Rebound

Rätselraten bei der Abrechnung fürs Heizen in der neuen, ach so energieeffizienten Wohnung: Die großartig angekündigten Einsparung wurden nicht annähernd erreicht. Ganz im Gegenteil, teuer wird’s wieder. Dreifach-Verglasung, Dämmung, Wärmerückgewinnung – alles für die Katz? Die Liste potentiell Schuldiger ist lang: Wurde gepfuscht? Falsch kalkuliert? Oder ist das ganze Tohuwabohu um die Energieeffizienz doch nur ein einziger Verkaufsschmäh?

Wer sich tatsächlich auf die langwierige Suche nach der Ursache des Versagens in Sachen Energieeffizienz macht, landet schließlich allzu oft vor dem Spiegel, und muss sich selbst an der Nase nehmen: Der Bewohner selbst ist am sogenannten Rebound-Effekt gescheitert. Das bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte Phänomen beschreibt die Differenz zwischen dem errechneten Energieverbrauch und dem tatsächlichen Energieverbrauch eines Gebäudes. In der trügerischen Annahme, die nachhaltige Bausubstanz spare die Energie quasi von selbst ein, wurde mit ebensolcher zu sorglos umgegangen – und bekommt schließlich die Rechnung präsentiert.

Prebound & Rebound

Rebound
Die Tabelle zeigt die in unterschiedlichen Studien analysierten Auswirkungen des Rebound-Effekts in Prozent.

Unter den beiden Begriffen Rebound und Prebound ist die Auswirkung des Nutzerverhaltens auf Energieeffizienz zu verstehen. Es hat sich gezeigt, dass diese Effekte die Erwartungen beziehungsweise Ergebnisse von z. B. nachhaltigen Gebäuden teils stark beeinflussen.
So zeigte eine Studie der University of Cambridge nach Untersuchung der Daten von rund 3.400 Gebäuden, dass die Bewohner durchschnittlich 30 Prozent weniger verbrauchen als es dem errechneten Energiekennwert des Gebäudes entspricht. Dieses Phänomen wird Prebound-Effekt genannt, wobei der Effekt umso stärker auftritt, je schlechter der Energiekennwert ist. Vereinfacht: Aufgrund der schlechten Energieeffizienz wird beim Heizen gespart. Deshalb kann es zu falschen Erwartungen bei Energieeffizienz-Maßnahmen kommen: Da Sanierungen keine Energie einsparen können, die gar nicht verbraucht wird, ergeben sich Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit energetischer Sanierungen.
Umgekehrt gilt das auch für den Rebound-Effekt. Dieser bezeichnet den Unterschied zwischen möglichen Einsparungen, die durch Energieeffizienz-Maßnahmen entstehen, und den tatsächlichen Einsparungen. Paradoxerweise kann ein Mehr an Effizienz dazu führen, dass der allgemeine Energieverbrauch steigt.

Und der Rebound Effekt ist längst mehrfach belegt, ebenso wie sein „netterer“ Bruder Prebound: So wurde etwa 2012 in einer Studie der tatsächliche Energieverbrauch von 3.400 Haushalten in Deutschland mit dem errechneten Energieverbrauch verglichen. Es stellte sich heraus, dass der tatsächliche Verbrauch im Durchschnitt um 30 Prozent unter dem errechneten Verbrauch liegt. Besonders hohe Differenzen konnten bei nicht sanierten, energieineffizienten Gebäudebeständen und Haushalten, in denen keine Effizienzmaßnahmen wie beispielsweise ein Gerätetausch durchgeführt wurden, festgestellt werden. Hier wurde der Energieverbrauch immer höher berechnet und geschätzt als es in der Realität der Fall war.

Als Hauptgrund für diese Diskrepanz wurde der Faktor Mensch in der Gebäudebewirtschaftung identifiziert. So verbrauchen viele Haushalte weniger Energie, da sie die Raumtemperatur niedriger halten als es in den Berechnungen des theoretischen Energieverbrauchs angenommen wird. In Wohnungen, die besonders energieineffizient sind, sind Bewohner oftmals gezwungen, ein besonders sparsames Verhalten an den Tag zu legen, um Kosten zu reduzieren (Prebound-Effekt).

Besonders heftig wird es, wenn beide Effekte hintereinander auftreten: Die unsanierten Wohnung wird nur sparsam beheizt, deutlich unter dem eigentlichen Energieverbrauch, nach einer Sanierung wird energietechnisch die Sau rausgelassen. Fazit: Der Unterschied kann enorme Ausmaße annehmen.

Und Nachhaltigkeit funktioniert doch

Dass nachhaltiges Bauen aber auch trotz der Phänomene funktioniert, hat die Studie „Auswertung von Verbrauchskennwerten energieeffizient sanierter Wohngebäude“ der deutschen Energieagentur dena 2013 bewiesen, die die Daten von insgesamt 63 thermisch sanierten Gebäuden über mehrere Jahre hinweg untersuchte – vor und nach Energieeffizienz-Maßnahmen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit einem berechneten Endenergieverbrauch von 223 kWh/(m2a) im Mittel vor der Sanierung und einem prognostizierten Bedarf von 45 kWh/(m2a) im Mittel nach der Sanierung wurde eine Energieeinsparung von 80 Prozent angestrebt. Nach der tatsächlichen Sanierung wurden schließlich im Mittel ein Energieverbrauchskennwert von 54 kWh/(m2a) und eine durchschnittliche Energieersparnis von 76 Prozent erreicht. Im Klartext: Die geplante Energieeffizienz wird auch tatsächlich realisiert. Schwer einzukalkulieren ist jedoch vor allem das Benutzerverhalten.

Rebound Effekte

  • Direkter Rebound Effekt – Sie erwerben ein Auto mit einem effizienteren Motor, entscheiden sich dabei aber für einen größeren Wagen oder nutzen Ihr effizienteres Auto mehr als das vorherige.
  • Indirekter Rebound Effekt – Da Sie nun ein effizienteres Auto fahren und dadurch reduzierte Treibstoffkosten bzw. CO2-Emissionen haben, gönnen Sie sich im nächsten Urlaub eine Reise mit dem Flugzeug statt mit dem Zug oder Auto.
  • Gesamtwirtschaftlicher Rebound Effekt – Eine steigende Nachfrage nach effizienten Fahrzeugen führt zu Änderungen in der Produktions- und Nachfragestruktur. Dies kann beispielsweise zu sinkenden Treibstoffpreisen führen, was wiederum einen Nachfrageanstieg zur Folge haben kann.
  • Moral Hazard-Effekt – Energieeffizientere und damit ökologisch vertretbarere Produkte und Dienstleistungen tragen oft auch eine symbolische Bedeutung mit sich. So wird beispielsweise der Kauf eines vorher als umweltschädlich angesehenen Produktes plötzlich durch Effizienzsteigerungen und daraus folgenden niedrigerem Energieverbrauch vertretbar.
  • Moral Leaking-Effekt – Eine leichte Abwandlung der verhaltenspsychologischen Effekte ist der Moral-Leaking-Effekt. So kann der Mehrverbrauch des Produktes oder der Dienstleistung nach der Effizienzsteigerung nicht nur aktiv und überlegt erfolgen, sondern auch unbewusst. Nach der Installation eines energieeffizienten Heizsystems wird weniger auf die richtige Lüftungstechnik geachtet und die Fenster bleiben gekippt auch während der Heizperiode. (direkter Rebound-Effekt)
  • Moral Licensing-Effekt – Führt der Konsum eines energieeffizienten Produktes zur Nachfrage nach anderen nicht effizienten Produkten, wird von einem Moral-Licensing-Effekt gesprochen. Die Anschaffung eines sparsamen Fahrzeuges rechtfertigt für die KonsumentInnen beispielsweise eine Fernreise, die mit dem Flugzeug getätigt wird. (Indirekter Rebound-Effekt)
  • Zeit-Rebound – Häufig beobachtet wird ein Zeit-Rebound: So führen schnellere Verkehrsverbindungen dazu, dass weitere Strecken zurückgelegt werden; zeitsparende Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen verändern die Standards (es wird mehr gewaschen usw.).
  • Risiko-Rebound – In der Verkehrs- und der Arbeitspsychologie ist Rebound unter dem Begriff Risikokompensation bekannt: Wer sich mit Gurt, Airbag und ABS, mit dem Fahrradhelm oder infolge von Arbeitsschutzmaßnahmen sicherer fühlt, verhält sich tendenziell riskanter bzw. muss mit riskanteren Aktionen anderer rechnen.
    Quelle: Studie „Anforderungen-an-die-Technologiepolitik-zur-Eindaemmung-des-Rebound-Effektes“

Foto/Video: Shutterstock.

Geschrieben von Helmut Melzer

Als langjähriger Journalist habe ich mir die Frage gestellt, was denn aus journalistischer Sicht tatsächlich Sinn machen würde. Meine Antwort darauf siehst Du hier: Option. Auf idealistische Weise Alternativen aufzeigen – für positive Entwicklungen unserer Gesellschaft.
www.option.news/ueber-option-faq/

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