„Wenn es um den CO2-Ausstoß geht, ist ein konventioneller Apfel aus der Bodensee-Region bedenklicher als ein Bio-Apfel aus Neuseeland.“
Christian Pladerer, Ökologie-Institut ÖÖI
Glückliche Kühe auf der Wiese und sprechende Schweinderl: Schenkt man der Werbung Glauben, ist die heimische Landwirtschaft Romantik pur. Die Wahrheit sieht leider anders aus: Kühe werden mit Kraftfutter und Selektionszucht zu Milchmaschinen degradiert. Millionen männliche Küken werden jährlich getötet, da ihre Aufzucht sich nicht rentiert. In der Schweinemast kommt es immer wieder zu Missständen, wie der Verein gegen Tierfabriken regelmäßig aufdeckt.
Der Begriff „regional“, der als wertvoll und nachhaltig transportiert wird, verliert dadurch seine Glaubwürdigkeit. Biologische Produkte schneiden um ein Vielfaches besser ab, sind jedoch meist teurer – Bio-Fleisch kostet das Doppelte bis Dreifache.
„Die Nachfrage entscheidet: Viele Menschen kaufen nur über den Preis ein und erkennen den Wert eines Lebensmittels nicht mehr“, sagt Hannes Royer, Bio-Bauer und Obmann des Vereins Land schafft Leben. „Mit ihrem Kauf entscheiden Konsumenten jedoch über die Herstellung und Herkunft von Lebensmitteln.“ In Österreich werden nur zehn Prozent des Haushaltseinkommens für Lebensmittel ausgegeben. „Ein iPhone um 700 Euro leistet sich dagegen schnell jemand“, kritisiert Royer.
Bauern kämpfen ums Überleben
Aber ist wirklich alles schlecht in unserer Landwirtschaft? Laut Klimaschutzbericht 2018 des Umweltbundesamtes trägt die Landwirtschaft in Österreich 10,3 Prozent zum CO2-Ausstoß bei, inklusive biologischer Landwirtschaft. „Es geht auch darum, heimische Bauern zu unterstützen“, meint Royer und weist darauf hin, wie Landwirte ums Überleben kämpfen. „Die Weltmarktbedingungen sind brutal, der freie Markt setzt Bauern enorm unter Druck.“ Der durchschnittliche österreichische Bauer besitze 18 Milchkühe, viele gingen nebenbei arbeiten. Um als Nicht-Bio-Bauer von der Milchwirtschaft leben zu können, braucht man je nach Betriebsstruktur 40 Kühe oder noch mehr. Ein Umdenken Richtung Tierwohl und Nachhaltigkeit findet langsam statt, immerhin liegt Österreich mit 20 Prozent Bio-Landwirtschaft innerhalb der EU ganz vorne – viele Bio-Lebensmittel wie etwa Milch müssen jedoch exportiert werden. „Kosten und Aufwand sind in der Bio-Landwirtschaft höher, daher auch der höhere Preis für Bio-Lebensmittel“, erklärt Royer und ergänzt: „Regional und Bio wäre natürlich das Optimum. Die Landwirtschaft sollte aber nicht an der Nachfrage der Österreicher vorbeiproduzieren.“
Regional, bio oder fair?
Produkte, die aus fernen Ländern importiert werden, stehen wiederum wegen des weiten Transports in der Kritik. In der Öko-Bilanz eines Lebensmittels werden Umweltauswirkungen durch Produktion, Transport und Gebrauch berücksichtigt. Aber auch hier ist ausschlaggebend, ob ein Lebensmittel aus konventioneller oder Bio-Landwirtschaft stammt: „Wenn es um den CO2-Ausstoß geht, ist ein konventioneller Apfel aus der Bodensee-Region bedenklicher als ein Bio-Apfel aus Neuseeland“, weiß Christian Pladerer vom Ökologie-Institut. „Da die Frachtschiffe riesige Mengen transportieren, fällt die CO2-Belastung eines einzelnen Apfels gering aus.“
Bei der Wahl zwischen einem herkömmlichen heimischen Apfel und einem weitgereisten Bio-Apfel plädiert Pladerer dennoch für die regionale Variante, da bei der Öko-Bilanz soziale Aspekte wie die Arbeitsbedingungen vor Ort nicht berücksichtigt würden. Bei vielen Lebensmitteln wie Orangen oder Bananen werden Arbeiter in den Ländern des Südens ausgebeutet.
Klar ist der Fall bei Erdbeeren oder Spargel, die oft kurz vor der heimischen Saison in den Supermarktregalen zu finden sind. Laut einer Studie des VCÖ belastet ein Kilogramm Spargel, das per Flugzeug aus Südamerika eingeflogen wird, das Klima mit fast 17 Kilogramm CO2, das ist 280 Mal so viel wie zur Saison gekaufter Spargel aus der Region.
Faire Arbeitsbedingungen
Das Fairtrade-Siegel gewährleistet Kleinbauern einen Mindestpreis für Ihre Produkte sowie langfristige Handelsbeziehungen, es verbietet Kinderarbeit und fördert oftmals Frauen in den Kooperativen. „Fairtrade steht in erster Linie für menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen“, sagt Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, „und erst danach für Bio-Anbau.“ In Österreich seien 70 Prozent der Fairtrade-Produkte auch Bio-zertifiziert. „Nicht alle Kleinbauern können sich einen Umstieg auf Bio-Landwirtschaft leisten, weil sie teurer und aufwändiger ist. Auch die Nachfrage besteht nicht immer.“
Apropos Arbeitsbedingungen: Auch in Österreich werden Hilfskräfte in der Landwirtschaft ausgebeutet. Während der Erntezeit ist es auf vielen österreichischen Bauernhöfen üblich, Erntehelfer aus angrenzenden EU-Ländern zu beschäftigen.
„Ausbeutung ist dabei eher die Regel als die Ausnahme, egal ob Bio oder herkömmliche Landwirtschaft“, weiß Lilla Hajdu von der Produktionsgewerkschaft PRO-GE im Burgenland. „Es werden gezielt Arbeiter ausgewählt, die kein Deutsch sprechen – aber dennoch oft überqualifiziert sind.“
Alternative Foodcoops
Foodcoops sind Einkaufsgemeinschaften, deren Mitglieder den Einkauf von ökologischen Lebensmittel gemeinschaftlich bei regionalen Bauern organisieren. „Grundsätzlich sind gerechte Arbeitsbedingungen für Lohnarbeitskräfte für alle Foodcoops ein Hauptkriterium bei der Auswahl von Lieferanten“, so ein foodcoop-Sprecher. Allerdings hätten alle bekannten Betriebe fixe Mitarbeiter, die seit mehreren Jahren jede Saison dabei sind, in der Regel aus Tschechien, Slowakei und Ungarn.
Der Ochsenherz Gärtnerhof ist ein gemeinschaftlich organisierter Demeter Landwirtschaftsbetrieb in Gänserndorf. Das Vorbild für diese Wirtschaftsform ist die Community Supported Agriculture (CSA) aus den USA. Österreichweit gibt es derzeit 26 Landwirtschaftsbetriebe, die nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft organisiert sind. Am Gärtnerhof Ochsenherz finanzieren und unterstützen etwa 300 Menschen als Ernteteiler Anbau und Pflege des Gemüses, mit dem die Gärtner die ganze Gemeinschaft versorgen. „Bei uns sind zum Großteil Österreicher und ein rumänisches Ehepaar angestellt – allerdings das ganze Jahr über“, sagt Monika Mühr von Gela Ochsenherz.
Finger weg: 4 Tipps, mit denen Du sicher gehst!
Produkte mit Palmöl – In durchschnittlich jedem zweiten Lebensmittelprodukt ist Palmöl enthalten: In Keksen, Aufstrichen, Fertigprodukten, aber auch in Waschmitteln, Kosmetika und Agro-Treibstoffen. Für Palmölplantagen werden vor allem in Indonesien riesige Flächen an Regenwäldern gerodet und Torfmoore trocken gelegt. Die Auswirkungen auf den Klimawandel sind enorm: Indonesien liegt derzeit bei den Staaten mit den höchsten CO2-Emissionen an dritter Stelle, hinter den USA und China. Und auch die Tierwelt ist betroffen: Vor allem Orang Utans und Sumatra-Tigern wird durch die Rodung des Regenwaldes der Lebensraum entzogen. Alternativen sind Produkte mit heimischen Ölen wie Sonnenblumenöl oder Rapsöl.
Aufpassen bei Gütesiegeln wie Roundtable for Sustainable Palmoil (RSPO), Marine Stewardship (MSC) oder Rainforest Alliance (RA): Sie versprechen Nachhaltigkeit, werden jedoch u.a. von Greenpeace als nicht vertrauenswürdig eingestuft.
Getränke aus Plastikflaschen, insbesondere Mineralwasser: Kunststoff wird aus Erdöl hergestellt und Plastikmüll verschmutzt unsere Umwelt. Vergleichende Tests haben ergeben, dass österreichisches Leitungswasser in manchen Fällen sogar mehr Mineralstoffe enthält als stilles Mineralwasser.
Fleisch aus konventioneller Landwirtschaft: Massentierhaltung, Antibiotika, Methan, Regenwaldzerstörung durch importiertes Soja. Das sind nur einige der Stichworte, die konventionelle Tierproduktion begleiten. Die Alternative ist Fleisch aus heimischer Bio-Landwirtschaft.
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