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Fortschritt bei Dämmung

Vor allem der Kleber war bisher ein Problem für das Recycling von Wärmedämm-Verbundsystemen. Zwei Innovationen ändern das jetzt – mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.

Fortschritt bei Dämmung

In den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden die ersten Dämmstoffe aus expandiertem Polystyrol (EPS) verbaut. Die Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) der ersten Generation werden nun langsam renovierungsbedürftig. Doch was tun, mit ausrangierten Dämmplatten? Ausgemusterte Wärmedämmverbundsysteme aus EPS werden bislang entweder verbrannt oder deponiert. Recycling war bisher nicht möglich. Das ändert sich aber gerade: Im niederländischen Terneuzen wird eine Pilotanlage zum Recycling von Polystyrol-Dämmstoffen gebaut. Mit einer Kapazität von 3.000 Tonnen pro Jahr, kann künftig Dämmstoff aus Polystyrol in ein Polystyrol-Recyclat von hoher Qualität umgewandelt werden. Das Recyclat wird als Rohstoff für neue Dämmstoffe eingesetzt. Die Pilotanlage soll spätestens 2019 in Betrieb gehen.

„Alles bleibt im Fluss“

Realisiert wird die Anlage von der PolyStyreneLoop-Initiative (PS-Loop-Initiative) mit finanzieller Förderung durch die EU-Kommission. In dieser Initiative haben sich in Form einer Genossenschaft nach niederländischem Recht 55 Unternehmen aus 13 Ländern organisiert. Darunter auch die österreichische Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme (QG WDS) und der Hersteller Austrotherm. Clemens Hecht, Sprecher der QG WDS: „Die Initiative ist sagenhaft wichtig, da hier der letzte Teil des Kreises der Kreislaufwirtschaft geschlossen wird! Alles bleibt im Fluss, nichts geht verloren.“

So hat die CreaCycle GmbH in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut IVV den CreaSolv-Prozess entwickelt, der in Terneuzen angewendet wird. Das zugrundeliegende Prinzip ist eine „Selektive Extraktion”. In dem patentierten Prozess werden durch spezielle Reinigungsverfahren Verunreinigungen und Schadstoffe abgetrennt. Das besondere Potential des Verfahrens läge laut Entwickler in der Reinigung des Materials auf molekularer Ebene. Qualitätsbeeinflussende Störstoffe (wie zum Beispiel Kleber) werden dabei schonend und unter Erhalt der Polymereigenschaften entfernt. „Die recyclierten Kunststoffe aus kontaminierten Gemischen oder Materialverbunden weisen Neuware-Eigenschaften auf“, schreibt das Fraunhofer Institut in einer Beschreibung von CreaSolv®. Dabei kann auch das mittlerweile als giftig eingestufte Brandschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) extrahiert und als Brom wiederverwendet werden. Zwar wird HBCD seit 2015 nicht mehr eingesetzt, im Altbestand ist es jedoch noch vorhanden. Austrotherm Geschäftsführer Gerald Prinzhorn: „Für das WDVS ist der Rückbau und die Wiederverwertung ein nicht unwesentliches Thema. Der Dämmstoff hat den größten Anteil am System und muss deshalb 100 Prozent wieder verwertbar sein. Das verkaufte und wieder zurück genommene Produkt kann nach dem angesprochenen Prozess wieder 1:1 für neue Produkte verwendet werden.“

Bauwirtschaft birgt viel Potenzial

Aber auch an Alternativen zu gängigen Wärmedämmverbundsystemen wird im Sinne der Nachhaltigkeit getüftelt: Ein Fassadendämmsystem gänzlich ohne Kleber, das sich in seinen Hauptbestandteilen recyceln lässt, hat etwa der Hersteller Sto in Kooperation mit der Technischen Universität Graz entwickelt. Beim Rückbau des Systems können die Systembestandteile wieder sortenrein getrennt und der Wiederverwertung zugeführt werden. Denn die Bestandteile werden geklettet statt geklebt. „Diese Technik macht unser neues Fassadendämmsystem StoSystain-R in seinen Hauptbestandteilen weitestgehend recycelbar und wiederverwertbar“, so Walter Wiedenbauer, Geschäftsführer von Sto. „Das ist ein Durchbruch in Sachen Nachhaltigkeit, der die Branche möglicherweise sogar revolutionieren wird.“

Für Greta Sparer, Sprecherin von RepaNet – Re-Use & Reparaturnetzwerk Österreich, sind solche Innovationen begrüßenswert, jedoch noch nicht weitreichend genug: „RepaNet begrüßt grundsätzlich innovative Ansätze für die Kreislaufwirtschaft. Gerade in der Bauwirtschaft ist hier noch viel Potential vorhanden und das Projekt von Fassadendämmung ohne Kleber und mit besserer Trennbarkeit und Recyclingfähigkeit ist vom jetzigen Standpunkt aus eine positive Entwicklung. Der nächste Schritt sollte sein, dass sich Dämmelemente als ganze Wiederverwenden (re-use) lassen, denn beim Recycling geht immer ein Teil der Ressourcen verloren.“

Geschrieben von Karin Bornett

Freie Journalistin und Bloggerin in der Option Community. Technikaffines Labradorfrauchen mit Leidenschaft für Dorfidylle und Faible für urbane Kultur.
www.karinbornett.at

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