Die zwei Biotech-Konzerne Corteva und Bayer haben in den letzten Jahren hunderte Patentanmeldungen auf Pflanzen angehäuft. Corteva hat 1.430 Patente – mehr als jeder andere Konzern – auf Pflanzen angemeldet, bei denen Methoden der Neuen Gentechnik eingesetzt wurden. Eine gemeinsame internationale Recherche von GLOBAL 2000, Friends of the Earth Europe, Corporate Europe Observatory (CEO), ARCHE NOAH, IG Saatgut – Interessensgemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit und Arbeiterkammer Wien untersucht diese Patentierungsflut vor dem Hintergrund der aktuell diskutierten Deregulierung des EU-Gentechnikrechts mit drohenden Ausnahmen für Neue Gentechnik (NGT). „Die wachsende Zahl von Patentanmeldungen zur Profitsteigerung dieser NGT-Methoden offenbart das doppelte Spiel der Konzerne“, so die Verfasser:innen des heute veröffentlichten Reports. „Chemie und Saatgut-Konzerne wollen für ihre NGT-Pflanzen und ihr NGT-Saatgut vereinfachten Zugang zum EU-Markt erhalten und so eine noch größere Kontrolle über Bauern und Bäuerinnen, Pflanzenzucht und unser Ernährungssystem erlangen.“
Corteva und Bayer kontrollieren Patentgeschäft in Landwirtschaft
Biotech-Konzerne wie Corteva und Bayer preisen Neue Gentechnik-Verfahren als ‚natürliche‘ Prozesse an, die nicht nachweisbar seien und daher von Sicherheitskontrollen und Kennzeichnungsvorschriften der Europäischen Union für gentechnisch veränderte Lebensmittel auszunehmen seien. Gleichzeitig bereiten sie weitere NGT-Patentanträge vor, um ihre technischen Innovationen abzusichern und dabei Schlupflöcher im Patentrecht auszudehnen.
Die Lizenzvergabe im Bereich der landwirtschaftlichen Biotechnologie ist ein lukratives, wachsendes Geschäft. Corteva (früher Dow, DuPont und Pioneer) und Bayer (Eigentümer von Monsanto) kontrollieren bereits jetzt 40 Prozent des globalen industriellen Saatgutmarkts. Weltweit hat Corteva rund 1.430 Patente auf NGT-Pflanzen angemeldet, Bayer/Monsanto 119. Beide Konzerne haben auch weitreichende Lizenzabkommen mit den Forschungsinstituten abgeschlossen, die die Technologien entwickelt haben. Corteva dominiert nicht nur die Patentlandschaft für NGT-Pflanzen, sondern ist auch der erste Konzern mit einer NGT-Pflanze im EU-Zulassungsprozess. Bei diesem patentierten Mais, der gegen ein bestimmtes Herbizid resistent ist, wurde neben alter Gentechnik auch die NGT-Methode CRISPR/Cas im Prozess angewendet.
Patent auf Pflanzen und Eigenschaften
Patente können in der EU auf Produkte und/oder Verfahren beantragt werden. Biotech-Konzerne melden z.B. Patente an, mit denen sie sich die jeweiligen gentechnischen Verfahren und die durch diese Verfahren entwickelten spezifischen genetischen Merkmale zusprechen lassen. Beispielsweise hält Corteva das Patent EP 2893023 für ein Verfahren zur Veränderung des Genoms einer Zelle (auch mit Hilfe von NGT-Anwendung) und erhebt Anspruch auf die Rechte am geistigen Eigentum sämtlicher Zellen, Samen und Pflanzen, die dieselbe “Erfindung” enthalten, sei es in Brokkoli, Mais, Soja, Reis, Weizen, Baumwolle, Gerste oder Sonnenblumen (“Product-by-Process-Ansprüche”). Bei der Neuen Gentechnik ist es nahezu unmöglich genau zu wissen, was patentiert wurde, da die Anwendungen oft absichtlich weit gefasst werden, um einen breiteren „Schutz“ zu erhalten. Saatgutkonzerne verwischen bewusst Unterschiede zwischen konventioneller Züchtung, zufälliger Mutagenese und alter wie Neuer Gentechnik. Da Informationen darüber, was in den Patenten enthalten ist, kaum zugänglich sind, ist es schwierig herauszufinden, welche Pflanzen oder Eigenschaften patentiert sind. Züchter:innen, Landwirt:innen oder Produzent:innen sind mit erheblicher Rechtsunsicherheit konfrontiert, was sie mit Pflanzen, mit denen sie täglich arbeiten, tun dürfen, wofür Lizenzgebühren zu zahlen wären und was möglicherweise eine Klage nach sich ziehen könnte. Monsanto, inzwischen mit Bayer fusioniert, hat in den USA zwischen 1997 und 2011 gegen Bäuerinnen und Bauern 144 Patentrechtsverletzungsklagen eingebracht.
Forderungen für eine vielfältige, klimafitte Landwirtschaft
Die durch Patente vorangetriebene Konzentration im Saatgutmarkt wird zu weniger Vielfalt führen. Die Klimakrise zwingt uns aber, auf klimaresistente Anbausysteme umzustellen, wobei nicht weniger, sondern mehr Vielfalt benötigt wird. Patente geben weltweit agierenden Konzernen die Kontrolle über Nutzpflanzen und Saatgut, schränken den Zugang zur genetischen Vielfalt ein und bedrohen die Ernährungssicherheit.
„Immer mehr Patente auf Pflanzen sind ein Missbrauch des Patentrechts und gefährden den Zugang zu grundlegenden Ressourcen in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Wir fordern, dass Schlupflöcher im europäischen Patentrecht im Bereich der Biotechnologie und Pflanzenzüchtung dringend geschlossen werden und klare Regelungen getroffen werden, die konventionelle Züchtung von der Patentierbarkeit ausschließen“, so Katherine Dolan von ARCHE NOAH. Pflanzenzüchter:innen brauchen Zugang zu genetischem Material, um klimafitte Nutzpflanzen zu entwickeln. Das bäuerliche Recht auf Saatgut muss sichergestellt werden.
„Neue Gentechnik in der Landwirtschaft muss weiterhin im Sinne des Vorsorgeprinzips geregelt werden. NGT-Pflanzen müssen ordnungsgemäß reguliert werden, mit einer Kennzeichnung und Sicherheitskontrollen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, um Transparenz und Rückverfolgbarkeit in der gesamten Lieferkette für Konsument:innen und Landwirt:innen zu gewährleisten“, fordert Brigitte Reisenberger, GLOBAL 2000 Gentechniksprecherin.
Foto/Video: GLOBAL 2000 / Christopher Glanzl.