Was ist Resilienz?

‚Resilienz‘ ist in aller Munde. Ob in der Medizin, der Wirtschaft oder beim Umweltschutz, das Wort wird als Begriff für Belastbarkeit gerne strapaziert. In der Materialkunde sind Stoffe resilient, die auch nach großer Spannung wieder in ihren Ursprungszustand zurückkehren, wie zum Beispiel Gummi.

An der Universität für Bodenkultur Wien bezeichnet man Resilienz als „die Fähigkeit eines Systems, im Angesicht von Krisen oder Schocks seine Grundfunktionen aufrechterhalten zu können.“ Corina Wustmann, Professorin für Pädagogische Psychologie an der PH Zürich, sagt: „Der Begriff Resilienz leitet sich von dem englischen Wort ‚resilience‘ (Spannkraft, Widerstandsfähigkeit, Elastizität) ab und bezeichnet allgemein die Fähigkeit einer Person oder eines sozialen Systems, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und negativen Folgen von Stress umzugehen.“*

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Das Konzept enthält unter anderen die Überzeugung, dass sich innere Widerstandskraft und Belastbarkeit trainieren, beziehungsweise erlernen lassen. Coaches, Ratgeberinnen und Co. ließen da mit speziellen Workshops und Trainings für Privatpersonen ebenso wie Unternehmen nicht lange auf sich warten. Die Psychologen Sarah Forbes von der University of Waterloo und Deniz Fikretoglu vom Toronto Research Centre haben 92 wissenschaftliche Studien ausgewertet, in denen Resilienz-Trainings beschrieben wurden. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Mehrzahl dieser Trainings basierten nicht auf wissenschaftlichen Resilienz-Konzepten, sondern verliefen mehr oder weniger ohne theoretische Fundierung. Außerdem stellte die Analyse fest, dass es zwischen bereits bestehenden Trainings, wie zum Beispiel Anti-Stress-Trainings, und vielen neu entwickelten Resilienz-Trainings inhaltlich kaum Unterschiede gab.

Ein großer Irrglaube in der Populärwissenschaft ist, dass Resilienz ein Persönlichkeitsmerkmal sei, das sich jeder individuell aneignen kann. Wer Druck in der Arbeit nicht verträgt oder bei Stress krank wird, ist also selbst schuld. „Diese Sichtweise führt zu einer gewissen Selbstüberschätzung und negiert, dass es Situationen gibt, die ein Einzelner nicht bewältigen kann, und dass Resilienz nicht immer und bei jedem machbar ist“, schreibt Marion Sonnenmoser im Deutschen Ärzteblatt. Immerhin hängt Resilienz beim Menschen von vielen Faktoren ab, die nicht vom Individuum zu beeinflussen sind. Das soziale Umfeld, erlebte Krisen und Traumata oder die finanzielle Sicherheit sind nur einige davon.

Werner Stangl warnt in diesem Zusammenhang im ‚Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik‘ vor einer „Psychologisierung gesellschaftlicher Probleme“, denn „statt zu kollektivem Handeln zu ermutigen, wird den Menschen weisgemacht, dass alles besser sein könnte, wären sie selbst nur resilienter.“

In der Medizin zeigt Resilienz trotz aller Kritik mögliche Therapieansätze auf. So stellten 2018 Francesca Färber und Jenny Rosendahl vom Universitätsklinikum Jena in einer groß angelegten Metastudie fest: „Je stärker die Resilienz bei körperlichen Erkrankungen ausgeprägt ist, desto weniger psychische Belastungssymptome zeigen die Betroffenen.“ Mit dieser Erkenntnis könne man anfälligen Patient*innen frühzeitig gezielte psychosoziale Unterstützung bieten. In der Ökologie spielen Resilienz-Konzepte zum Beispiel im Zusammenhang mit Biodiversität und Klimawandel eine Rolle. So wird etwa an der Züchtung von besonders resilienten Pflanzen gearbeitet und resiliente Ökosysteme entworfen.

Foto/Video: Shutterstock.

Geschrieben von Karin Bornett

Freie Journalistin und Bloggerin in der Option Community. Technikaffines Labradorfrauchen mit Leidenschaft für Dorfidylle und Faible für urbane Kultur.
www.karinbornett.at

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