von Robert B. Fishman
Deutschlands Bäuerinnen und Bauern geht das Land aus. Noch bewirtschaften Landwirte etwa die Hälfte der Fläche Deutschlands. Doch Ackerland wird immer knapper und teurer. Das hat mehrere Gründe: Seit es für Bankkonten und gut bewertete Anleihen keine Zinsen mehr gibt, kaufen Anleger und Spekulanten immer mehr Agrarland. Es lässt sich nicht vermehren und wird sogar immer weniger. Jeden Tag verschwinden in Deutschland rund 60 Hektar (1 ha = 10.000 qm) Land unter Asphalt und Beton. In den letzten 15 Jahren wurden hierzulande rund 6.500 Quadratkilometer Fläche mit Straßen, Häusern, Industrieanlagen und anderem zugebaut. Das entspricht ungefähr der achtfachen Fläche von Berlin oder rund einem Drittel des Landes Hessen.
Ackerland als Geldanlage
Hinzu kommt, dass viele Bauern im Umland der teuren Großstädte ihre Flächen als Bauland verkaufen. Mit den Erlösen erwerben sie Äcker weiter draußen.
Hohe Nachfrage und ein geringes Angebot treiben die Preise. Im Nordosten Deutschlands hat sich der Preis für einen Hektar Land von 2009 bis 2018 auf durchschnittlich 15.000 Euro fast verdreifacht, im bundesweiten Durchschnitt sind es heute rund 25.000 Euro nach 10.000 im Jahr 2008. Das Finanzmagazin Brokertest nennt für 2019 einen Durchschnittspreis von 26.000 Euro je Hektar nach 9.000 im Jahr 2000.
„Landwirtschaftliche Nutzflächen sind in der Regel ein langfristiges Anlageziel, mit dem zuletzt sehr gute Wertentwicklungen erzielt werden konnten“, heißt es in dem Beitrag weiter. Inzwischen kaufen sogar Versicherungskonzerne und Inhaber von Möbelhäusern immer mehr Ackerland. Die private Stiftung des ALDI-Erben Theo Albrecht junior hat in Thüringen für 27 Millionen Euro 4.000 ha Acker- und Weideland erworben. Der Thünen-Report des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft BMEL berichtete schon 2017, dass in zehn ostdeutschen Landkreisen gut ein Drittel der landwirtschaftlichen Unternehmen überregionalen Investoren gehöre – Tendenz weiter steigend.
Konventionelle Landwirtschaft laugt die Böden aus
Die hochindustrielle Landwirtschaft verschärft das Problem. Mit der wachsenden Weltbevölkerung steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln. So versuchen Bäuerinnen und Bauern, auf der gleichen Fläche immer mehr zu ernten. Die Folge: Böden laugen aus und die Erträge gehen langfristig zurück. Man braucht also auf Dauer für die gleiche Menge an Lebensmitteln immer mehr Land. Gleichzeitig verwandeln Betriebe Flächen in Maiswüsten und andere Monokulturen. Die Ernten wandern in Biogasanlagen oder in die Mägen von immer mehr Rindern und Schweinen, die den weltweit wachsenden Fleischhunger stillen. Böden erodieren und die Artenvielfalt geht weiter zurück.
Großindustrielle Intensiv-Landwirtschaft, zu viel Dünger und Pestizide sowie Dürren und Überschwemmungen in Folge der Klimakrise und die Ausbreitung der Wüsten haben in den vergangenen Jahren weltweit rund 40 Prozent der Ackerflächen zerstört. Der wachsende Fleischhunger der Menschheit braucht immer mehr Fläche. Inzwischen dienen 78 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Tierhaltung oder dem Anbau von Futtermitteln. Gleichzeitig wachsen nur sechs Prozent der Rinder und jedes 100. Schwein nach den Regeln der Bio-Landwirtschaft auf.
Land wird für kleine Bio-Bauern zu teuer
Mit den Boden-Preisen steigen auch die Pachten. Das Nachsehen haben vor allem junge Landwirte, die einen Betrieb kaufen oder erweitern wollen. Ihr Kapital reicht nicht, um bei diesen Preisen mitzubieten. Das trifft vor allem die kurzfristig weniger ertragreichen und meist kleineren Biobetriebe, die Landwirtschaft nachhaltiger und klimafreundlicher betreiben, als ihre „konventionellen“ Kolleginnen und Kollegen.
Giftige „Pflanzenschutzmittel“ und chemischer Dünger sind im Biolandbau verboten. So überleben auf Bio-Feldern deutlich mehr Insekten und andere Tierarten. Im Boden bleibt der Lebensraum für Mikroorganismen und andere Lebewesen erhalten. Die Artenvielfalt ist auf einem Bio-Acker deutlich höher als auf einem „konventionell“ bewirtschafteten Stück Land. Das Grundwasser wird weniger belastet und die Böden haben mehr Möglichkeiten, sich zu regenerieren. Eine Studie des Thünen-Instituts und sechs weiterer Forschungseinrichtungen bescheinigte dem Öko-Landbau 2013 eine hohe Energieeffizienz und geringe flächenbezogene CO2-Emissionen sowie Vorteile beim Erhalt der Artenvielfalt: „Im Mittel lagen die Artenzahlen der Ackerflora bei Öko-Bewirtschaftung um 95 Prozent, bei den Feldvögeln um 35 Prozent höher.“
Bio schont das Klima
Auch beim Klimaschutz bringt „Bio“ positive Effekte: „Empirische Messungen ergeben, dass die Böden unter ökologischer Wirtschaftsweise in unseren gemäßigten Klimazonen weniger Treibhausgase produzieren. Bio-Böden weisen im Schnitt einen zehn Prozent höheren Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff auf“, berichtete das Thünen-Institut 2019.
Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln größer als das Angebot
Gleichzeitig kommen die Bio-Bauern in Deutschland mit ihrer Produktion der steigenden Nachfrage nicht mehr hinterher. Die Folge: Immer mehr Produkte werden importiert. Aktuell werden etwa zehn Prozent der Felder in Deutschland nach den Regeln des Öko-Landbaus bewirtschaftet. Die EU und die deutsche Bundesregierung wollen den Anteil verdoppeln. Doch die Bio-Bauern brauchen mehr Land.
Deshalb kauft die BioBoden-Genossenschaft von den Einlagen ihrer Mitglieder (ein Anteil kostet 1.000 Euro) Acker und Grünland sowie ganz Höfe und verpachtet sie an Biobauern. Sie überlässt die Flächen nur Landwirten, die nach den Richtlinien der Anbau-Verbände wie Demeter, Naturland oder Bioland wirtschaften.
„Das Land kommt über die Landwirte zu uns“, sagt BioBoden-Sprecher Jasper Holler. „Nur wer Land dauerhaft nutzen kann, kann wirklich die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität stärken. Der Flaschenhals ist das Kapital.“
„Das Land kommt zu uns“, erwidert BioBoden-Sprecher Jasper Holler den Einwand, seine Genossenschaft würde als zusätzliche Nachfragerin die Bodenpreise weiter in die Höhe treiben.
„Wir treiben die Preise nicht in die Höhe, weil wir uns am Bodenrichtwert und nicht nur an Marktpreisen orientierten und uns nicht an Versteigerungen beteiligen.“
BioBoden kauft nur Grundstücke, die Landwirte gerade brauchen. Beispiel: Ein Verpächter will oder muss Ackerflächen verkaufen. Der Landwirt, der die Flächen bewirtschaftet, kann sie sich nicht leisten. Bevor das Land nun an branchenfremde Investor*innen oder an einen „konventionell“ wirtschaftenden Betrieb geht, kauft es BioBoden und verpachtet es dem Bauern, damit er weitermachen kann.
Wenn sich zwei Biolandwirt*innen für die gleiche Fläche interessieren, bemühen wir uns gemeinsam mit den beiden Landwirt*innen um eine Lösung.“ BioBoden-Sprecher Jasper Holler.
„1/3 der heute aktiven Landwirte wird in den nächsten 8–12 Jahren in Rente gehen. Viele von ihnen werden ihr Land und ihre Höfe verkaufen, um vom Erlös im Alter zu leben.“ BioBoden Sprecher Jasper Holler
„Gewaltige Nachfrage“
„Die Nachfrage ist gewaltig“, berichtet Holler. Die Genossenschaft kaufe Land nur zu marktüblichen Preisen nach dem Bodenrichtwert, beteilige sich nicht an Versteigerungen und halte sich heraus, wenn z. B. mehrere Bio-Bauern um das gleiche Stück Land konkurrieren. Trotzdem könne BioBoden viel mehr Äcker kaufen, wenn sie das Geld dazu hätte. Holler weist darauf hin, dass in den nächsten Jahren „etwa ein Drittel der derzeit aktiven Landwirtinnen und Landwirte in Rente gehen“. Viele von ihnen müssten für ihre Altersversorgung den Hof verkaufen. Um auch dieses Land für den Öko-Landbau zu sichern, brauche BioBoden noch sehr viel Kapital.
„Wir müssen unseren Konsum überdenken. Für die Fleischproduktion bei uns und für Fleischimporte wird der Regenwald abgeholzt.“
In den sechs Jahren seit ihrer Gründung hat die Genossenschaft nach eigenen Angaben 5.600 Mitglieder gewonnen, die zusammen 44 Mio. Euro eingebracht haben. Davon habe BioBoden 4.100 Hektar Land und 71 Bauernhöfe gekauft, zum Beispiel:
- in der Uckermark eine komplette Agrargenossenschaft mit mehr als 800 Hektar Land. Dieses nutzt jetzt der Ökolandbau-Betrieb Brodowin. Auch kleine Höfe von der Solawi-Gärtnerei bis zum Weingut lassen von der Genossenschaft Land sichern.
- Im Stettiner Haff beweiden Rinder eines Ökobauern dank der Hilfe von BioBoden eine Vogelschutzinsel.
- In Brandenburg baut ein Landwirt erfolgreich Bio-Walnüsse auf BioBoden-Äckern an. Diese werden bisher zu 95 Prozent importiert.
BioBoden bietet auch Coaching-Seminare und Vorträge an Universitäten für eine Begleitung von angehenden Biolandwirten bei der Existenzgründung.
„Wir verpachten das Land an Bio-Landwirt*innen für 30 Jahre mit Verlängerungsoptionen alle 10 um weitere 30 Jahre.“
Die Zahl der BioBoden-Mitglieder wächst weiter. 2020 verzeichnete die Genossenschaft den größten Zuwachs ihrer kurzen Geschichte. Die Mitglieder investieren aus Idealismus. Eine Rendite bekommen sie vorerst nicht, auch wenn das in der Zukunft „nicht ausgeschlossen“ sei.
„Wir haben zusätzlich eine Stiftung gegründet. An die kann man Land und Höfe steuerfrei verschenken. Unsere BioBoden-Stiftung hat so in vier Jahren vier Höfe und zahlreiche Ackerflächen erhalten. Die Menschen wollen, dass Ihre Höfe dem Bio-Landbau erhalten bleiben.“
Derzeit arbeitet die Genossenschaft außerdem an einem Konzept, wie die Mitglieder von den Produkten der Höfe direkt profitieren können. Zeitweise können sie online auf den BioBoden-Höfen online einkaufen.
BioBoden Info:
Wer bei BioBoden drei Anteile à 1000 Euro kauft, finanziert damit im Durchschnitt den Erwerb von 2000 Quadratmetern Land. Das ist rein rechnerisch die Fläche, die man braucht, um einen Menschen zu ernähren.
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