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Corona-Pandemie: Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer

Corona-Pandemie Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer

Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst weiter. 87 Prozent der Ökonomen gehen davon aus, dass die Pandemie zu einer höheren Einkommensungleichheit führt. Insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern werden dramatische Folgen erwartet. Doch auch in Österreich und Deutschland könnte die große Schuldenwelle erst noch bevorstehen. Doch das gilt nicht für alle: Die finanzielle Erholung der 1.000 reichsten Milliardäre ließ nach Pandemie-Ausbruch lediglich neun Monate auf sich warten. Bis die ärmsten Menschen der Welt das Vor-Corona-Niveau erreicht haben, könnte hingegen bis zu zehn Jahre benötigen. Wir erinnern: Auch die letzte globale Wirtschaftkrise – ausgelöst durch faule Immobilienkredite – dauerte ab 2008 rund ein Jahrzehnt. Und blieb ohne echte Konsequenzen.

Reichtum vermehrt sich

Einige Eckdaten zu Kluft zwischen Arm und Reich: Die zehn reichsten Deutschen waren laut Oxfam im Februar 2019 im Besitz von rund 179,3 Milliarden US-Dollar. Im Dezember des vergangenen Jahres waren es hingegen 242 Milliarden Dollar. Und dies in einem Zeitraum, in dem im Angesicht der Pandemie zahlreiche Menschen Not litten.

1: Vermögen der 10 reichsten Deutschen, in Mrd. US-Dollar, Oxfam
2: Anzahl der Menschen, die weniger als 1,90 Dollar/Tag Haben, Weltbank

Hunger und Armut steigen wieder

Das tragische Ausmaß der Pandemie zeigt sich vor allem in den 23 Ländern des globalen Südens. Hier geben 40 Prozent der Bürger an, seit Ausbruch der Pandemie weniger und einseitiger zu essen. Auch die Anzahl derer, die – weltweit, wohlgemerkt – weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag zur Verfügung haben, stieg von 645 auf 733 Millionen. In den Jahren zuvor nahm die Anzahl Jahr für Jahr kontinuierlich ab, die Corona-Krise setzte hingegen eine Trendumkehr in Gang.

Spekulanten als Profiteure

Während zahlreiche Unternehmer aus Gastronomie, Einzelhandel & Co. derzeit um ihre Existenzen fürchten müssen, sieht es auf dem Börsenparkett gänzlich anders aus. Binnen der letzten 12 Monate gab es bei diversen Anlagen eine regelrechte Kursrallye. Die Pandemie scheint Anlegern in finanzieller Hinsicht durchaus in die Karten zu spielen. Einerseits. Andererseits war es in Summe auch bereits vor der Krise lukrativ, in Wertpapiere zu investieren. Zwischen 2011 und 2017 stiegen die Löhne in den führenden sieben Industrieländern im Durchschnitt um drei Prozent, während die Dividenden im Mittel um 31 Prozent erhöht wurden.

System muss gerecht werden

Unter anderem fordert Oxfam daher ein System, in dem die Wirtschaft im Dienst der Gesellschaft steht, Unternehmen gemeinwohlorientiert wirtschaften, die Steuerpolitik gerecht ist und die Marktmacht von einzelnen Konzernen begrenzt ist.

Amnesty Weltbericht bestätigt Verstärkung der Kluft zwischen reich und arm

Polarisierende Politikstrategien, fehlgeleitete Sparmaßnahmen und mangelnde Investitionen in die Gesundheit und das Wohl der Menschen haben dazu geführt, dass weltweit viel zu viele Menschen unverhältnismäßig stark unter den Auswirkungen von COVID-19 leiden. Dies zeigt auch der Amnesty International Report 2020/21 zur Lage der Menschenrechte weltweit. Hier der Bericht für Österreich.

„Unsere Welt ist völlig aus den Fugen geraten: COVID-19 hat bestehende Ungleichheit sowohl innerhalb als auch zwischen den Ländern auf brutale Weise offengelegt und verschärft. Statt Schutz und Unterstützung zu bieten, haben Entscheidungsträger*innen weltweit die Pandemie instrumentalisiert. Und verheerende Schäden für Menschen und ihre Rechte angerichtet“, sagt Agnès Callamard, die neue internationale Generalsekretärin von Amnesty International, zur Kluft zwischen Arm und Reich und fordert, dass die Krise als Neustart für kaputte Systeme genutzt wird: „Wir befinden uns an einem Scheideweg. Wir müssen neu anfangen und eine Welt aufbauen, die auf Gleichberechtigung, Menschenrechten und Menschlichkeit beruht. Wir müssen von der Pandemie lernen und auf mutige und kreative Weise zusammenarbeiten, um gleiche Chancen für alle zu schaffen.”

Instrumentalisierung der Pandemie zur Untergrabung der Menschenrechte

Der Amnesty-Jahresbericht zeichnet auch ein schonungsloses Bild der Kluft zwischen Arm und Reich und was die Bewältigung der Pandemie durch Staats- und Regierungschefs weltweit angeht – häufig gekennzeichnet durch Opportunismus und Missachtung der Menschenrechte.

Ein gängiges Muster war die Verabschiedung von Gesetzen, mit denen die pandemiebezogene Berichterstattung kriminalisiert wurde. In Ungarn beispielsweise wurde unter der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán das Strafgesetzbuch des Landes geändert und neue, in Zeiten des Ausnahmezustands geltende Bestimmungen über die Verbreitung von Falschinformationen eingeführt. Der undurchsichtige Gesetzestext sieht Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren vor. Das bedroht die Arbeit von Journalist*innen und anderen, die über COVID-19 berichten, und könnte zu weiterer Selbstzensur führen.

In den Golfstaaten Bahrain, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten nahmen die Behörden die Corona-Pandemie zum Vorwand, das Recht auf freie Meinungsäußerung weiterhin einzuschränken. So wurden beispielsweise Personen, die sich in den Sozialen Medien zu den Regierungsmaßnahmen gegen die Pandemie äußerten, der Verbreitung „falscher Nachrichten“ beschuldigt und strafrechtlich verfolgt.

Andere Regierungschefs setzten auf unverhältnismäßige Gewaltanwendung zur Durchsetzung der Kluft zwischen Arm und Reich. Auf den Philippinen sagte Präsident Rodrigo Duterte, er habe der Polizei die Anordnung gegeben, jeden Menschen zu „erschießen“, der während der Quarantänemaßnahmen demonstriert oder „Unruhe stiftet“. In Nigeria wurden im Zuge brutaler Polizeitaktiken Menschen getötet, nur weil sie auf der Straße für mehr Rechte und Rechenschaftspflicht demonstrierten. Die Polizeigewalt in Brasilien eskalierte während der Corona-Pandemie unter Präsident Bolsonaro. Zwischen Januar und Juni 2020 tötete die Polizei im ganzen Land mindestens 3.181 Personen – das sind durchschnittlich 17 Tötungen pro Tag.

Amnesty International setzt sich mit der weltweiten Kampagne „Eine faire Dosis” für eine gerechte globale Verteilung von Impfstoffen ein.

Foto/Video: Shutterstock.

Geschrieben von Helmut Melzer

Als langjähriger Journalist habe ich mir die Frage gestellt, was denn aus journalistischer Sicht tatsächlich Sinn machen würde. Meine Antwort darauf siehst Du hier: Option. Auf idealistische Weise Alternativen aufzeigen – für positive Entwicklungen unserer Gesellschaft.
www.option.news/ueber-option-faq/

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