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Zwischen Menschlichkeit, Versorgungssicherheit und politischem Versagen

Helmut Melzer

Überraschende Einigkeit herrscht angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Überraschend deshalb, weil es noch ganz anders kommen wird: Die klare Ablehnung eines Krieges in Europa kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bereitschaft Flüchtlinge aufzunehmen wohl rasch wieder an Dynamik verlieren wird.

Zuletzt hat sich im Dezember letzten Jahres Österreichs ÖVP-Bundeskanzler Nehammer geoutet: Mitten in der Corona-Pandemie und einem Bürgerkrieg in Afghanistan zeigte er mangelnde Menschlichkeit und ließ u.a. gut eingebürgerte Schulkinder abschieben. Aktivistin Helene-Monika Hofer: „Es darf keine Politik auf dem Rücken von Menschenleben gemacht werden. Es ist verantwortungslos, mitten in einer Pandemie Menschen in einen Flieger zu zwingen, um sie in ein Land zu bringen, in dem Bürgerkrieg herrscht.“

Für die EU bedeutet der Ukraine-Krieg einen neuen Anlauf in Sachen Humanität und Solidarität. Wird die Betroffenheit andauern? Werden die ukrainischen Flüchtlinge fair auf die europäischen Länder aufgeteilt? Funktioniert hat das bisher eigentlich nie: Wir erinnern uns an die Flüchtlingsströme aus Syrien. An das Flüchtlingslager Moria. Menschen in Kälte und Schmutz. Und wir erinnern uns an die Abwehrhaltung Europas, und ganz besonders jene der österreichischen ÖVP-Unmenschlichkeitspolitik.

Der Ukraine-Krieg stellt aber auch Europas Versorgungssicherheit in Frage. Hier rächt sich das mangelnde Engagement in Sachen Nachhaltigkeit. Zu lange wurde an fossilen Energiequellen festgehalten, hat den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik gebremst – für die eigene politische Klientel. Fazit: Im Jahr 2022, mitten in der Klimakrise, ist Europa und auch Österreich noch immer extrem von Gas abhängig und muss um die eigene Versorgung fürchten. Für die EU war deshalb zuletzt Atomkraft die Anwort auf die nachhaltige Energiefrage. Njet, belehrt uns Putin mit der Sorge vor einer Verstrahlung Europas.

Doch längst ist nicht nur Gas das Problem. Beinahe unbemerkt und politisch negiert ist in den letzten Jahren die Abhängigkeit von Importen immer stärker gestiegen. Inzwischen ist nicht nur in Österreich in vielen Bereichen die Selbstversorgung nicht gedeckt. So werden etwa nur 58 Prozent des Gemüse- und 46 Prozent des Obstbedarfs in Österreich angebaut, so ein aktueller Greenpeace-Bericht. Dafür herrscht eine massive Überproduktion von Fleisch.

Worum es geht, zeigt unser neuer Gesundheitsminister Johannes Rauch auf: Er sehe seine Aufgabe darin Österreich auf eine mögliche Corona-Mutation im Herbst vorzubereiten. Ganz egal, ob die kommt, oder nicht. Übertragen auf die Klimakrise zeigt sich das politische Versagen: Vorbereitet ist Österreich eigentlich auf gar nichts. Die Bananenrepublik liegt im Klimaschutz-Index inzwischen nur noch auf Platz 36. Alternative Energiequellen wurden in den letzten Jahrzehnten nur zaghaft gepusht. Ölheizungen hingegen bis letztes Jahr weiter mit Steuergeldern gefördert. Erfolgreiche Politik sieht anders aus. Das kann uns die Zukunft kosten.

Geschrieben von Helmut Melzer

Als langjähriger Journalist habe ich mir die Frage gestellt, was denn aus journalistischer Sicht tatsächlich Sinn machen würde. Meine Antwort darauf siehst Du hier: Option. Auf idealistische Weise Alternativen aufzeigen – für positive Entwicklungen unserer Gesellschaft.
www.option.news/ueber-option-faq/

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