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Geheimnisse – Kolumne von Gery Seidl

Gery Seidl

Die Vorstellung, dass das Christkind mir Geschenke bringt, wenn ich das ganze Jahr über brav bin, macht doch erst eine Kindheit aus. Dass der Nikolaus, der den bösen Krampus davon abgehalten hat, bis zu mir ins Wohnzimmer zu gelangen, ein bisschen aussieht wie Onkel Heinzi, ist zugegeben komisch, doch fern von jeder Möglichkeit für ein Kind. „Mama und Papa müssten ihn doch erkennen?“ Dass das Traummännlein in der Nacht mit seinem Schlitten von seinem Stern zur Erde fliegt und uns mit Traumsand bestäubt, beschert einem Kind, das ohnehin mit tausend Fragen einschläft, erst eine ruhige Nacht.

All diese Dinge kritisch zu hinterfragen und letztendlich nicht mehr zu glauben ist ein Zeichen dafür, dass man sich von seinem „Kindsein“ wegbewegt. Eine Verabschiedung in einen neuen Lebensabschnitt in Richtung „erwachsen“ sein. Bis wir letztendlich dort ankommen, haben wir uns von unserem inneren Kind meist gänzlich verabschiedet und sind stolz darauf, uns mit den Großen auf Augenhöhe über die Mess- und Berechenbarkeit unserer Welt sowie über Fakten und Tatsachen zu unterhalten.

Wäre das jedoch das Ziel unserer Entwicklung, dann würde doch niemand von uns, ganz im Geheimen, Tag für Tag sein inneres Kind suchen. Auf dem Weg haben wir die Neugier verloren. Die Lust, etwas zu entdecken. Auf Bäume zu klettern, um die Menschen aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Für einen Tag ein anderer sein. Sich verkleiden. Eine Bananenschale in die Fußgängerzone schmeißen und warten, was passiert.

Der EU-Abgeordnete, der zu wichtigen Beitrittsverhandlungen mit Clownnase und Kasperlmütze anreist, fällt voraussichtlich aus dem Vertrauensgrundsatz und dem Verhandlungsteam. Doch ist es nicht beweisbar, dass er nicht vielleicht die besten Ideen im Gepäck hatte.

„Um heute einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, muss man über die Grenzen hinaus denken. Anders denken.“

Um heute einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, muss man über die Grenzen hinaus denken. Anders denken. Querdenken und das Unglaubliche in seinem Kopf zulassen.
Udo Lindenberg hat einmal gesagt: „Jeder Tag ist gleich lang, doch unterschiedlich breit.“

Oder denken wir an die Gebrüder Wright. Wilbur und Orville. Drittes und sechstes Kind von Bischof Wright, die ihre Highschool nie abgeschlossen haben, hatten einen Traum. Sie erwarben eine Druckerei und erzeugten eine eigene Zeitung. Von der journalistischen Tätigkeit bis hin zum Vertrieb. Wollten eine Fabrik bauen, in der sie Verbrennungsmotoren erzeugen, wollten, was am Kapitalmangel scheiterte. Sie eröffneten eine Fahrradwerkstätte, entwickelten das Fahrrad weiter und schafften bis zu 300 neue Modelle. Der Traum beider, dass der Mensch einmal fliegen wird, ließ sie nicht mehr los. In ihrer Autobiografie schrieben die Brüder: „Mouillard und Lilienthal, die großen Propheten des Fluges, erfüllten uns mit ihrer Begeisterung und verwandelten die große Neugier in den Eifer von Schaffenden.“

„Wenn man vollkommene Sicherheit will, tut man gut daran, sich an ein Fenster zu setzen und die Vögel zu beobachten …“
Wilbur Wright

Alfred Hildebrand, der die Aktivitäten der Gebrüder Wright als Erster in Deutschland würdigte, schrieb nach einem Treffen in den USA: „Man hat das Gefühl, dass man Leute vor sich hat, auf die man sich in jeder Beziehung und in allen Lagen des Lebens verlassen kann.“
Die Flugversuche standen immer im Vordergrund, Wilbur hatte den Grundsatz: „Wenn man vollkommene Sicherheit will, tut man gut daran, sich an ein Fenster zu setzen und die Vögel zu beobachten – wenn man aber wirklich etwas lernen will, muss man einen Flugapparat besteigen und sich durch praktische Versuche mit seinen Eigenheiten vertraut machen.“
Mit der Idee, dass der Mensch einmal fliegen kann, wurden sie vielerorts verlacht. Wer recht behalten hat, zeigt die Geschichte. Am 17. Dezember 1903 war es so weit. Orville hob ab. Liegend im Doppeldecker, angetrieben von einem 12-PS-Vierzylinder-Benzinmotor und zwei Propellern. Der Flug dauerte zwölf Sekunden und trug ihn 37 Meter weit.

Der Glaube kann Berge versetzen, und nachdem wir nachweislich nur fünf Prozent unseres Gehirns verwenden, gibt es hier noch unendlich Potenzial, von dem wir keine Ahnung haben. Wie viele Geheimnisse werden wir Menschen noch lüften in den nächsten hundert Jahren und wie viele kommen noch dazu? Zwei Sachen, heißt es, darf das Volk nie erfahren: Wer die Macht hat und was in die Wurst kommt. Das wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.

Geschrieben von Gery Seidl

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