Diese Rechnung geht sich nicht aus: Wer einen Euro hat, kann nicht zwei ausgeben. Was jedes Kind schon beim Taschengeld weiß, funktioniert global gar nicht. Glaubt man der Plattform „Earth Overshoot Day“, so verbrauchen wir pro Jahr rund das Doppelte dessen, was unser Planet an Ressourcen generieren kann. Ein fettes Minus also. Heuer haben wir am 2. August unser Jahrespensum aufgebraucht. Und jetzt?
Der Overshoot Day ist nur eines vieler Indizien, dass wir Menschen den Planet Erde nicht optimal bewirtschaften. Wir beuten nicht nur ihn aus, sondern auch uns gegenseitig aus. Was muss sich ändern? Vertreter alternativer Wirtschaftsmodelle sind sich einig, die Zukunft muss grün sein. Menschliches Wohlbefinden, gesellschaftliche Werte und die Reduktion von Ungleichheit müssen über nackten Zahlen wie BIP-Wachstum stehen. Die Wege dorthin sind vielfältig: Kreislaufwirtschaft, Degrowth, Post-Wachstum, Buen Vivir – um nur einige zu nennen.
Alternative Wirtschaft der Zukunft
„Ecommony“
Die Ökonomin Friedrike Habermann vertritt dieses Modell, ein Wortspiel aus „Commons“ und „Economy“. Ihr Credo: Besitz statt Eigentum, denn Eigentum beruht auf Ausschluss. Ist man Eigentümer von etwas, schließt man damit andere von der Nutzung aus, auch wenn man das Gut gerade nicht benötigt. Alle Güter sollten ein Gemeingut, sein und nur während des Gebrauchs von jemandem besessen werden. Arbeit rangiert in der Ecommony als „entfremdete Tätigkeit“. Menschen sollten agieren, weil sie zu etwas Lust verspüren und es als notwendig sehen, und nicht weil sie Geld verdienen müssen. Geld und ein Preissystem sind in der Ecommony, die sich als Alternative zum Kapitalismus versteht, außer Kraft gesetzt.Blue Economy
Nach der Idee des belgischen Unternehmers Gunter Pauli sollen Unternehmen Ressourcen größtenteils aus Abfällen gewinnen. Eine Umstellung auf diese Kreislaufwirtschaft soll weltweit um die 100 Millionen Arbeitsplätze schaffen, was wiederum das gesamte Wirtschaftssystem umkrempeln könnte.Steady State Economy
Die Wirtschaft wächst nicht mehr physisch, sondern entwickelt sich auf einem optimalen, nachhaltigen Konsumniveau weiter. In diesem Modell ist die Wirtschaft in ökologische Systeme eingebettet, deren Grenzen erreicht sind. Weiteres Wachstum würde zu mehr Ausbeutung führen. Voraussetzung ist eine konstante Bevölkerungszahl, denn bisher war Wirtschaftswachstum stark mit Bevölkerungswachstum gekoppelt.Buen Vivir, Degrowth & Co verfolgen alle ähnliche Ansätze, nämlich den klassischen Kapitalismus um die menschliche Komponente zu erweitern und nicht stur in Richtung BIP-Wachstum arbeiten.
Gemeinwohl statt BIP
Die Vergangenheit der Zukunft ist das Jetzt. Zwar können wir nicht ändern, was bisher passiert ist. Aber dafür aus Fehlern umso mehr lernen. „Wirtschaftlicher Erfolg wird derzeit nicht an den Zielen, sondern an den Mitteln, konkret in Geld, gemessen“, sagt Christian Felber. Er ist einer der prominentesten Vertreter der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) in Österreich. Oberstes Ziel ist Wohlstand, in Felbers Theorie heißt das „Gemeinwohl“. Es setzt sich aus den Faktoren Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung. Geld und Kapital sind nur legitime Mittel zum Zweck und keine Messgrößen für Wohlstand.
Aber halt, dient nicht das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als glaubhafter Indikator zur Wohlstandsmessung? „Nein“ sagt Felber, „denn das Finanzielle lässt keine verlässlichen Rückschlüsse auf soziale und ökologische Faktoren zu.“ Nimmt man etwa den Jahresabschluss eines Unternehmens heran, so zeigt eine hohe Bilanzsumme keinesfalls, ob das Unternehmen die Gesellschaft mit den Werten der GWÖ reicher macht. Dabei versteht sich die GWÖ nicht als Alternativmodell, sondern als Erweiterung des Bestehenden. Herkömmliche Bilanzen sollen selbstverständlich bestehen bleiben, aber müssten – so Vertreter dieser Theorie – um die Gemeinwohl-Bilanz erweitert werden.
Eine Methode sind Nachhaltigkeitsberichte. Diese gibt es zwar schon, doch rangieren so manche in der Kategorie „Greenwashing“. Um einen einheitlichen Standard reinzubringen, haben sich die heimischen GWÖ-Aktivisten eine Matrix aus 20 Themen ausgedacht, die unter anderem den Einfluss des Unternehmens auf Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter unter die Lupe nimmt.
Und was bringt das dem Unternehmen? „Wer ethisch bessere Produkte in den Umlauf bringt, sollte durch weniger Steuerbelastung, günstigere Kredite und Vorrang im öffentlichen Einkauf belohnt werden“, meint Felber. Das führt wiederum zu billigeren Produktionsbedingungen und höheren Gewinnspannen.
Das Gemeinwohlkonzept
Wie sieht es mit Konzernen aus der „schmutzigen“ Industrie aus? Der Stahlkonzern Voest etwa ist für die Hälfte des Stromverbrauchs in Österreich verantwortlich und darüber hinaus der größte CO2-Emittent des Landes. Wie kann dieses Unternehmen jemals unter GWÖ-Bedingungen positiv bilanzieren? Das geht nur auf globaler Ebene. Die GWÖ sieht vier Punkte vor:
1. Globales Ressourcen-Management: Für alle Ressourcen weltweit ist Verteilungsschlüssel notwendig, etwa auf Ebene der UNO. Am Beispiel der Stahlproduktion wäre das ein genauer Plan, wie viel Stahl weltweit überhaupt produziert werden darf. Überschussproduktion – wie derzeit in China – die zu Dumping und Ausbeutung führen, wäre damit entgegengewirkt.
2. Ökologische Steuerreform: Stahl oder bei der Produktion entstehende Emissionen, etwa Kohlenstoff, ist global gleich besteuert. Das reguliert den Preis.
3. Gemeinwohlbilanz: Unternehmen müssen umdenken und durch Innovationen ökologischer produzieren. Das lässt in Folge höhere Gewinne aufgrund niedrigerer Steuerabgaben zu.
4. Ökologische Kaufkraft: Die Ressourcen des Planeten werden pro Jahr auf alle Menschen in Form eines Punktekontos aufgeteilt. Jeder Bürger hat eine jährliche ökologische Kaufkraft, zusätzlich zum System Geld. Preise von Produkten und Dienstleistungen sind in beiden „Währungen“ ausgezeichnet. Jeder Konsum frisst Ökopunkte vom Konto, bei besonders umweltbelastenden Produkten. Ist das Konto erschöpft, kann man nur mehr ökologisch Unbedenkliches kaufen.
Kooperation statt Konkurrenz
Das Modell der Gemeinwohlökonomie sieht sich nicht als Alternativ zum Kapitalismus, sondern als neue Spielvariante. Statt vorherrschendem Konkurrenz- und Wettbewerbsdenken, sollte sich die Wirtschaft auf Kooperationen konzentrieren.
Ist die Idee der Post-Wachstumsgesellschaft eine Utopie? Keinesfalls. „Viele nachhaltig agierende Unternehmen gehen schon langsam in diese Richtung“, beobachtet Tristan Horx, Trendforscher am Zukunftsinstitut. Verantwortungsvoller Umgang mit der Umwelt und mehr soziales Engagement sind Indizien dafür. Zudem ist die Sharing Economy ein Schritt Richtung Anti-Wachstum.
Bürgermeister der Welt
Wirtschaft funktioniert global, aber wir leben in Nationalstaaten. „Das ist der Grund, warum oft Politiker machtlos gegen international agierende Konzerne und deren Steuervermeidungstricks sind“, weiß Horx. Seine Idee, die er auch im aktuell erschienenen Report „Generation Global“ publiziert hat, fordert, dass Wirtschaft lokaler und Politik globaler passieren muss. Beide Systeme müssen auf allen Ebenen verankert sein.
Wie soll das funktionieren? Beispiel ist das „Global Parliament of Mayors“. Seit vergangenem Jahr treffen sich die Bürgermeister von 61 Großstädten der Welt einmal pro Jahr für zwei Tage, um unter anderem über Wirtschaft, Klimawandel und Migration zu diskutieren. Das ist eine neue Auslegung des Begriffs „glokal“, denn Bürgermeister haben starken lokalen Einfluss und vernetzen sich gleichzeitig global.
Innovation ist Chefsache
Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht. Das hat fatale Auswirkungen, in einer Zeit, wo sich Rahmenbedingungen immer schneller ändern. Technische Innovationen übersteigen die Vorstellungskraft der älteren Generation. „Keine Angst vor Neuem“, sieht der Zukunftsforscher René Massatti als soziale Grundlage für ein besser funktionierendes Wirtschaftsmodell. „Der ständige Wandel muss in den Köpfen der Menschen verankert sein“. Nur so werden Innovationen akzeptiert und sinnvoll angewendet. Soziale und digitale Ungleichheit sinken dadurch. Ebenso appelliert Massatti an die Regierungen: „Innovationen müssen Chefsache sein und nicht in den Händen einzelner Großkonzerne liegen“, so Massatti.
Einflussfaktor Schlüsseltechnologien
Auch neue Technologien werden Wirtschaft und Leben verändern. Hier drei der wesentlichsten Schlüsseltechnologien der Zukunft.
Künstliche Intelligenz
Zwar wurde der Termin immer wieder verschoben, doch die Singularitätstheorie sagt, dass sich bis 2045 der Mensch künstlich selbst erschaffen kann. Sprich: Künstliche Intelligenz (KI) kann wiederum künstliche Intelligenz (KI) schaffen, der Mensch wird „überflüssig“. Ab diesem Zeitpunkt wird die Leistung der KI die Menschliche übertreffen, so zumindest die Idee des US-Visionärs Ray Kurzweil.
Solche Prognosen sind mit Vorsicht zu genießen. Fest steht aber, dass KI unsere Zukunft am stärkten beeinflussen wird. Systeme werden kognitive Leistung bringen, also selbst denken und eigenständig handeln. Und was machen wir Menschen dann? Trendforscher Horx sieht den Sinn des technologischen Fortschritts darin, langweilige Jobs zu ersetzen. „Es ist ein Denkfehler, dass wir davor Angst haben müssen, deswegen arbeitslos zu werden“. Fest steht, KI und Robotic werden Arbeitsplätze eliminieren. Aber „die Ausbildung muss sich dahingehend verändern, dass Menschen Aufgaben machen, die Maschinen nicht machen können“, entgegnet Zukunftsforscher René Massatti. Die Stärke des Menschen ist die Nichtvorhersagbarkeit seiner Tätigkeiten, nämlich Kreativität. Für kreative Lösungen wird es Menschen immer brauchen und es ist fraglich, ob diese tatsächlich zur Gänze von KI übernommen werden kann.Blockchain
Während die Digitalisierung derzeit Konzerne wie Airbnb und Uber aus dem Boden sprießen und binnen weniger Jahre milliardenschwer werden lässt, könnte die Blockchain damit bald aufräumen. Theoretisch braucht es durch diese Technologie bald keine Plattform wie Airbnb, um freie Betten mit Touristen zusammenzubringen. „Blockchain gilt als potenzieller Disruptor der Disruptiven“, meint Massatti. Sein Nachsatz: „Dies wäre die Weiterentwicklung des Plattform-Kapitalismus.“Bioengineering
Der Mensch wird sich durch Bionengineering selbst optimieren können, etwa übernatürliche Kräfte oder ewiges Leben verleihen können. Positive Spielart ist die Heilung von Lähmungen, etwa durch Exoskelette. Negative Auswirkung ist eine Zweiklassengesellschaft, denn nur Reiche können sich Modifikationen am Körper leisten. Hinzu kommt die große ethische Frage, wie sehr Menschen künstlich verändert werden dürfen.