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Warnung statt Gütesiegel: Warum Bio kennzeichnen – und nicht umgekehrt Schädliches?

Warum muss „Bio“ gekennzeichnet werden und nicht umgekehrt konventionelle und potentiell schädliche Produkte mit einem Siegel versehen? Option hat mit Expert*innen über die Hintergründe gesprochen.

Warnung statt Gütesiegel Warum Bio kennzeichnen und nicht umgekehrt Schädliches

Es gibt allein im deutschsprachigen Raum laut Global 2000 weit mehr als 1.000 Gütezeichen – „Man kann ohne Übertreibung von einem Gütesiegel-Dschungel sprechen“, sagt Barbara Studeny, Vorstand der Organisation. Hinzu komme, dass eine klare Abgrenzung zwischen Gütesiegel, Label und Marken fehlt. „Gütesiegel versprechen Klarheit, aber erfüllen sie nur selten. Woher soll man auch wissen, ob es ausreichende externe Kontrollen gibt, ein Verbesserungssystem, Transparenz und Fairness entlang der Wertschöpfungskette und ob am Ende das Produkt klimafreundlicher, tierwohlfreundlicher, gesünder und ethischer ist? Dazu müsste man sich mit jedem Gütesiegel eingehend beschäftigen.“

Doch das Unwissen ist nach wie vor groß. So berichtet Studeny von Tests, die das beweisen: „Zwei Kaffeepackungen, beide optisch und preislich gleich, nur eines mit einem erfundenen, gut aussehenden Gütesiegel, das andere Produkt ohne: Die Packung mit Gütesiegel wird in der Testsituation öfter gewählt.“ Auch Willi Luger, Gründer und Geschäftsführer von CulumNatura weiß vom blinden Vertrauen in Gütesiegel zu berichten: „Ich habe vor Jahren einmal testhalber einige Produkte mit einem erfundenen Gütesiegel gekennzeichnet. Daraufhin wurde ich nie wieder gefragt, warum ich kein Gütesiegel habe. Davor bekam ich tagtäglich solche Anfragen. Wofür mein selbst designtes Gütesiegel eigentlich steht, wurde ich aber auch nie gefragt“, erzählt er mit einem Schmunzeln.

Dennoch: Das Thema ist ernst. Und auch Naturkosmetik-Pionier Luger ärgert sich über Gütesiegel und Label mit falschen Versprechen: „Das Austria Bio Gütesiegel ist beispielsweise ein Gütesiegel mit sehr hohen Qualitätsansprüchen und Richtlinien. Wenn nun zum Beispiel Produkte aus dem Ausland das Prädikat „Bio“ tragen, bedeutet das nicht, dass sie die gleichen hohen Ansprüche erfüllen, wie österreichische Produkte mit dem Austria Bio Gütesiegel. Das ist wettbewerbsverzerrend. Eigentlich müssten solche Produkte mit einem Zusatz gekennzeichnet werden, dass sie nicht den heimischen Richtlinien entsprechen.

Studeny sagt: „Es ist tatsächlich so, dass sich viele innovative Unternehmen striktere Vorgaben wünschen, um für ihr Engagement in Richtung nachhaltige Entwicklung unterstützt zu werden. Unternehmen, die zum Beispiel CO2 neutral wirtschaften, weil sie innovative Kreislaufprozesse implementiert haben, empfinden es als eine Farce, wenn sich andere Unternehmen durch den Kauf von billigen CO2 Zertifikaten mit dem gleichen CO2-Neutral Label schmücken dürfen.“

Auf EU-Bio-Label achten

Tatsächlich gibt es nur bei sehr wenigen Gütesiegeln staatliche Regelungen – auf EU-Ebene ist das zum Beispiel das europäische Bio-Zeichen und auf nationaler Ebene das AMA Gütezeichen. „Das EU-Bio-Logo steht dafür, dass bei der Produktion, in der Verarbeitung und im Handel die gesetzlich bindenden Vorgaben der EU-Bio-Verordnung eingehalten werden müssen. Kein anderer Lebensmittel-Bereich ist annähernd streng geregelt wie Bio“, sagt Markus Leithner von Bio Austria. Barbara Studeny erklärt: „Das EU-Biosiegel setzt sich für einen gültigen Mindeststandard für die Bio-Produktion in der gesamten EU ein. Ein Betrieb, der diese Kriterien erfüllt, ist auf jeden Fall schon ganz gut aufgestellt. Natürlich könnte und sollte man hier auch noch weitergehen.

Ein Beispiel: Ein EU-Biobetrieb kann sowohl Bio als auch konventionell produzieren, was die Gefahr der Verwechslung bei der Abpackung erhöht – allerdings nicht in Österreich, hier kann nur der ganze Hof biozertifiziert werden. Auch manche Tierhaltungskriterien sind im EU-Standard schwächer als bei Bio aus Österreich.“ Vorsicht sei laut Leithner geboten bei Begriffen, die mittels blumiger Zuschreibungen den Anschein von Bio erwecken wollen. Etwa: „Aus nachhaltiger/umweltgerechter/naturnaher Produktion“. Weitere oft bemühte Adjektive: „Naturbelassen“ oder „natürlich“. „Hier geht es oft um Greenwashing beziehungsweise um den Versuch, bei den Konsumenten den Eindruck von besonderen Leistungen im Umwelt- oder Tierwohlbereich zu erwecken. Mein Rat: Hände weg und stattdessen zu Bio-Lebensmitteln, erkennbar am grünen EU-Bio-Logo greifen“, so Leithner.

Den Spieß umdrehen

Grundsätzlich sei die Politik auf EU- und nationaler Ebene gefragt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die nachhaltig wirtschaftende Unternehmen bevorzugen, ist Studeny überzeugt. „Dazu gehört in diesem Kontext nicht nur eine strengere Regelung bei Gütesiegeln, sondern auch allgemein bei „Environmental Claims“. In Österreich werden nicht einmal geltende EU-Vorgaben umgesetzt, indem die verbindliche Möglichkeit fehlt, Beschwerden geltend zu machen, da sich der Werberat, der nur ein freiwilliges Gremium der Industrie ist, hier in der Regel seiner Verantwortung nicht nachkommt.“

Statt Bio zu kennzeichnen, sollten doch eigentlich Produkte, die nicht Bio sind, ein Label tragen müssen.“

Willi Luger, Culumnatura

Für Willi Luger leben wir sozusagen in einer verkehrten Welt. „Statt Bio zu kennzeichnen, sollten doch eigentlich Produkte, die nicht Bio sind, ein Label tragen müssen“, meint er. Auch Studeny ist der Meinung: „Die Forderung, alles was nicht nachhaltig ist zu kennzeichnen und externalisierte Kosten wie Verlust an Biodiversität, Umweltverschmutzung und Kosten, die dem Gesundheitssystem entstehen, reinzurechnen, ist nicht neu. Heute werden diese Kosten in der Regel von der Gesellschaft – also uns allen – getragen, wenn zum Beispiel Umweltgifte entfernt oder durch Pestizide verursachte Krankheiten behandelt werden. Hinter diesen Forderungen steckt natürlich eine Umorganisation des Wirtschaftssystems. Viele große Unternehmen, Institutionen und wohlhabende Personen haben ihr Geld aber unter der Annahme investiert, dass alles weiterläuft wie bisher. Tiefgreifende Eingriffe erfordern also viel Mut, selbstlose Perspektiven und Geschick der Politik.“

Uns Konsumenten rät sie: „Kaufen Sie nur, was Sie brauchen, vermeiden Sie Unnötiges und Verschwendung. Das ist die wichtigste Maßnahme und schont das Budget. Kaufen Sie so unverarbeitet, unverpackt, regional, saisonal und Bio, wie es nur geht. Wenn sie weniger Fleisch und tierische Produkte konsumieren, tun Sie sehr viel für den Klimaschutz. Und lassen Sie nach Möglichkeit das Auto stehen und erledigen Sie Ihren Einkauf zu Fuß oder mit dem Rad. So können Sie auch ohne viel auf Siegel zu achten, umweltfreundlicher konsumieren.“

Geschrieben von Karin Bornett

Freie Journalistin und Bloggerin in der Option Community. Technikaffines Labradorfrauchen mit Leidenschaft für Dorfidylle und Faible für urbane Kultur.
www.karinbornett.at

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