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Öko-Tourismus: Vorbild Botswana

Öko-Tourismus

Und plötzlich springt eine Löwin aus dem Busch. Zwei Tage lang hat Lesh vom offenen Land Rover Defender aus Fährten gelesen, Spuren identifiziert, nach ihr gesucht. Und dann taucht sie auf, kreuzt mit zielgeradem Blick unsere Route und verschwindet wieder im Dickicht. Nur zwei Löwen und ebendieses Weibchen leben im engeren Territorium rund um das Safari-Camp „Xigera“ inmitten des Okavango-Deltas. Es ist ein voyeuristischer Impuls, der dem neugierigen Touristen zuruft: Nachfahren, in den Busch, man will die Jagd der Löwin hautnah miterleben. Doch unser Guide tut genau das Gegenteil und dreht den Motor ab: „Wir bleiben auf Distanz, denn wir wollen die Löwin nicht bei ihrer Jagd stören.“ Er lauscht der beeindruckenden Vielfalt an Vogelgezwitscher und anderer Tierlautexotik, als würde ihm diese Geräuschkulisse etwas verraten: „Dort drüben links hören wir einen Alarmruf eines Eichhörnchens“, erklärt Lesh seine Wahrnehmung, als er auf einen Baum in etwa 100 Metern Entfernung zeigt. „Und hier rechts warnt ein Roter Bill Francolin zwitschernd seine Artgenossen vor einem Raubtier. Die Löwin ist genau in der Mitte.“ Als wir uns später herantasten, finden wir sie genau dort schlafend im Schatten eines Busches.

Reise

Es ist dieses umfassende Wissen über die Natur und das Feingefühl für eine schonende Art und Weise, mit ihr umzugehen, die Lesh zu einem der besten Safari-Guides in der Region machen. Das Unternehmen „Wilderness“ ist sein Arbeitgeber – und der von über 2.600 weiteren Menschen in Botswana, Sambia, Namibia und sechs weiteren Sub-Sahara-Staaten. Mit 61 Camps einer der größten Anbieter von Premium-Safaris überhaupt – seit dreißig Jahren in Botswana tätig. Mit wem ich während meiner Recherche auch spreche – Regierung, Reisebüros, Mitarbeitern –„Wilderness“ wird mir in Sachen Umweltschutz als Vorzeigeunternehmen genannt. Eine Behauptung, derer ich mich selbst wieder und wieder überzeugen darf. Zum Beispiel in einem Gespräch mit Thsolo, 25 Jahre alt und kurz davor, seine Ausbildung zum Safari-Guide bei „Wilderness“ abzuschließen: „Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, da war es legal, in Botswana wilde Tiere zu erschießen. Seit ich denken kann wollte ich den Tieren helfen, etwas Gutes für sie tun. Deshalb möchte ich Safari-Guide werden und mit meinem Know-How Bewusstsein schaffen für den richtigen Umgang mit der Umwelt. Das ist mein Traum und ich bin kurz davor, ihn zu leben.“ In vielen Gesprächen hier kann ich dieses tiefe Bekenntnis zum Tier- und Umweltschutz spüren.

Menschliche Einflüsse minimieren

Wenn der Okavango-Fluss aus Angola kommend am Ende der Trockenzeit große Teile des Nordens flutet, bildet er die Grundlage für eine der artenreichsten Regionen der Welt: das Okavango-Delta. In Botswana ist der Tourismus die zweitwichtigste Einnahmequelle nach dem Export von Diamanten. Es überrascht daher nicht, dass auch die Regierung größtes Interesse am Konzept des „Ökotourismus“ hat, Unternehmen wie „Wilderness“ fördert, sie aber auch streng kontrolliert: „Es gibt regelmäßig sehr strenge Inspektionen, in denen die Regierung sicherstellt, dass wir alle Auflagen des Ökotourismus erfüllen. Sie untersuchen das Müllmanagement, kontrollieren aber auch, wie wir unsere Lebensmittel aufbewahren. Kein Wildtier soll Zugang zu Futter bekommen, das ohne den Menschen nicht da wäre“, erklärt mir Richard Avilino, Guide im Camp „Vumbura Plains“. Wer einen Apfel am Land Rover isst, nimmt die Burze wieder mit – Apfelbäume sind im Okavango-Delta nicht heimisch. Die Camps sind auf Stelzen gebaut. Aus Schutz vor wilden Tieren, einerseits. Aber auch, um nach Ablauf der zwanzigjährigen Konzession – so sie nicht verlängert wird – das Areal wieder in seinen ursprünglichen natürlichen Zustand bringen zu können. Jeder noch so kleine menschliche Einfluss soll vermieden werden. Ökotourismus ist hier allgegenwärtig. Vor allem aber eine Zukunftsperspektive für das Land.

Mit dem Militär gegen Wilderer

Der würzige Duft von Salbei liegt in der Luft, als wir mit dem Land Rover wieder im Busch unterwegs sind. Mopani-Bäume stehen in der Landschaft herum, kahl und abgefressen – eine Delikatesse für Elefanten. Die Mopanis galten den Jägern früher als Vorwand – die Tiere zerstörten die Umwelt, so ihr Argument. Heute weht ein anderer Wind den Salbeiduft durchs Delta. Heute ist Botswana in mehrerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Das Land gilt als Musterstaat für Demokratie in Afrika – noch nie gab es hier einen Bürgerkrieg oder Militärputsch. Von der britischen Kolonialherrschaft konnte sich Botswana 1966 friedlich befreien. Es ist auch jenes Land in Afrika, in dem die Jagd auf Wildtiere gänzlich verboten ist – erst im Jahre 2013 hat Präsident Ian Khama ein entsprechendes Gesetz erlassen. Drakonische Strafen von bis zu zwanzig Jahren Gefängnis drohen dem, der ein Wildtier tötet. „Als ein paar Wilderer einmal auf Antilopen geschossen haben, ist die Botswana Defense Force mit ihren Militärhelikoptern angerückt, um nach ihnen zu suchen“, erzählt Eugene Luck, Managerin bei „Wilderness“. „Die Regierung von Botswana nimmt das sehr ernst.“

„Die Politik des ‚Low Density Tourism‘ gegen billigen Massentourismus ist ein wichtiger Beitrag zum Konzept des Ökotourismus. Das reduziert den negativen Impact sowohl in sozialer als auch in ökologischer Hinsicht enorm.“

Umweltschutz als Luxusproblem

Map Ives ist einer von Eugene‘s Kollegen, ein altgedienter Safari-Spezialist im Hause „Wilderness“, der auch eng mit der Regierung zusammenarbeitet: „Die Politik des ‚Low Density Tourism‘ gegen billigen Massentourismus ist ein wichtiger Beitrag zum Konzept des Ökotourismus und uns eine große Unterstützung. Dieses Modell hält die Zahl der Touristen niedrig und die Preise pro Nächtigung hoch. Das reduziert den negativen Impact sowohl in sozialer als auch in ökologischer Hinsicht enorm.“ Apropos sozialer Impact: Die Konzessionen für Safari-Camps vergibt die Regierung in Absprache mit den Kommunen der Region – sie alle sollen einverstanden sein, wenn ein neues Camp entsteht. Dafür profitieren sie von Arbeitsplätzen. Und von Touristen, die sich für ihre Kultur interessieren. Das ist wichtig in einem Land, in dem die Armut so groß ist, dass der Umweltschutz trotz aller Bemühungen für viele Menschen immer noch ein Luxusproblem ist.

„Art des Reisens hat sich verändert“

Monika Peball besitzt ein Reisebüro in Simbabwe und Botswana und beobachtet ein immer stärker werdendes Interesse der Touristen an Kultur und Natur: „Die Nachfrage nach Ökotourismus steigt enorm. Die Menschen wollen nicht mehr nur auf Safari gehen, sondern interaktiv an nachhaltigen Camps teilnehmen, ein Bewusstsein entwickeln für lokale Gegebenheiten und Herausforderungen. Viele möchten auch an Projekten mitarbeiten, wie zum Beispiel der ‚Wild-Dog-Conservation’. Die Art des Reisens hat sich hier einfach verändert.“

Wild-Dogs, eine Tierart, von der ich vor meiner Reise nach Botswana noch nicht gehört habe. Ihr Schutz ist ein großes Thema im Okavango-Delta. Nur 1.200 Exemplare gibt es hier noch, wie uns unser Guide Lesh erklärt. Wir hatten das Glück, welche zu sehen. „Die Touristen wissen meistens gar nicht, wie wichtig es ist, die Umwelt hier zu schützen. Aber sie lernen es, während sie hier sind mit uns. Wir schaffen ein Bewusstsein dafür und am Ende schätzen sie es genau so wie wir“, berichtet Lesh von seinen Erfahrungen mit Touristen. Mit Gästen wie mir. Die ein Land besuchen, das in seiner natürlichen Vielfalt so überwältigend ist und dabei so surreal wirkt, dass man das Erlebte erst Tage danach gänzlich begreift. Eines aber war mir schon nach den ersten Stunden im Land Rover klar: Ohne den Ökotourismus würde es dieses Naturschauspiel so nicht mehr lange geben.

Geschrieben von Jakob Horvat

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