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Bio-Gastronomie: Urlaub geht durch den Magen

Bio-Gastronomie: Urlaub geht durch den Magen

Nahrungsaufnahme ist ein zentrales Lebensbedürfnis. Wer nachhaltig denkt, greift selbstverständlich zu Bio-Lebensmitteln, die Branche boomt. Sogar in Kleinstädten gibt es mittlerweile richtige Bio-Supermärkte – beim Essen gehen sieht das Angebot hingegen mehr als mau aus. Das ist im Urlaub besonders bitter. Wir haben uns für Sie umgesehen, wo die echten Biorestaurants zu finden sind.

„Wer biologisch einkauft und nachhaltig lebt, will auch beim Ausgehen nicht auf biologische Qualität verzichten. Derzeit sind gerade mal drei Prozent der für die Gastronomie gekauften Lebensmittel Bio“, weiß Susanne Maier, Geschäftsführerin von Bio Austria, „Die Auswahl an biologischen Lokalen ist in den letzten Jahren zwar stetig gestiegen, dennoch relativ überschaubar: Von den insgesamt über 40.000 Gastro-Betrieben in Österreich sind nur rund 400 bio-zertifiziert. Knapp 100 davon sind Partner von uns.“

Was genau heißt zertifiziert? Maier holt aus: „Im Gegensatz zu anderen Branchen gibt es in der Gastronomie keine Zertifizierungspflicht, sprich: Jeder kann Bio auf seiner Speisekarte ausloben – es gibt keinerlei Kontrolle. Das ist ein heißes Thema auch auf europäischer Ebene, bei uns wehrt sich die Wirtschaftskammer mit Händen und Füßen gegen eine Zertifizierungspflicht. So hat der Konsument nur bei Gastrobetrieben, die sich freiwillig durch eine Kontrollstelle wie Austria Bio Garantie zertifizieren lassen, die Sicherheit, dass dort, wo Bio draufsteht, auch Bio drinnen ist.“

Solche Betriebe dürfen das Label Bio-Garantie tragen, rund ein Viertel davon sind darüber hinaus Partner von Bio Austria. „Wir bieten unseren Mitgliedern umfangreichen Service – von der Lieferantensuche bis zum Info-Werbepaket für den Betrieb. Natürlich listen wir unsere Partner auch auf unserer Homepage,“ erklärt Susanne Maier, warum sich die Betriebe für eine Mitgliedschaft bei ihr entscheiden.

Gut zu wissen: eine Aussage, wie hoch der Anteil an Bio in der jeweiligen Küche ist, lässt sich durch die Zertifizierung nicht treffen – es wird bloß sicher gestellt, dass ausgewiesene Bio-Lebensmittel auch tatsächlich solche sind. Ab nächstem Jahr soll sich das bei Bio Austria allerdings ändern, man plant konkret eine Plakette in Gold, Silber und Bronze, je nach Höhe des Bio-Anteils in der Küche.

Grüne Haube

Eine Auszeichnung für Naturküche in der heimischen Restaurantlandschaft ist die Grüne Haube. Sie wird vom steirischen Verein styria vitalis seit 1990 an Gastronomiebetriebe verliehen, die sich vollwertigem, saisonalem und regionalem Genuss mit hohem vegetarisch-veganen Anteil auf höchstem Niveau verschreiben. „Bei jeder Mahlzeit findet der Gast ein vollwertig-vegetarisches Menü zur Wahl, welches durch spannende Kreativität zum Genuss verführt. Weißmehl- und Fertigprodukte oder Frittiertes gibt es in diesem Grüne Haube-Menü nicht“, erklärt Projektkoordinatorin Sura Dreier, „Auch Bio spielt ein wichtige Rolle bei uns, bestimmte Produktgruppen wie Getreide, Kartoffeln oder Frischeier müssen zu hundert Prozent in Bio-Qualität sein, bei anderen wie Gemüse, Fleisch oder Saft müssen zumindest ein, zwei Sorten in Bio angeboten werden – selbstverständlich bestehen wir auf eine entsprechende Zertifizierung.“

Biohotels & die Bio-Gastronomie

Bei den Bio Hotels ist man diesbezüglich strenger, in der Küche gilt 100 Prozent Bio außer für Produkte aus Wildsammlung oder -fang. Fast unnötig zu sagen, dass die Bioqualität der Hotelgastronomie, egal ob in Österreich oder Deutschland, Italien oder der Schweiz, von einer unabhängigen Kontrollstelle geprüft wird. Geschäftsführerin Marlies Wech: „Unsere Gäste schätzen die Bioküche sehr, insbesondere auch die hohe Qualität und die Raffinesse der zubereiteten Gericht am Teller. Mindestens drei Viertel entscheiden sich für eines unserer Biohotels weil ihnen eben hundert Prozent Bio wichtig sind – sie möchten ihren nachhaltigen Lebensstil auch im Urlaub verwirklichen.“

Schmeckt Bio tatsächlich anders als konventionell? „Die Bio-Küche in unseren Häusern ist echtes Handwerk. Auf künstliche Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker, Fertigprodukte und Mikrowellen wird gänzlich verzichtet“, sagt Wech, „Viele unserer Mitglieder legen Wert auf Nose-to-tail- und Leaf-to-root-Konzepte. Da frische Produkte verarbeitet werden ist es auch kein Problem, auf Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten einzugehen. Natürlich schmeckt man da einen Unterschied, aber davon sollte sich jeder selbst überzeugen“. Auch beim Thema Regionalität gibt man sich stark, Wech: „Die Stärkung der regionalen Bio-Landwirtschaft war schon vor 20 Jahren ein wichtiger Aspekt bei der Gründung der Bio Hotels – lang bevor das Wort in Mode kam.“ Einige der Mitgliederhotels können sogar auf Produkte aus dem eigenen Garten oder der eigenen Landwirtschaft zurückgreifen.

Bio-Gastronomie vor den Vorhang

Eines der Biohotels und Träger der Grünen Haube ist das Naturhotel Chesa Valisa im Kleinwalsertal. „Im Naturhotel sind wirklich alle Lebensmittel aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft. Soweit erhältlich, werden die Produkte in der Genussregion Kleinwalsertal, in Vorarlberg und im Allgäu eingekauft. Außerdem haben wir eine große Auswahl an vegetarischen und veganen Speisen“, sagt dazu Chefin Magdalena Kessler, „Den Trend ‚from nose to tail‘ also die Verwertung des ganzen Tieres, leben wir seit über dreißig Jahren.“ Der Küchenchef im Restaurant „Kesslers Walsereck“, Bernhard Schneider, steht voll dahinter: „Ich schätze die Herausforderung, jeden Tag mit gesunden, saisonalen und regionalen Produkten zu arbeiten. Es ist ein gemeinsamen Streben mit den Bauern vom Walsertal – das von Gästen immer mehr goutiert wird. Es ist toll, wie groß die Resonanz mittlerweile ist.“

Auf der anderen Seite von Österreich, im schönen Pöllauer Tal, liegt das Hotel Retter. „Aus Leidenschaft kochen wir mit biozertifizierten und handverlesenen Produkten aus einem Radius von maximal 25 Kilometer von rundumadum. Sei es vegan, vegetarisch oder herzhaft. Fleisch kommt bei uns nur Bio und aus Freilandhaltung von sechs Bauern der Oststeiermark auf den Tisch“, hat Hoteliere Ulrike Retter einen ganz klaren Fokus, „Alles wird im Zero-Waste-Gedanken im Ganzen verarbeitet. Unserem Küchenteam macht es Spaß, nicht nur Edelteile, sondern auch Gerichte aus Omas Zeiten, wo jedes Teil wertgeschätzt wurde, zuzubereiten“. Ein Teil der Bioprodukte, die in der Küche verarbeitet werden, stammt aus der familieneigenen Landwirtschaft, die das Anwesen umgibt und seit fast 30 Jahren biozertifiziert ist. Hier wächst das Obst, das zu Eis, Destillaten und Marmeladen verarbeitet wird, in der Backstube wird Brot und Gebäck fürs Hotel gebacken – und das Know-How dazu in den sehr beliebten Workshops weiter gegeben.

Im niederösterreichischen Pielachtal steht der Steinschalerhof von Annemarie und Johann Weiss. Man trägt das österreichische Umweltzeichen, die Grüne Haube und damit auch das Label von Austria Bio Garantie. Das Haus wird als Seminar- und Urlaubshotel geführt, es ist eingebettet in eine ausgedehnte, mehr als 30.000 m2 große Gartenlandschaft mit idyllischen Teichen. „Unsere Gärten sind Rückzugsgebiete für die Natur, Erholungsraum für unsere Gäste – und Produktionsstätte für unsere Küche“, erzählt Hausherr Hans Weiss, „Gemüse, Obst und Würzkräuter gedeihen hier in zertifizierter Bioqualität, was anderes wäre für uns nie in Frage gekommen. Wir verzichten auf formale oder gar architektonische Gestaltung, wir lassen die Gärten saisonal ihr Aussehen und ihre Gestalt verändern. So werden sie von Jahr zu Jahr artenreicher.“ Die Spezialität des Hauses sind seine Wildkräuter, die ausschließlich hier gesammelt werden, Weiss: „Das hat sich irgendwie durch unsere Naturaffinität ergeben, vor rund 20 Jahren haben wir damit begonnen, auch Wildkräuter in der Küche einzusetzen. Mittlerweile ist das unser Markenzeichen. Wildkräuter sind spitze – sie sind reich an wertvollen Inhaltsstoffen und voller ungeahnter Geschmacksrichtungen.“

INFO: Was darf bei Bio-Gastronomie drinnen sein?
Austria Bio Garantie
Die größte der sieben Kontrollstellen in Österreich. Die Suche auf der Homepage ergibt 295 Bio-Gastrobetriebe: Hotelrestaurants, Großküchen, Kantinen, Catering, Reha-Einrichtungen und einige wenige reine Restaurants. abg.at
Bio Austria
Rund 100 bio-zertifizierte Gastrobetriebe sind Mitglied bei Bio-Austria. Derzeit wird das Label überarbeitet, ab nächstem Jahr soll es die Plakette in Gold, Silber und Bronze geben, je nachdem wie hoch der Anteil an Bioprodukten in der Küche jeweils ist. bio-austria.at
Grüne Haube
Der Schwerpunkt liegt auf gesunder Vollwertküche, allerdings ist bei gewissen Produktgruppen ein Bioanteil vorgesehen (siehe Kriterien) – Träger der Grünen Haube müssen dazu zwingend bio-zertifiziert sein. gruenehaube.at
Bio Hotels
Die Vereinigung wurden vor 20 Jahren mit der Vision gegründet, den Tourismus neu und ganzheitlich zu denken. Eine Handvoll österreichischer Hoteliers wollte ihren Gästen auch im Hotelbetrieb ausschließlich Bio-Speisen und Bio-Getränke bieten – in einer Zeit, in der Bio als Begriff noch nicht in aller Munde war. So war damals auch die Beschaffung der Produkte eine Herausforderung. Mittlerweile konnten starke Partnerschaften geknüpft werden und nicht ohne Stolz stehen die Bio Hotels heute für 100 Prozent zertifizierte Bio-Qualität am Teller. biohotels.info

EMPFEHLUNGEN für Bio-Gastronomie
Naturhotel Chesa Valisa
Als Mitglied der Biohotels geht man hier keine Kompromisse ein: 100 Prozent Bio in der Küche, Lehmwände statt Klimaanlagen, Fernwärme mit Hackschnitzel, biodynamischer Gartenbau, Solarenergie … Familie Kessler meint es Ernst mit der Nachhaltigkeit. naturhotel.at
Hotel Retter
Das Restaurant der Retters ist seit 2004 bio-zertifiziert und seit 1992 mit einer Haube vom Gault Millau und der Grünen Haube ausgezeichnet. „Fleisch ist etwas ganz Besonderes und kein Massenprodukt!“, so Familie Retter, „Daher werden in unserer Küche seit Jahren nur im Freiland gehaltene regionale Bio-Tiere wie Schwein, Lamm, Kalb und Rind wertschätzend zur Gänze verarbeitet.“ 2014 beteiligte man sich beim Labonca Weideschlachthaus. retter.at
Steinschaler Hof
„Bio ist logisch, da führt kein Weg dran vorbei. Die konventionelle Landwirtschaft ist eine Sackgasse“, ist die Meinung von Chef Hans Weiss. Seine eigenen Gärten werden biologisch bewirtschaftet, Gemüse, Obst und Kräuter finden in der Küche Verwendung. Das Highlight im Steinschaler Hof sind die Wildkräutergerichte. steinschaler.at
Eine kulinarische Reise wert
Der neu in Deutschland eingeführte Grüne Stern Michelin hebt Gastronomen mit besonderem Engagement für nachhaltiges Arbeiten hervor. 53 Restaurants sind damit ausgezeichnet, darunter auch die Küchen der Bio Hotels Alter Wirt (Grünwald, Bayern), Biohotel Mohren (Deggenhausen, Baden-Württemberg) sowie Bio-Hotel & Restaurant Rose (Ehestetten, Baden-Württemberg). Weitere Bio-Hotels, die sich mit Besonderheiten in der Küche auszeichnen, sind das Biohotel Schwanen im Bregenzerwald, wo nach der Philosophie von Hildegard von Bingen gekocht wird sowie das Bio- & Bikehotel Steineggerhof in Südtirol, das mit veganer Küche überzeugt.

Foto/Video: Shutterstock.

Geschrieben von Anita Ericson

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