierungen: Konsumenten wollen unabhängige Prüfungen
Konsumenten werden kritischer gegenüber Influencern, auch wenn diese tausende Follower haben sollten. Junge Menschen merken zunehmend, dass Social-Media-Stars oft dafür bezahlt werden, wenn sie auf YouTube oder anderen Plattformen Produkte anpreisen. „Man vertraut nicht gerne jemandem, der gekauft ist. Den meisten Menschen ist es lieber, wenn eine unabhängige Institution prüft und die Qualität mittels Zertifizierung bestätigt wird“, so die Expertin Wiener. Von Seiten der Unternehmen gibt es den Wunsch nach Durchforstung des Zertifizierungsdschungels, da die Anzahl der Standards immer größer wird.
Individualisierung: Datensammlungen werden weiter steigen
Die hohe Nachfrage der Konsumenten nach standardisierten Massenprodukten der vergangenen Jahrzehnte weicht immer stärker einem Verlangen nach möglichst maßgeschneiderten Gütern und Dienstleistungen. Die Individualisierung dürfte allerdings zu einem weiteren Anstieg der Datensammlungen und den damit verbundenen datenschutzrechtlichen Fragestellungen führen.
Qualitäts-Widerspruch: Produkte müssen schnell auf den Markt
Konsumenten verlangen in immer kürzeren Abständen nach den neuesten Produkten. Geschwindigkeit und Innovationskraft zählen daher in manchen Bereichen bereits mehr als hundertprozentige Fehlerfreiheit, weil sich die Unternehmen durch diese Pionierstrategie einen Wettbewerbsvorteil versprechen. „Je höher der Software-Anteil an einem Produkt, desto schneller werden diese auf den Markt gebracht, weil allfällige Mängel mittels Update auch im Nachhinein behoben werden können“, präzisiert Wiener diesen Qualitäts-Widerspruch.
Agilität: hierarchische und bürokratische Organisationsstrukturen entsorgen
Vielfach sind die Organisationsstrukturen in Österreichs Unternehmen sehr hierarchisch und bürokratisch aufgebaut. Ein typisches Organigramm besteht aus rund fünf Ebenen. Um in der schnelllebigen Zeit zu bestehen, müssen die Betriebe daher agiler werden. So hat ein Projektteilnehmer in seinem Unternehmen die Management-Hierarchie komplett abgeschafft. Stattdessen werden den Mitarbeitern Rollen innerhalb ihrer Projektteams zugewiesen. Das bedeutet für die Betroffenen mehr Freiheit, aber auch mehr Verantwortung für das eigene Handeln.
Fazit
„Wie die Studienergebnisse zeigen, gibt es eine klare Trend-Entwicklung vom ‚Small-Q‘, bei dem es nur darum geht, ob alle Produktanforderungen erfüllt sind, hin zu einem ‚Big-Q‘. Das bedeutet, dass der Qualitätsbegriff immer breiter wird“, erklärt Wiener. „Diese Entwicklung hat auch zur Folge, dass Unternehmen, die auch in Zukunft erfolgreich sein wollen, Qualität nicht am Kunden alleine, sondern an den relevanten Anspruchsgruppen bzw. Stakeholdern auszurichten haben“, so das Fazit von Hansen.
Über die Studie
Experten und Visionäre aus verschiedensten heimischen Organisationen starteten im Juni 2018 das Projekt „Qualität 2030“ mit dem Ziel, Entwicklungen, die auf zukünftige Qualitätsanforderungen Einfluss nehmen, zu identifizieren. Neben der Quality Austria, welche die Studie am Institut für integrierte Qualitätsgestaltung der Johannes Kepler Universität in Linz beauftragt hat, waren noch folgende Unternehmen an der Studie beteiligt: AVL LIST, BWT, Erdal, Infineon, die Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz, Grüne Erde, KEBA, neoom group, Lenzing, TGW.
Bild: Melanie Wiener, Studienleiterin „Qualität 2030“, Johannes Kepler Universität Linz (JKU) ©Christoph Landershammer