„Von oben ist derzeit wenig zu erwarten, deshalb braucht es eine Motivation von unten.“
Harald Frey, Verkehrsforscher TU Wien zu Volksbegehren für Klima und Tierschutz
„Obwohl sich die Politik zu den Klimazielen verpflichtet hat, passiert nichts. Im Gegenteil. Wir bauen die Verkehrsinfrastruktur noch aus.“ Harald Frey, Verkehrsforscher an der Technischen Universität Wien, macht gleich zu Beginn seines Vortrags klar, warum er an diesem Mittwoch Abend Ende Februar zur Veranstaltung „Nachgefragt“ der Grünen Baden in die Kurstadt gekommen ist. An die 35 Personen sitzen an den Marmortischen im Foyer und warten gespannt darauf, wie das „mobil sein“ in Zeiten des Klimawandels aussehen könnte bzw. wie es nicht aussehen sollte. Denn, so Harald Frey: „Es gibt wenige Bereiche in der Gesellschaft, wo der Abstand zwischen dem Ist-Zustand und dem, wo wir hin müssten, größer ist, als beim Verkehr.“ Und: „Von oben ist wenig zu erwarten derzeit, deshalb braucht es eine Motivation von unten.“
Initiative für das Klima
Der Verkehrsexperte tourt seit zwölf Jahren durch die Lande, um über die Zusammenhänge zwischen Verkehrsinfrastruktur, Siedlungsstruktur, Lebensstil, menschlicher Psyche und Energieverbrauch aufzuklären. Als er diese Zusammenhänge als junger Wissenschaftler erkannte, habe er gedacht, „da wird sich jetzt rasch etwas tun“. Weil aber bis heute „von oben“ immer noch nichts geschehen ist, um den motorisierten, auf fossiler Energie basierenden Individualverkehr zu reduzieren, hat er sich bereit erklärt, als Schirmherr für das Klimavolksbegehren im Bereich Mobilität zur Verfügung zu stehen. Initiatorin des Volksbegehrens ist Helga Krismer, Vizebürgermeisterin in Baden und Klubobfrau der Grünen in Niederösterreich.
„Ich habe es nicht mehr ausgehalten“, sagt sie bei der Veranstaltung, nämlich, dass zu wenig getan werde, um die Klimaziele zu erreichen, obwohl es längst um unser Überleben gehe. Sie hat deshalb im Herbst 2018 einen Verein gegründet, der die Kampagne für das Klimavolksbegehren führt. Warum startet eine Politikerin ein Volksbegehren? „Auch eine Politikerin ist eine Bürgerin und ich fühle mich in dieser Sache zu wenig von der Regierung vertreten“, sagt sie, „aber um dieses ‚Kind‘ Klimavolksbegehren großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“
Der Klimawandel betrifft alle Lebensbereiche, deshalb wird das Volksbegehren sehr breit aufgestellt. Die Themen sind Mobil sein, Energie, Wirtschaften, Verbrauchen und Verschwenden, Unterrichten und Bilden, Lokal Leben, Essen, Wohnen und Bauen, (Be-)Steuern sowie Vertrieben werden, denn der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf Fluchtbewegungen. Für diese zehn Fokusgruppen hat Helga Krismer Schirmherren und -frauen gesucht, die die Forderungen, die bis Mitte Februar von der Bevölkerung online eingesandt wurden, sichten und zusammenfassen. Sie habe bewusst Personen aus unterschiedlichen Bereichen angesprochen, sagt Helga Krismer. Darunter sind zum Beispiel der Vorarlberger Bauunternehmer Hubert Rhomberg, die Architektin Renate Hammer oder der ehemalige UNHCR-Mitarbeiter Kilian Kleinschmidt. Bei zwei Klimakonferenzen im März, die offen für alle Interessierten waren, wurde ausführlich über die verschiedenen Aspekte diskutiert. Daraus werden nun die endgültigen Forderungen für das Klimavolksbegehren formuliert. Noch im Frühjahr wird mit der Sammlung von Unterstützungserklärungen begonnen. Mindestens 8.401 Unterschriften sind für die Einleitung eines Volksbegehrens nötig.
Für die Finanzierung der Kampagne wurden über Facebook bereits 30.000 Euro an Spenden gesammelt. Doch das wird nicht reichen, weil es viel Geld braucht, um die Botschaft ins ganze Land zu tragen. Auch Freiwillige werden noch gesucht. Was Helga Krismer freut: „Unter denen, die bereits mitmachen, sind viele jüngere Menschen, aber auch ältere, die Enkelkinder haben und sich vielleicht denken, dass sie selber zum Klimawandel beigetragen haben.“
Was bringt ein Volksbegehren?
Doch was kann ein Volksbegehren überhaupt bewirken? Mit ihm kann das Volk die Behandlung eines Gesetzesvorschlags im Nationalrat verlangen. Im Eintragungsverfahren müssen dafür innerhalb einer Woche 100.000 Stimmberechtigte oder je ein Sechstel der Stimmberechtigten dreier Bundesländer das Volksbegehren unterzeichnen. Der Nationalrat muss das Thema dann zwar diskutieren, ein direkter Einfluss auf die Gesetzgebung ist jedoch nicht vorgesehen. Ist das die Mühe der Erstellung, der gebührenpflichtigen Anmeldung und einer monatelangen teuren Kampagne wert?
Ja, sagt Helga Krismer, denn: „Es gibt kein anderes Instrument.“ Sie hofft, dass das Klimavolksbegehren zu einem Dach für viele verschiedene Klimaschutz-Initiativen wird und viele Menschen, die bisher nicht irgendwo aktiv waren, sich einbringen.
Tierschutz: Leid beenden – ab 7. Mai 2019 unterschreiben
Letzteres sagt auch der Initiator des Tierschutzvolksbegehrens. Sebastian Bohrn-Mena war in verschiedenen Bereichen beruflich tätig, kandidierte 2015 für die SPÖ bei der Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien und 2017 für die Liste Peter Pilz bei der Nationalratswahl. Er erreichte kein Mandat und wurde Mitarbeiter des Parlamentsklubs der Liste Pilz und Bereichssprecher für Kinderrechte und Tierschutz. Ein Zerwürfnis mit Peter Pilz beendete diese Karriere im Sommer 2018. Ende November 2018 gab er bekannt, dass er ein Tierschutzvolksbegehren starten möchte, dem er sich nun als Geschäftsführer voll und ganz widmet.
Der Forderungskatalog des Tierschutzvolksbegehrens besteht aus 14 Punkten aus den Bereichen tiergerechte Landwirtschaft, öffentliche Mittel, Transparenz für Konsumentinnen und Konsumenten, Hunde- und Katzenzucht und Tierschutzrechte. Die Kurzbeschreibung des Volksbegehrens lautet: „Um Tierleid zu beenden und Alternativen zu fördern, verlangen wir (verfassungs-)gesetzliche Änderungen vom Bundesgesetzgeber. Diese sollen heimische BäuerInnen stärken und sich positiv auf Gesundheit, Umwelt und Klima und auf die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder auswirken.“
Die Kampagne hat Sebastian Bohrn-Mena langfristig angelegt: Anfang Mai 2019 möchte er sein Unterstützungskomitee vorstellen, bis Ende des Jahres 2020 sollen Unterschriften gesammelt werden und im ersten Halbjahr die 2021 die Eintragungswoche stattfinden. „Wir wollen bewusst bis Ende 2020 den Dialog stärken und mit Menschen ins Gespräch kommen. Dafür wollen wir hunderte Veranstaltungen machen“, sagt der Initiator. Rund 5.000 Menschen aus 1.000 Gemeinden hätten sich bereits gemeldet und möchten mitmachen. Das seien Menschen, die bisher nicht politisch aktiv waren, aber jetzt nicht mehr länger zuschauen wollen.
Finanziert wird ebenfalls durch das Volk: Beim Crowdfunding über StartNext sind bisher 27.400 Euro zusammengekommen.
Klimavolksbegehren Video
Tierschutz-Volksbegehren Video
Foto/Video: Shutterstock.
Das Klimavolksbegehren ist in die Einschreibphase gestartet: https://oesterreich.option.news/klimavolksbegehren-liegt-auf/