Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen ist weit verbreitet. Eine aktuelle Studie belegt: Die Freiwillige Selbstregulierung der Lebensmittelindustrie bei Kindermarketing ist gescheitert – fast alle Produkte sind für Kinder ungesund.
Daten des Robert Koch-Instituts sind eindeutig: Kinder verzehren im Alter von sechs bis elf Jahren im Schnitt nicht einmal halb so viel Obst und Gemüse, aber mehr als doppelt so viele Süßwaren oder Snacks wie empfohlen. Aktuell gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig und sechs Prozent sogar als fettleibig – ihnen drohen im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Etwa jeder fünfte Todesfall in Deutschland ist laut Angabe der OECD insbesondere auf eine ungesunde Ernährung zurück zu führen.
Mit ein Grund: Die freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie mit Blick auf Kindermarketing sind unzureichend.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Marktstudie, die die Verbraucherorganisation foodwatch gemeinsam mit der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) kürzlich vorgestellt hat. Demnach enthalten nach wie vor 242 von 283 untersuchten Kinderprodukten (85,5 Prozent) zu viel Zucker, Fett oder Salz. Sie sind nach Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unausgewogen und sollten eigentlich gar nicht erst an Kinder vermarktet werden.
Die Studie umfasst Produkte von insgesamt 16 Lebensmittelkonzernen, die eine Selbstverpflichtung zu verantwortungsvollerem Kindermarketing („EU Pledge“), unterschrieben haben – darunter Nestlé, Danone und Unilever. Bereits 2015 untersuchte foodwatch das Sortiment dieser Unternehmen – mit ähnlichem Ergebnis: Damals verfehlten 89,7 Prozent der Produkte die WHO-Empfehlungen.
„Produkte, die mit Comicfiguren, Online-Gewinnspielen und Spielzeugbeigaben an Kinder beworben werden, sind in erster Linie Zuckerbomben und fettige Snacks. Daran haben weder die freiwillige Selbstverpflichtung für ein verantwortungsvolleres Kindermarketing noch das Zuckerreduktionsprogramm der (deutschen) Bundesregierung etwas geändert“, erklärte Oliver Huizinga, Kampagnendirektor bei foodwatch.
„Fehlernährung ist bereits im Kindesalter weit verbreitet: Junge Menschen essen deutlich zu wenig Obst und Gemüse und zu viele Süßigkeiten und Snacks. Die Werbung für Lebensmittel hat schädliche Auswirkungen auf das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen und fördert die Entstehung von Übergewicht“, erklärt Prof. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit an der Kinderklinik der Universität München.
Gefährung der Gesundheit
„An Kinder gerichtete Werbung für Dickmacher ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Gefährdung der kindlichen Gesundheit“, warnte Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), einem Zusammenschluss von 23 wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen. „Die Bundesregierung muss sich von der Strategie der Freiwilligkeit verabschieden und Werbung für ungesunde Produkte an Kinder gesetzlich verbieten.“
Zum Hintergrund: Im Kampf gegen Fehlernährung wurde politisch bislang auf freiwillige Vereinbarungen der Industrie gesetzt. Bereits 2007 haben die großen Lebensmittelkonzerne Europas mit dem „EU Pledge“ freiwillig vereinbart, ihre Lebensmittelwerbung verantwortungsvoller zu gestalten und kein Junkfood mehr an unter 12-Jährige zu vermarkten. Die Autor*innen der Studie haben alle an Kinder beworbenen Produkte der Unternehmen unter die Lupe genommen, die den „EU Pledge“ unterzeichnet haben. Dabei haben sie die Nährstoffzusammensetzung der Produkte mit den Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation an ernährungsphysiologisch ausgewogene Lebensmittel abgeglichen.
Das WHO-Regionalbüro für Europa definiert konkrete Vorgaben, wonach nur noch ernährungsphysiologisch ausgewogene Produkte an Kinder vermarktet werden sollten. Dabei spielen unter anderem die Anteile von Fett, Zucker und Salz, aber auch der Kaloriengehalt oder zugefügte Süßstoffe eine Rolle. 10 der 16 untersuchten Hersteller machen ausschließlich Kindermarketing für Produkte, die den WHO-Empfehlungen nicht entsprechen. Darunter sind Ferrero, Pepsico, Mars, Unilever und Coca-Cola. Die größte Anzahl an unausgewogenen Produkten bewerben Nestlé (44 Produkte), Kellogg‘s (24 Produkte) und Ferrero (23 Produkte).
Foto/Video: Shutterstock, Stiftung Kindergesundheit.