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Sozialunternehmen – die Weltverbesserer

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Aus Sonne wird Bier. Nicht ohne Weiteres, aber mit dem Konzept von Julian Wudy und seinem Team von „Collective Energy“. Die Realisierung gemeinschaftlich finanzierter erneuerbarer Energieprojekte, so steht es auf deren Visitenkarte. Vor zwei Jahren ist die Initiative „Collective Energy“ mit dem Ziel angetreten, Solaranlagen für mittelständische Unternehmen mittels Crowdfunding zu finanzieren. Das Pilotprojekt: Bruckners Erz Bräu, ein Familienunternehmen im Mostviertel. Viele Menschen haben dort jeweils 200 Euro in Solarpaneele investiert. Ihre Rendite sind Warengutscheine im Wert von 300 Euro. 60 Euro jährlich, fünf Jahre lang. Bruckners Erz Bräu gewinnt dadurch rund 20 Prozent seiner Energie künftig umweltfreundlich und der Investor Hopfen und Malz in gaumenfreundlicher Form. „Wir sind mit dem Thema der Energieknappheit aufgewachsen. Jetzt kann man darauf warten, dass sich die Welt verändert und sich jemand anderes darum kümmert. Wir haben uns dazu entschieden, das einfach selbst in die Hand zu nehmen“, schildert Julian Wudy die Motive von „Collective Energy“. Die Idee hat kürzlich den Social Impact Award 2014 gewonnen. Das Preisgeld von 4.000 Euro soll nun eine eigene Homepage und den nächsten Schritt von der Initiative zum Verein finanzieren. Bis jetzt haben Julian und sein Team alles aus eigener Tasche bezahlt.

„Gerade am Beginn ist es besonders wichtig, nicht alleine zu sein, sondern zu sehen, dass da auch noch andere Spinner sind, die ihre Visionen verwirklichen wollen.“
Hannah Lux, Social Impact Award, zum Thema Sozialunternehmen.

Sozialunternehmen: Für eine bessere Gesellschaft

Immer mehr junge Menschen entwickeln Ideen, um den sozialen und ökologischen Problemen ihrer Zeit zu begegnen – unter anderem mit Sozialunternehmen. Der „Social Impact Award“ ist eine Institution, die diese Ideen und Sozialunternehmen fördert. „Wenn man einmal den Schlüssel gefunden hat, wie man ein Problem lösen kann, dann sollte man schauen, dass diese Idee verbreitet wird. Dafür gibt es den ‚Social Impact Award‘“, sagt Peter Vandor vom Institut für Social Entrepreneurship an der WU Wien. Er hat den Award vor fünf Jahren ins Leben gerufen. Heuer wurde er bereits in insgesamt sieben Ländern verliehen, alleine in Österreich haben 113 Teilnehmer ihre Projekte eingereicht. Der internationale Erfolg ist auch der engen Zusammenarbeit mit dem „Impact Hub Vienna“ zu verdanken. Einem Arbeitsraum für Sozialunternehmen im siebten Wiener Gemeindebezirk. Eine Co-Working-Plattform mit Workshops, Know-how und vielen Möglichkeiten, Ideen mit Gleichgesinnten auszutauschen. Und Teil eines internationalen Netzwerks. „Gerade am Beginn ist es besonders wichtig, nicht alleine zu sein, sondern zu sehen, dass da auch noch andere Spinner sind, die ihre Visionen verwirklichen wollen. Der Social Impact Award hat mir geholfen, an meine Idee zu glauben“, erzählt Hannah Lux, die den „Social Impact Award“ 2011 selbst gewonnen hat und mittlerweile zum Kernteam des Awards gehört. Auch Ali Mahlodji hat 2011 mit „Whatchado“ – einem Videoportal zur Berufsorientierung für Jugendliche – den Award abgestaubt: „Plötzlich haben wir gesehen, dass auch andere Menschen an uns glauben. Das war der Arschtritt, den wir gebraucht haben, um weiterzumachen.“ Heute ist das Sozialunternehmen „Whatchado“ international erfolgreich und beschäftigt 32 Mitarbeiter.

Social Business (Sozialunternehmen) ist ein wirtschaftliches Konzept, das oft auf den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus zurückgeführt wird. In dem Bereich tätige Unternehmen sollen soziale und ökologische gesellschaftliche Probleme lösen. Das Konzept soll den Kapitalismus zukunftsfähig machen.

Sozialunternehmen: Mehrwert statt Profitgier

Sozialunternehmen im modernen Sinne geht zurück auf Mohammed Yunus, einen Wirtschaftswissenschaftler aus Bangladesch. Mit seiner Idee, Mikrokredite an wirtschaftlich benachteiligte Menschen zu vergeben, hat er im Jahr 2006 den Friedensnobelpreis gewonnen. Sozialunternehmen hätten seiner Ansicht nach die Struktur des Kapitalismus zu vervollständigen, soziale und ökologische Probleme zu lösen: „Wenn man die profitmaximierende Brille abnimmt und zur sozialen Brille greift, sieht man die Welt in einer anderen Perspektive“, so Yunus. Diese Perspektive ist auch für Peter Vandor charakteristisch: „Es wird immer eine Mission verfolgt. Sozialunternehmen wollen Mehrwerte schaffen, eine gesellschaftliche Herausforderung meistern oder benachteiligten Gruppen helfen. Der Profitgedanke steht dabei im Hintergrund.“
In Österreich sind Sozialunternehmen erst seit wenigen Jahren im Vormarsch. Laut Schätzungen des Instituts für Social Entrepreneurship gibt es heute allein in Wien rund 270 Organisationen und Projekte, die sich diesem Grundgedanken zuordnen lassen, von der Initiative im Konzeptstadium bis zur fertigen GmbH, die Arbeitsplätze schafft – oft eben auch für sozial benachteiligte Menschen.

Longboards von Haftentlassenen

Einen solchen Arbeitsplatz hat auch David Deutsch. Der 29-Jährige ist im Jahr 2004 wegen Körperverletzung acht Monate im Gefängnis gesessen, 2011 wurde er ein zweites Mal verurteilt. Heute ist David Leiter einer Fahrradwerkstatt im 12. Bezirk in Wien. Die Werkstatt gehört zum Verein „Neustart“, der ehemaligen Strafgefangenen mit Projekten wie diesem die Chance auf ein sinnvolles Leben nach der Haft geben möchte. Seit Kurzem hat David eine neue Aufgabe: Er produziert Longboards für ein Sozialunternehmen, das mit seiner Werkstatt zusammenarbeitet.
Melanie Ruff und Simone Melda haben diese Firma mit dem Namen „Ruffboards“ im Jänner 2014 gegründet. Ihr Konzept: Statt alte Snowboards wegzuwerfen, produzieren sie daraus neue Longboards. Wie Skateboards, nur länger, wendiger und ziemlich im Trend. Dass die „Ruffboards“ von Exhäftlingen hergestellt werden, komplettiert das Geschäftsmodell, wie Simone erklärt: „Unser Ziel ist es, Arbeitsplätze zu schaffen, nicht den Gewinn zu maximieren. Wir könnten auch billiger in Bratislava produzieren und hätten eine größere Gewinnspanne. Aber hier können wir einen Social Impact generieren und etwas zum Positiven verändern. Wer nach seiner Haft eine Beschäftigung hat, verringert seine Rückfallsquote um 50 bis 70 Prozent.“

Sozialunternehmen: Mit Arbeit zu Perspektive

„Ruffboards“ ist gerade dabei, den Sprung zur wirtschaftlich erfolgreichen Firma zu schaffen. Als ich die Werkstatt besuche, präsentiert David den Unternehmerinnen stolz die Arbeit seines Teams: das allererste Board – eine Premiere, ein Meilenstein. Vier Stunden haben sie für die Herstellung in Handarbeit gebraucht, 280 Euro soll es kosten. Melanie probiert es gleich aus, ist begeistert von Wendigkeit und Verarbeitung: „Pipifein, fährt sich sehr geschmeidig. Gratulation zu der tollen Arbeit.“
Für David ist das Ergebnis mehr als nur ein Board, das sich gut fährt. Für ihn ist es eine Perspektive: „Es ist eine neue Herausforderung, eine Verantwortung, die ich übernehmen kann. Und es macht Spaß, in den Entstehungsprozess so eingebunden zu sein.“ Der soziale Wert der Zusammenarbeit mit „Ruffboards“ ist enorm, bestätigt auch Heinrich Staffler, Sozialarbeiter bei „Neustart“: „Es ist eine große Wertschätzung für unsere Mitarbeiter, wenn sie merken, dass sie gebraucht werden. Dass da jemand von außen kommt und etwas von ihnen will, steigert ihr Selbstbewusstsein. Das ist ein ganz wichtiger Schritt in Richtung Resozialisierung.“
150 „Ruffboards“ sollen bis zum Ende des Jahres verkauft werden. Die Vision: zwischen 300 und 500 Bretter in fünf Jahren. Der soziale Mehrwert ist gleichzeitig ein gutes Marketingargument. Drei Händler in Wien und einer in Berlin sind bereits an den Boards interessiert. Ein Arbeitstag hat sieben Stunden, pro Tag schaffen David und seine Mitarbeiter derzeit zwei Bretter. Simone ergänzt: „Und wenn es sich nicht ausgeht, stellen wir eben noch jemanden ein. Das ist unser Ziel, was Besseres kann uns nicht passieren.“ Dass ihr Weg der richtige ist, davon sind Melanie und Simone überzeugt. Bestätigung kommt auch von objektiver Stelle: Das Sozialunternehmen „Ruffboards“ hat es im Mai unter die Top 10 der „European Social Innovation Competition“ geschafft.

Geschmackvoll die Welt ändern

Zwischen der Vision, die Welt mit einer guten Idee ein Stück besser zu machen, und dem Gewinn von Auszeichnungen liegt ein langer Weg. Und immer mehr junge Menschen in Österreich sind bereit, ihn zu gehen – auch in Richtung Sozialunternehmen.
Auch Cornelia Mayer gehört zu ihnen. Ihr Projekt „Topfreisen“ steckt noch in den Kinderschuhen, die langsam, aber sicher zu lässig jugendlichen Sneakers werden. Sie gibt den Bewohnern des Asylwerberzentrums St. Gabriel in der Nähe von Mödling die Gelegenheit, ihre Nationalspeisen zu kochen und zu verkaufen – unter Anleitung eines ebenfalls dort wohnenden Kochs. Die Zielgruppe sind Menschen, die in der Umgebung wohnen oder arbeiten. „Asylwerber dürfen in Österreich nicht arbeiten, sie haben dort einfach keine Beschäftigung. Die Bewohner des Asylzentrums sind dankbar für die Aufgabe, können ihre Deutschkenntnisse verbessern und ganz nebenbei schmeckt das Essen wirklich hervorragend“, erzählt Cornelia Mayer. Gekocht wird hauptsächlich arabisch, afghanisch und tschetschenisch. Im Oktober soll das Sozialunternehmen „Topfreisen“ offiziell an den Start gehen, Lieferservice inklusive. Dann dürfte auch eine Teilnahme am „Social Impact Award 2015“ in greifbare Nähe rücken.

 

Visionen mit Mehrwert

Bei meiner Recherche bin ich vielen Sozialunternehmen und Menschen mit guten Ideen begegnet. Jede einzelne wäre es wert, hier erwähnt zu werden. Eine Auswahl…

Digital-Coaches für Senioren
Smartphone, Internet, Tablets: Viele Menschen über fünfzig verlieren den Anschluss an die Technologien unserer Zeit. Daniela und Kornelius bringen diesen Menschen die moderne Zeit näher. Mit der Qualität einer persönlichen Betreuung ihrer „Digital Coaches“. Auch junge Arbeitslose sind im Team.
www.qualitaetszeit.at

Rechtshilfe „Vienna Legal Literacy Project“
Unter dem Motto „Making Law Simple“ bringen Jus­studentInnen jungen Menschen die Grundlagen relevanter Rechtsthemen bei. Ob Cybermobbing, Umweltrecht oder Urheberrecht für Downloadfans. Das VLLP erklärt auf verständliche Art und Weise.
www.vllp.org

Nachhilfe für Flüchtlinge
Das Projekt „Schule für alle“ bereitet junge Flüchtlinge auf ihren Pflichtschulabschluss vor, der vielen aufgrund struktureller Hürden verwehrt bleibt. Chor, Theatergruppe, Fußballteam und Tanzkurs inklusive. Mentoren, Nachhilfelehrer und andere Unterstützer werden gesucht.
www.prosa-schule.org

Becher-Sammler für Welthungerhilfe
Die selbst ernannte All-Profit-Organisation verwandelt den Pfand von Bechern in Spenden, die in Zusammenarbeit mit der Welthungerhilfe sauberes Trinkwasser und Sanitäranlagen im südostafrikanischen Malawi finanzieren. Gesammelt wird auf Festivals in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Weitere Ideen für die Generierung von Spenden sind herzlich willkommen.
www.vivaconagua.at

Der Leihladen
„Borgen statt kaufen“: Leila ist eine Bibliothek für Gebrauchsgegenstände, ein Leihladen. Ursprünglich in Berlin erfunden, gibt es den Verein jetzt auch in Wien. Wer Mitglied wird, bringt Dinge ein und kann sich im Gegenzug andere ausborgen. Kostenlos und jederzeit. „Platz sparen, Geld sparen, weniger produzieren, weniger wegschmeißen“, so die Devise.
www.facebook.com/leihladen

Foto/Video: Shutterstock.

Geschrieben von Jakob Horvat

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