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Waldbaden: Erlebnis für Körper und Geist

Waldbaden

Raus aus dem Büro, rein ins Grüne. Weg vom Schreibtisch, hin zu den Bäumen. Noch rattern die Gedanken vom Job zum Haushalt, vom Konto zum Abendkurs. Doch mit jedem Schritt verdrängt das Geräusch knirschenden Kieses auf der Waldstraße ein Stück mehr von den Gedanken, mit jedem Atemzug stellt sich immer tiefere Ruhe ein. Hier zwitschert ein Vogel, dort raschelt das Laub, von der Seite zieht der Duft nach sonnenwarmen Kiefernnadeln in die Nase. Nach wenigen Minuten im Wald schon fühlt man sich frei und leicht. Esoterischer Humbug? Aber nicht doch, zahlreiche Studien belegen die gesundheitsfördernden Effekte des Waldes.

Die Kraft der Terpene

Hier kommen die tiefen Atemzüge ins Spiel, die die Luft aufnehmen, die von den Bäumen ausgeatmet wird. Darin enthalten sind die sogenannten Terpene, denen die positive Wirkung auf Menschen vielfach nachgewiesen ist. Terpene sind aromatische Verbindungen, die wir beispielsweise als ätherische Öle von Blättern, Nadeln und anderen Pflanzenteilen gut kennen – also das, was wir als typische Waldluft riechen, wenn wir im Wald unterwegs sind. Es gibt eine Reihe von Studien, die etwa belegen, dass Terpene die körpereigenen Abwehrkräfte stärken und die Stresshormone reduzieren.

Besonders hervorgetan in Sachen Waldforschung hat sich das Team um Wissenschaftler Qing Li der Nippon Medical School in Tokio. Eine der bahnbrechendsten Erkenntnisse zur gesundheitsfördernden Wirkung von Waldlandschaften gelang den Japanern 2004. Damals wurden Testpersonen in einem Hotel einquartiert. Bei der einen Hälfte wurde die Luft während der Nacht unbemerkt mit Terpenen angereichert. Jeden Abend sowie am Morgen wurde den Teilnehmern Blut abgenommen und tatsächlich zeigte sich am Tag danach bei den Testpersonen mit Terpenluft eine deutlich höhere Zahl und Aktivität körpereigener Killerzellen sowie eine erhöhter Gehalt an Anti-Krebs-Proteinen. Sprich: die Abwehrkräfte waren signifikant gestiegen. Der Effekt hielt nach der Studie übrigens für einige Tage an.

Ganzheitliche Wirkung

Das war eine der ersten modernen Studien zum Thema, der seitens Qing Li als auch anderer Wissenschaftler rund um den Globus noch viele weitere folgten – die alle zur Erkenntnis kommen: In den Wald gehen ist gesund. So ist etwa bestätigt, dass bei einem Waldaufenthalt das Stresshormon Cortisol (gemessen im Speichel) deutlich reduziert wird und auch hier der Effekt über Tage hinweg anhält. Blutdruck und Blutzuckerspiegel werden ebenfalls gesenkt. Es sind aber nicht nur die Terpene, sondern auch die Naturgeräusche, die positiv wirken: Die Darbietung von Naturgeräuschen in einer virtuellen Waldumgebung stellte in einer weiteren Versuchsanordnung einen wesentlichen Faktor zur Erhöhung der parasympathischen Nervenaktivität dar und trug somit wesentlich zur Reduzierung physiologischer Stressreaktionen bei (Annerstedt 2013).

Eine Metastudie der Wiener Universität für Bodenkultur aus dem Jahr 2014 kommt zum Ergebnis: Der Besuch von Waldlandschaften kann zur Steigerung positiver Emotionen führen und das Ausmaß negativer Emotionen verringern. Nach Waldaufenthalten berichten Personen, dass sie sich weniger gestresst, erholter und tatkräftiger fühlen. Gleichzeitig kann eine Reduzierung negativer Emotionen wie Erschöpfung, Verärgerung und Niedergeschlagenheit beobachtet werden. Kurz und laienhaft gesagt: Wald wirkt positiv auf Körper und Geist, kräftigt das Immunsystem und holt uns runter vom Alltagsstress.

Waldness aus Profihand

Grundsätzlich kann man sich diese Burn-Out-Prophylaxe aus der Natur jederzeit und gratis holen, indem man im Wald spazieren geht. Die Konzentration der Terpene ist im Sommer am höchsten, aber auch bei nasskaltem Wetter, nach Regen und bei Nebel, ist die Luft terpengeschwängert. Je tiefer in den Wald man dringt, desto intensiver wird das Erlebnis, besonders dicht zeigen sich die Terpene in Bodennähe. Damit das mit dem Abschalten im Kopf auch gut gelingt, empfehlen sich Atemübungen aus dem Yoga oder Qi Gong. In Japan hat sich dafür sogar ein Begriff, Shinrin Yoku, etabliert, übersetzt: Waldbaden.

In einem waldreichen Land wie Österreich müssen Sie nun wirklich nicht weit fahren, um in den Genuss eines Waldbades zu kommen. Wer ganz auf Nummer sicher gehen möchte, dass das mit den gesundheitlichen Effekten auch wirklich gelingt, lässt sich dazu anleiten. Am professionellsten ist dazu das Angebot im oberösterreichischen Almtal. Hier hat man vor einigen Jahren das touristische Potential des Waldes ganz im Sinne des sich damals schon abzeichnenden Trends „Zurück zur Natur“ erkannt und Waldness erfunden. Andreas Pangerl vom Waldness-Gründungsteam: „Wir geben unseren Gästen eine Anleitung mit, wie sie am besten von der Heilkraft des Waldes profitieren und sich damit auch geistig für neue Perspektiven öffnen“. Oberförster und Waldguru Fritz Wolf vermittelt die großen Zusammenhänge im Ökosystem während er mit der Gruppe Waldfrüchte sammelt und später verkocht. Beim Wald-Vyda, das man als Yoga der Kelten bezeichnet, geht es um Körpergefühl und Konzentration und beim Waldbaden im Laybag zwischen den Latschen um totale Entspannung.

Asiatische Kombination

Angelika Gierer wiederum nimmt ihre Gäste mit in den Wienerwald oder ins Waldviertel, wo sie auch aufgewachsen ist. Sie ist ausgebildete Yoga-Trainerin und nennt ihr Angebot Shinrin Yoga, wo sie die „heilsamen Erkenntnisse japanischen Waldbadens mit der indischen Tradition von Atem-, Sinnes- und Bewusstseinsentfaltung“ verbindet. Auf klassische Yogaübungen wartet man bei ihren Waldspaziergängen allerdings vergebens, dafür legt sie großen Wert auf die Atmung als „Schlüssel zum Glücksgefühl“. Ein wesentliches Element ihrer Waldbäder ist das barfuß gehen, Angelika: „Barfuß gehen ist unglaublich wertvoll. Die Fußreflexzonen werden angeregt und so praktisch alle Organe des Körpers massiert. Durchs dauernde Schuhe tragen verkümmerte Nervenendungen werden wieder aufgeweckt. Man spürt die Verwurzelung, Antioxidantien werden über die Fußsohlen aufgenommen, man entschleunigt. Ja, unser Bewusstsein kommt durch das barfuß gehen automatisch ins Hier und Jetzt“.

Einfach mal probieren

Im steirischen Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen verbindet man Waldbaden mit dem regionalen Leitthema „Natur Lesen“. Claudia Gruber, zertifizierte Wald-Gesundheitstrainerin, begleitet die Gäste auf Waldbade-Touren durch den Naturpark: „Wir machen gewissen Übungen, um in die Ruhe zu kommen und den Parasympathikus zu aktvieren. Daneben machen wir aber auch Gehmeditationen zu den einzelnen Elementen, Erde, Luft, Wasser und Feuer. Da geht es um die Inspiration der Natur, was hat sie uns zu erzählen und lehren.“ Dazu gibt es jeweils Körperübungen, Gruber spricht dabei über die Essenz des einzelnen Elements. „Erde etwa ist Nahrung und Verwurzelung für die Bäume, aber sie gibt auch dem Menschen Halt. Bei Luft geht es um Freiheit, bei Wasser um Rhythmus, bei Feuer um Lebensenergie“, versucht sich Claudia in einer kurzen Zusammenfassung, „Außerdem machen wir Sitzplatzübungen, wo sich jeder ein schönes Plätzchen sucht und dort mal 15 Minuten alleine bleibt.“

Auch im Gasteinertal setzt man aufs Waldbaden. In Zusammenarbeit mit der „Naturdenkerin“ und Tourismus-Geomantin Sabine Schulz hat man eine kostenlose Broschüre entwickelt und drei spezielle Waldbadareale mit verschiedenen Stationen definiert: das Angertal, den Wasserfallweg ab Bad Hofgastein sowie den Böcksteiner Höhenweg mit Start und Ziel nahe des Montanmuseums in Bad Gastein. Einsteigern in Sachen Waldbad empfiehlt sich, bei der geführten Tour, die einmal wöchentlich angeboten wird, mitzumachen.

TIPPS ZUM WALDBADEN

Waldness (Almtal/Oberösterreich): Vier Tage lang Waldness im Almtal und Sie sehen in Zukunft den Wald nicht nur mit anderen Augen, Sie nehmen ihn auch viel stärker mit Ihren anderen Sinnen wahr – verspricht zumindest Waldness-Erfinder Pangerl. Am Programm: Waldbaden und Waldschule mit Förster Fritz Wolf, Latschenbad, Waldkneippen, Waldspaziergang und Wald-Vyda. traunsee-almtal.salzkammergut.at

Shinrin Yoga (Wienerwald und Waldviertel): regelmäßig gibt es Shinrin Yoga Einheiten mit Angelika Gierer im Wiener Teil des Wienerwaldes (Di abends, sonntags) sowie im Yspertal (quartalsweise), außerdem lässt sich ein Waldbad auch einzeln oder zu zweit buchen. shinrinyoga.at

Waldbaden und Natur Lesen (Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen): Bei Claudia Grubers Waldbade-Touren wird die aufkommende Naturverbundenheit von der Trainerin noch vertieft. Jeden Monat gibt’s einen Fixtermin, die Tour dauert vier Stunden; Termine für Gruppen ab vier Personen auf Anfrage; fallweise längere Einheiten wie etwa eine Tour mit Übernachtung im Wald.
natura.at

Wald Wellness (Gasteinertal): Broschüre holen (oder runterladen) und losstapfen – oder eine der wöchentlichen Waldbade-Führungen mitmachen. gastein.com/aktiv/sommer/waldbaden

Geistig eintauchen: Tiefer ins Thema Waldbaden dringt man bei mehrtägigen Workshops, Seminaren oder Ausbildungen. Entsprechende Module finden Sie in Österreich bei Angelika Gierer (Shinrin Yoga), Ulli Feller (waldwelt.at) oder aber auch bei Werner Buchberger im Innviertel. Für ihn ist „Waldbaden eine Lebenseinstellung, in der wir in der Natur, im Wald, in der Verbindung mit Bäumen und unserer Umgebung, das Leben in seiner Ursprünglichkeit und Freiheit wieder genießen können.“ Er unterscheidet zwischen der ersten Ebene des Waldbadens, die uns geläufig ist, wenn wir im Wald Entspannung finden und der zweiten Ebene, wo man beginnt sich bewusst mit dem Wald, den Bäumen, Mutter Erde und der Umgebung zu verbinden (waldbaden-heilenergie.at).

Körperlich eintauchen – Nehmen Sie den Zeitdruck komplett raus aus der Waldbaderei – bleiben Sie einfach über Nacht. Sie müssen dazu nicht mit Biwakzelt losziehen, das geht viel bequemer: buchen Sie eine Übernachtung im Baumhaus! Die schönsten Angebote liegen im Osten des Landes.

Baumhauslodge in Schrems (Waldviertel): Fünf Baumhäuser sind hier eingebettet zwischen Granitfelsen, stillem Gewässer, Buchen, Eichen, Kiefern und Fichten. Chef Franz Steiner hat hier – nach neuseeländischem Vorbild – einen Platz geschaffen, an dem man den besonderen Spirit des Ortes spürt. baumhaus-lodge.at

Ochys (Weinviertel): Das Weinviertel ist zwar nicht gerade die klassische Destination fürs Waldbaden, Ochys Kletterpark bei Niederkreuzstetten ist aber eine waldige Oase in der Riedenlandschaft mit wunderbaren alten Eichen. Untertags kann man hier Klettern, in der Nacht aus der Öko-Hütte durchs Glasdach ins Blätterdach blicken. ochys.at

Ramenai (Böhmerwald): Ohne viel Chi-Chi hat Familie Hofbauer ein Hoteldorf in typischer Böhmerwaldlerform errichtet. Neun Hütten sind fest am Boden verankert, der wahre Hit ist die Zehnte: ein Baumbett in luftiger Höhe, es baumelt quasi in den Wipfeln. ramenai.at

Baumhotel Buchenberg (Waidhofen/Ybbs): Hundert Jahre alte ist die Buche, in deren Krone man das Baumhotel platziert hat. Da es nur diese eine Hütte im Tierpark gibt, gibt es auch keine anderen Übernachtungsgäste. tierpark.at

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Geschrieben von Anita Ericson

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