„Ich bin der Überzeugung, dass sich in der Gesellschaft ein neues Bewusstsein entwickelt. Der Konsument befasst sich mit Themen wie Nachhaltigkeit und wird kritischer. Unternehmen werden sich der Verantwortung nicht mehr entziehen können.“ Isabella Hollerer, Leiterin für nachhaltige Entwicklung bei bellaflora, ist mit ihrer Meinung längst nicht mehr alleine. Viele Firmen haben sich inzwischen Nachhaltigkeit, Bio und Co angenähert oder gar verschrieben. Doch was steckt dahinter? Ist es der Druck des Konsumenten? Rein wirtschaftliche Überlegung? Oder doch tatsächlich Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt?
Nachhaltigkeit & Wirtschaft – Alles ist möglich
Spätestens seit vergangenem Jahr gilt bellaflora als großes Vorbild. Kaum ein anderes Unternehmen hat die Wende so konsequent genommen, wie die Gartencenterkette: Vergangenes Jahr wurden alle Pflanzenspritzmittel mit Pestiziden aus den Regalen verbannt, heuer fliegt der chemisch-synthetischen Dünger raus. Und nicht nur Eigenmarken wurden umgestellt, auch Zulieferer sind nur noch ökologisch willkommen, wollen sie weiterhin bei der „grünen Nummer 1“ vertreten sein. „Wir verstehen das nicht als PR-Gag, sondern als Philosophie. Ökologie ist mit Wirtschaftlichkeit ohne Probleme in Einklang zu bringen“, resümiert bellaflora-Geschäftsführer Alois Wichtl.
„Ökologie ist mit Wirtschaftlichkeit ohne Probleme in Einklang zu bringen.“
Alois Wichtl, bellaflora
Trotz allem Mut, Sorge gab es trotzdem, verrät uns Hollerer: „Es gab natürlich Überlegungen, ob wir uns das leisten können. Ob der Kunde das annimmt. Wir haben uns aber dazu entschlossen – und es funktioniert.“ Der Erfolg – satte 20 Prozent Umsatzsteigerung im Bereich der Spritzmittel – gibt bellaflora recht – und Mut zu weiteren Schritten.
Das „Grüne Eck“
In einem ganz anderen Marktbereich revoltiert Alexander Skrein. Der Wiener Goldschmied fertigt seit kurzem nur noch aus „fairem Gold“ – sprich: Edelmetall aus Altschmuck-Recycling oder Fairtrade gefördertem Gold. Damit will er für humanere Zustände in den Goldminen der Welt sorgen. Trotz allem Idealismus offenbar nicht jedermanns Sache. Der Realist Skrein schätzt: „60 Prozent interessiert in erster Linie, wie das Collier aussieht. Ein Drittel fragt nach. Etwa jeder Zwanzigste ist begeistert.“ Ein Anfang, trotzdem bleiben Befürchtungen bestehende Kunden zu verlieren noch offen: „Weil wir ins Grüne Eck gestellt werden. Gerade in unserem Segment muss man diesbezüglich irrsinnig aufpassen.“
„Gewinnmaximierung ist heute ein Schandwort und nimmt auf Nachhaltigkeit und den Menschen keine Rücksicht mehr.“
Alexander Skrein, Goldschmied
Die Wirtschaft und ihre Verantwortung
Die Wirtschaft ginge jedenfalls traditionell den Weg der Nachhaltigkeit. Skrein kritisch: „Wenn sie nicht pervertiert wird. Gewinnmaximierung ist heute ein Schandwort und nimmt auf Nachhaltigkeit und den Menschen keine Rücksicht mehr. In Unternehmensformen weg von den familiengeführten Unternehmen zu Aktiengesellschaften gibt es keine Verantwortung und Loyalität mehr. Niemand, der sich verantwortlich fühlt.“
Ist das wirklich so? bellafloras Nachhaltigkeits-Beauftrage Isabella Hollerer kann das aus ihrer Sicht bestätigen: „Mit Sicherheit ist es bei Privatunternehmen ganz anders als in Großkonzernen. Unsere Auslistung war nicht der erste Schritt. Nachhaltigkeit wird von unserer Eigentümerin Hilde Umdasch gefordert. Erst so wurde meine Stelle erst geschaffen.“
„Wirtschaftlicher Erfolg steht auch bei uns an oberster Stelle, aber immer unter Berücksichtigung der ökologischen Faktoren und auch sozialer Themen.“
Isabella Hollerer, bellaflora
Wirtschaft als Treiber
Pauschalierungen sind jedoch fehl am Platz. Und Hollerer bekennt: „Wirtschaftlicher Erfolg steht auch bei uns an oberster Stelle, aber immer unter Berücksichtigung der ökologischen Faktoren und auch sozialer Themen.“ Auch in vielen Konzernen ist Nachhaltigkeit ein großes Thema. Nicht zu bestreiten ist etwa die Pionierleistung von Rewe. Wo wäre Bio heute – ohne der Marke „Ja! Natürlich“, die gerade 20-jähriges Jubiläum feiert? Die Tochter Bipa wird 2014 freiwillig 23 Produkte der Eigenmarke MY wegen kritisierter Inhaltsstoffe auslisten, beziehungsweise 14 Produkte in deren Zusammensetzung umstellen. „Nachhaltigkeit ist bei uns kein Trend, dem wir wie viele andere folgen, sondern Teil der Unternehmensstrategie“, erklärt Sprecherin Ines Schurin.
Auch hier sprechen die Zahlen für sich: So steigerte „Ja! Natürlich“ seinen Umsatz von 290 Millionen Euro 2010 auf 323 Mio. 2012. „Pro Planet“ startete 2010 mit sieben Millionen und wies 2012 bereits einen Umsatz von 58 Mio. auf. Schurin: „Zudem verstärkte das Unternehmen zuletzt seinen Fokus auf regionale Produkte, etwa beim Billa Regional Regal oder der Merkur Regional Initiative. Erfreuliche Fortschritte konnte die Rewe Group auch im Bereich „Energie, Klima und Umwelt“ erzielen. Durch viele unterschiedliche Maßnahmen wurde das ursprünglich für 2015 angepeilte Klimaschutzziel – eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 30 Prozent – bereits im Vorjahr erreicht. Im Rahmen des „klima:aktiv pakt 2020“ strebt die Rewe International AG zudem eine weitere Reduktion der CO2-Emissionen von 16 Prozent bis 2020 an.“
„Wir sind fest davon überzeugt, dass wir dauerhaft nur durch verantwortungsvolles Handeln erfolgreich sein können.“
Friedhelm Dold und Günther Helm, Hofer
Ähnliches gilt für Aldi mit Hofer. Besonders eine Initiative, Öko-Strom direkt im Markt anzubieten, sorgte für Aufmerksamkeit. Seit dem Frühjahr 2013 bündelt Hofer in Österreich alle seine Nachhaltigkeitsaktivitäten mit der Initiative „Projekt 2020“. „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir dauerhaft nur durch verantwortungsvolles Handeln erfolgreich sein können. Außerdem zählt Verantwortung neben Einfachheit und Konsequenz zu den Kernwerten von Hofer und prägt unser unternehmerisches Handeln von Grund auf. Demnach verstehen wir Verantwortung als integralen Bestandteil unserer unternehmerischen Entscheidungsprozesse und haben bereits vor einigen Jahren all unsere Prinzipien in einer eigenen „Corporate Responsibility Policy“ zusammengefasst“, erklären die Hofer-Generaldirektoren Friedhelm Dold und Günther Helm unisono.
„Wir sind das Spiegelbild unserer Kunden. Sie entscheiden, wo sie einkaufen und was sie einkaufen.“
Ines Schurin, Rewe
Die Macht des Konsumenten
Rewe-Sprecherin Schurin bringt es auf den Punkt „Wir sind das Spiegelbild unserer Kunden. Sie entscheiden, wo sie einkaufen und was sie einkaufen.“ Hierbei sind sich alle einig. „Wenn man sich die ganzen sozialen Medienkanäle ansieht, weiß man, dass Themen sehr schnell in die breite Masse gelangen können. Insofern bin ich überzeugt, dass der Konsument enorme Macht hat“, bestätigt auch bellafloras Hollerer. Und Rainer Dunst, Gründer des Startups GoFair, das den Markt mit einem nachhaltigem System für Heißgetränkautomaten durchwirbelt: „Der Konsument hat die alleinige Macht über den Handel. Ausschließlich er entscheidet letztendlich durch sein Kaufverhalten, welche Produkte auf den Markt kommen und welche verschwinden.“
Die Zukunft der Wirtschaft
GoFair ist in der Region Kaindorf entstanden. Dunst: „Die Ökoregion Kaindorf beschäftigt sich seit 2007 intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und nachhaltiger Wirtschaft. GoFair soll einen neuen, fairen und nachhaltigen Weg im Vendingbereich aufzeigen und so dazu beitragen, dass sich letztendlich die gesamte Branche dahingehend verändert.“
„In zehn Jahren wird ein Mindestmaß an nachhaltigem Wirtschaften für die Mehrheit der Unternehmen zum Standard gehören.“
Rainer Dunst, GoFair
Dazu blickt der ambitionierte Unternehmer auch weiter in die Zukunft: „Wir sind davon überzeugt, dass nachhaltiges Wirtschaften die Zukunft sein wird und auch sein muss. Es gibt keine Alternative, wenn wir unseren Nachkommen eine lebenswerte Umwelt hinterlassen wollen. Immer mehr Betriebe gehen in diese Richtung und suchen auch zunehmend nach diesen Kriterien ihre Partner und Lieferanten aus. In zehn Jahren wird ein Mindestmaß an nachhaltigem Wirtschaften für die Mehrheit der Unternehmen zum Standard gehören.“