Der Frühling ist da, Blumen und Bäume blühen und die Lebensgeister erwachen – oder auch nicht. Viele Menschen fühlen sich gerade zum Wechsel der Jahreszeiten müde und schlapp. Grund dafür ist der Wetterumschwung, aber auch die Zeitumstellung im Frühjahr und Herbst. „Durch die Schlafverkürzung kann es vorübergehend zu erhöhter Tages-Müdigkeit kommen“, erklärt die Schlafmedizinerin Gerda Saletu-Zyhlarz. Für die Frühjahrs-Müdigkeit spielt einerseits das Schlafdefizit eine Rolle, aber auch Hormonumstellungen und Blutdruckschwankungen. Untersuchungen belegen, dass am ersten Montag nach der Zeitumstellung vermehrt Auto- und Arbeitsunfälle passieren – eine Folge der erhöhten Müdigkeit. „Generell verändert sich rund um die Zeitumstellung der Schlafrhythmus – es kann bis zu einer Woche dauern, bis man in den neuen Rhythmus kommt.“ Wie gut sich jemand auf den neuen Zeitrhythmus umstellt, ist individuell unterschiedlich.
Wieviel Schlaf braucht der Mensch?
Tages-Müdigkeit und Tagesschläfrigkeit sind nicht nur im Frühling ein Thema. 29 Prozent der Bevölkerung leiden unter Müdigkeit, Tagesschläfrigkeit betrifft immerhin 14 Prozent – die Betroffenen haben Schwierigkeiten, untertags wach zu bleiben. Ursache sind oft Schlafstörungen, aber auch eine organische Erkrankung kann dahinter stecken. Wieviel Schlaf notwendig ist, kann man laut Saletu-Zyhlarz nur für sich selbst herausfinden: „Manche Menschen kommen mit fünf Stunden aus, andere brauchen neun Stunden Schlaf.“ Es sei wichtig, die benötigte Schlafdauer auch wirklich einzuhalten.
Schlafstörungen
Es gibt mehr als 80 verschiedene Schlafstörungen“, weiß Schlafmedizinerin Saletu. „Unterschieden werden organische und nicht-organische Störungen.“ 70 Prozent der Schlafstörungen sind nicht-organischer Natur und werden durch psychische Belastungen oder Erkrankungen ausgelöst. Eine häufige organische Schlafstörung ist die Schlafapnoe, die bei Menschen über 60 Jahren besonders häufig vorkommt: Eine Engstellung im Hals-Rachenbereich, die zu Atembehinderungen bis zu Atemaussetzern führt und von Schnarchen begleitet wird. Die Betroffenen erwachen unausgeschlafen, fühlen sich erschöpft und können sich schlecht konzentrieren.
Neben Schlafmangel gibt es unterschiedlichste Ursachen für anhaltende Müdigkeit: zu wenig Bewegung, Eisenmangel oder zu wenige Pausen während der Arbeitszeit. Infekte, aber auch ernste Erkrankungen wie Krebs oder autoimmune Krankheiten verursachen ebenfalls Müdigkeit. „Wenn trotz ausreichendem Schlaf die Müdigkeit anhält, sollte man nach drei bis vier Wochen einen Arzt aufsuchen“, empfiehlt Claudia Lazar, Ärztin für Allgemeinmedizin und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Unter ausreichendem Schlaf versteht die Medizinerin durchschnittlich sieben Stunden täglich. „Vor 10-15 Jahren betrug die durchschnittliche Schlafdauer noch acht Stunden“, weiß die Medizinerin. Einen weiteren Grund sieht Lazar im zunehmenden Arbeits- und Freizeitstress.
Hauptursachen
- Schlafmangel – die richtige Schlafdauer und den eigenen Rhythmus finden
Bewegungsmangel – regelmäßige Bewegung hilft- Falsche Ernährung – mehr warme und weniger kalorienreiche Mahlzeiten
- Eisenmangel – Ernährung umstellen, Vitamin C zuführen
- Flüssigkeitsmangel – eineinhalb bis zwei Liter täglich trinken
- Stress und Überarbeitung – öfters Pausen machen, einen Tag pro Woche freihalten
- Sauerstoffmangel – ein kurzer Spaziergang kann helfen
- Infektionen oder andere Krankheiten/Schlafapnoe/Depressionen oder Angststörungen – mit dem Arzt klären.
Powernap und Entspannung
„Es ist wichtig, zwischendurch zur Ruhe zu kommen und nicht jeden Tag zu verplanen“, empfiehlt Lazar und rät auch zu einem kurzen Schläfchen zwischendurch – dem sogenannten Powernap. „Das kann auch eine kurze, aber tiefe Entspannung sein, nach der man sich ausgeruhter fühlt.“ Regelmäßige Bewegung ist ebenfalls wichtig, um Energien zu tanken, aber es muss nicht gleich Hochleistungssport sein: „Wer einen anstrengenden Job hat und nebenbei noch für einen Triathlon trainiert, tut sich selbst nichts Gutes.“
Ausgewogene Ernährung ist wichtig
Müdigkeit und falsche Ernährung stehen oft in einem direkten Zusammenhang. „Wichtig sind regelmäßige und ausgewogene Mahlzeiten, mindestens zweimal täglich sollten diese auch warm sein“, empfiehlt der Shiatsu-Praktiker und TCM-Experte Richard Palfalvi. Eine regional-saisonale Ernährungsweise, verbunden mit regelmäßigen Shiatsu-Behandlungen, könne die Energien des Menschen mit dem Biorhythmus in Einklang bringen und auf diese Weise Schlafstörungen vorbeugen. „In der Traditionellen Chinesischen Medizin unterscheidet man verschiedene Konstitutionstypen: Jemand, der leicht friert, sollte im Winter keine kalten Speisen wie Salate oder Müsli essen“, ergänzt Palfalvi. „In diesem Fall benötigt der Körper zusätzliche Energie, um Nährstoffe aus der Nahrung zu gewinnen. Das schwächt den Körper und kann zu permanenter Müdigkeit führen.“ Shiatsu trägt dazu bei, diese Disharmonien auszugleichen und den Betroffenen schneller wieder ins Lot zu bringen.
Biorhythmus & Alltag
Ein vieldiskutiertes Thema ist der Biorhythmus des Menschen und wie er sich auf den Schlaf auswirkt. Die Chronobiologie unterscheidet seit jeher zwei Chronotypen: Lerchen und Eulen. Lerchen sind morgens topfit und werden abends früh müde. Eulen hingegen sind abends lange leistungsfähig, brauchen morgens aber länger, um in die Gänge zu kommen.
Aktuelle Schlafforschungen weisen darauf hin, dass es mehr als nur diese zwei Chronotypen gibt: Der russische Schlafforscher Arkady Putilov hat bei Experimenten mit Probanden zwei weitere Typen entdeckt – solche, die morgens wie abends fit sind und solche, die zu beiden Tageszeiten mit einer gewissen Lethargie zu kämpfen haben. Fest steht, dass unsere Arbeits- und Schulzeiten zahlreiche Menschen dazu zwingen, gegen ihren Biorhythmus zu leben. So haben zahlreiche Studien gezeigt, dass die innere Uhr von Jugendlichen sich mit dem Beginn der Pubertät umstellt und nach hinten verschiebt. Daher können viele Teenager abends nicht einschlafen, müssen jedoch am nächsten Morgen früh raus, um in die Schule zu gehen.
Der Chronobiologe Till Roethemann nennt dieses Phänomen, das immer mehr Menschen betrifft, den „sozialen Jetlag“. „Ich schätze, dass bis zu 80 Prozent der Bevölkerung in westlichen Ländern unter einer Diskrepanz zwischen der inneren Uhr und den Anforderungen aus frühem Schulbeginn, Arbeit und auch Freizeitstress leiden“, konstatiert der Schlafforscher. „Schüler etwa befinden sich um acht Uhr früh mitten in ihrer subjektiven Nacht.“ Der soziale Jetlag entstünde demnach aus dem ständigen Widerstreit zwischen innerer Uhr und Lebensstil; Der Neurobiologe und Wissenschaftsjournalist Peter Spork schreibt in seinem Buch „Wake Up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft“, unsere auf Frühaufsteher ausgerichtete Gesellschaft nähme auf die verschiedenen Biorhythmen des Menschen kaum Rücksicht. Laut Spork würden die meisten Menschen, wenn man sie ließe, etwa von 0 bis 8 Uhr schlafen – für die Mehrheit beginnen Schule und Arbeit demnach zu früh. So schlägt Spork für die Mittel- und Oberstufenschüler einen verspäteten Schulbeginn oder fließende Schulzeiten vor. Das Ziel sollte sein, eine neue Zeitkultur zu schaffen, die unsere innere, persönliche Zeit mit der äußeren, sozialen Zeit in Einklang bringt. Und somit zu einer ausgeschlafenen Gesellschaft beiträgt.
Auch die Ernährungsberaterin Eva Fauma weist auf den Zusammenhang von falscher Ernährung und Müdigkeit hin: „Zumeist handelt es sich um eine einseitige, oft aber auch um kalorienreiche Ernährung, die müde macht.“ Die Ernährungsberaterin rät zu einem warmen, aber leichten Abendessen nicht zu spät abends und zu ausreichender Flüssigkeitszufuhr während des Tages: eineinhalb bis zwei Liter sollten täglich getrunken werden, am besten Wasser, gespritzte Fruchtsäfte oder Tee.
Eine unterschätzte Ursache für Müdigkeit ist auch Eisenmangel, der oft Frauen während der Menstruation oder im Zuge einer Schwangerschaft betrifft. Eisenarme Kost oder Wachstumsphasen bei Kindern können ebenfalls einen Eisenmangel verursachen – Klarheit kann hier nur ein Blutbild schaffen. „Bei Eisenmangel ist die richtige Zusammenstellung der Speisen wichtig“, so Fauma. Eine indische Studie an unter Eisenmangel leidenden Kindern zeigte, dass Eisenmangel durch verbesserte Vitamin-C-Zufuhr behandelt werden kann.
Psychische Ursachen für Müdigkeit
Neben den genannten körperlichen Symptomen können auch psychische Ursachen zu Müdigkeit führen, die bekanntesten Auslöser sind Depressionen und Angststörungen. Wenn Müdigkeit und Niedergeschlagenheit immer im Winter auftreten, könnte eine Winterdepression (saisonal abhängige Depression, SAD) dahinterstecken. Depressive Menschen haben oft Probleme beim Einschlafen, da sie sich zwanghaft mit ihren Gedanken beschäftigen, die sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Auch zu frühes Erwachen am Morgen – oft zwischen drei und fünf Uhr – ist typisch. Die daraus resultierende Müdigkeit verstärkt wiederum die Depression – ein Teufelskreis, der oft nur durch ärztliche Behandlung durchbrochen werden kann.
Tipps bei ständiger Müdigkeit
- Verzichten Sie auf anregende Getränke oder Alkohol vor dem Schlafengehen: Alkohol macht zwar schläfrig, stört aber den Schlaf. Empfindliche Menschen sollten nach 16 Uhr keinen starken Kaffee, Schwarz- oder Grüntee und kein Cola mehr zu sich nehmen.
- Niemals mit vollem Magen ins Bett gehen. Die letzte Mahlzeit sollte spätestens drei Stunden vor dem Schlafen eingenommen werden. Andernfalls sind Magen und Darm zu beschäftigt.
- Im Schlafzimmer sollten nur Bett, Stuhl und Kleiderschrank stehen – alles andere, wie etwa ein Schreibtisch, stört die Schlafhygiene. Auch Fernsehen im Bett ist kontraproduktiv.
- Als geeignete Temperatur im Schlafzimmer gelten 16 bis 18 Grad, bis zu 20 Grad ist auch in Ordnung. Wichtig ist auch ausreichend Sauerstoff: abends 15 Minuten stoßlüften.
- Vor dem Schlafengehen entspannen: Techniken wie Yoga, Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung sind dazu geeignet.
- Keine geistig anstrengenden Tätigkeiten vor dem Schlafengehen: Wer sich abends noch mit Arbeiten oder Problemen beschäftigt, kann nicht abschalten.
- Ein warmes Bad macht müde: Beim Baden sollte das Wasser 35 bis 38 Grad warm sein, zugesetzte Aromaöle wie Melisse, Hopfen, Lavendel oder Heublumen machen schläfrig.
- Abends Kräutertee trinken: Es eignen sich schlaffördernde Kräuter wie Hopfen, Melisse und Baldrianwurzeln. Ein Hausmittel ist warme Milch mit Honig.