Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass das Umweltbewusstsein nur für zehn Prozent der Änderung zu einem klimagerechten Verhalten entscheidend ist.
Im heurigen Sommer haben wieder alle über die Hitze gestöhnt und einige richtiggehend darunter gelitten. Mittlerweile ist den meisten Menschen klar, dass die steigenden Temperaturen mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen. Trotzdem fahren sie mit dem Auto täglich in die Arbeit und fliegen mit dem Flugzeug in den Urlaub. Liegt es am mangelnden Wissen, an fehlenden Anreizen, oder müssen gesetzliche Regelungen her? Kann man das Umweltbewusstsein verändern?
Was es braucht, damit Menschen ihr Verhalten ändern und die Gesellschaft zu umweltfreundlichem Handeln aktiviert wird, davon habe das Fach der Umweltpsychologie im Laufe der vergangenen etwa 45 Jahre unterschiedliche Vorstellungen gehabt, sagt Sebastian Bamberg, Psychologe an der Fachhochschule Bielefeld in Deutschland. Er forscht und unterrichtet seit den 1990er Jahren zu diesem Thema und hat damit schon zwei Phasen der Umweltpsychologie erlebt.
Die erste Phase, so analysiert er, beginnt bereits in den 1970er Jahren. Damals rückten die Folgen der Umweltverschmutzung mit dem Auftreten von Waldschäden, der Diskussion um den Sauren Regen, der Korallenbleiche und der Anti-Atomkraft-Bewegung in das Bewusstsein der Öffentlichkeit.
Umweltbewusstsein verändern: Erkenntnisse zu Verhalten
Damals war man der Meinung, dass die Umweltkrise eine Folge mangelnden Wissens und fehlenden Umweltbewusstseins sei. Sebastian Bamberg: „Die Idee war, wenn die Leute wissen, was das Problem ist, dann verhalten sie sich anders.“ Aufklärungskampagnen seien in deutschen Ministerien auch heute noch sehr beliebte Interventionen, beobachtet der Psychologe. Zahlreiche Forschungsarbeiten in den 1980er und 1990er Jahren haben jedoch gezeigt, dass das Umweltbewusstsein nur für 10 Prozent der Verhaltensänderung entscheidend ist.
„Für uns Psychologen ist das eigentlich nicht erstaunlich“, sagt Sebastian Bamberg, denn Verhalten wird in erster Linie davon bestimmt, welche direkten Konsequenzen es hat. Die Schwierigkeit bei klimaschädlichem Verhalten ist, dass man die Auswirkungen des eigenen Handelns nicht sofort und nicht direkt merkt. Würde es neben mir donnern und blitzen, sobald ich mein Auto anstarrte, wäre das etwas Anderes.
Sebastian Bamberg hat in seiner eigenen Forschungsarbeit jedoch festgestellt, dass bestehendes hohes Umweltbewusstsein eine „positive Brille“ sein kann, durch die man die Welt sieht: Für einen Menschen mit hohem Umweltbewusstsein seien fünf Kilometer Fahrt mit dem Rad zur Arbeit nicht lang, für einen mit geringem Umweltbewusstsein schon.
Umweltbewusstsein verändern – Kosten & Nutzen
Aber wenn Wissen nicht reicht für eine Verhaltensänderung, was dann? In den 1990er Jahren kam man zu dem Schluss, dass die Menschen bessere Anreize bräuchten, um ihr Verhalten zu ändern. Der Konsumstil rückte in den Mittelpunkt des umweltpolitischen Diskurses und damit die Frage, ob umweltfreundlicher Konsum eher auf einer individuellen Kosten-Nutzen-Analyse beruht oder auf moralischen Motiven. Sebastian Bamberg hat das gemeinsam mit Kollegen zur Einführung eines kostenlosen (d.h. im Studienbeitrag eingepreisten) Semestertickets für den Öffentlichen Verkehr in Gießen untersucht.
Der Anteil der Studierenden, die Öffis nutzten, stieg dadurch von 15 auf 36 Prozent, die PKW-Nutzung sank von 46 auf 31 Prozent. Bei einer Befragung gaben die Studierenden an, dass sie auf den öffentlichen Verkehr umgestiegen seien, weil er billiger sei. Das würde für die Kosten-Nutzen-Entscheidung sprechen. Tatsächlich wirkte auch die soziale Norm, das heißt: die Studienkolleginnen und -kollegen erwarten von mir, dass ich mit dem Bus fahre, statt mit dem Auto.
Faktor Gruppenverhalten
Interessant sei, erzählt Psychologe Bamberg, dass die Studierenden vor Einführung des Semestertickets vom AStA, dem Studierendenausschuss, befragt wurden, ob das Ticket eingeführt werden soll. Es habe wochenlange hitzige Debatten darüber gegeben und am Ende stimmten fast zwei Drittel der Studierenden dafür. „Mein Eindruck ist, dass diese Debatte dazu geführt hat, dass die Unterstützung oder Ablehnung des Tickets zu einem Symbol studentischer Identität geworden ist“, schlussfolgert der Umweltpsychologe. Linke, umweltbewusste Gruppen waren dafür, konservative, marktliberale dagegen. Das bedeutet: Für uns als soziale Wesen ist nicht nur wichtig, welchen Nutzen wir von einem Verhalten haben, sondern sehr stark auch, was andere sagen und tun.
Die moralische Komponente
Eine andere Theorie zum Thema Umweltbewusstsein verändern besagt, dass Umweltverhalten eine moralische Entscheidung ist. Also ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mit dem Auto fahre, und ich fühle mich gut, wenn ich mit dem Rad fahre, zu Fuß gehe oder den Öffentlichen Verkehr nütze.
Was ist nun wichtiger, Eigennutz oder Moral? Verschiedene Studien zeigen, dass beides eine unterschiedliche Funktion hat: Moral motiviert, sich zu ändern, Eigennutz verhindert das eher. Das eigentliche Motiv für umweltfreundliches Verhalten sei weder das eine, noch das andere, sondern die persönliche Norm, also welche Art von Mensch ich sein möchte, erklärt Bamberg.
In den vergangenen Jahren ist die Umweltpsychologie aufgrund all dieser Studien zu dem Schluss gekommen, dass für umweltfreundliches Verhalten ein Mix an Motiven entscheidend ist:
Menschen wollen einen hohen persönlichen Nutzen mit den niedrigsten Kosten, aber wir wollen auch kein Schwein sein.
Die bisherigen Modelle würden aber einen weiteren wichtigen Aspekt ignorieren: Es ist für uns extrem schwierig, gewohntes, habitualisiertes Verhalten zu ändern. Wenn ich jeden Tag in der Früh ins Auto steige und in die Arbeit fahre, denke ich gar nicht darüber nach. Wenn dabei kein Problem auftaucht, also ich z.B. nicht täglich im Stau stehe oder die Benzinkosten immens steigen, sehe ich auch keinen Grund, mein Verhalten zu ändern. Das heißt, damit ich mein Verhalten ändere, brauche ich erstens einen Anlass dafür, zweitens brauche ich eine Strategie, wie ich mein Verhalten ändern kann, drittens muss ich erste Schritte setzen, und viertens das neue Verhalten zur Gewohnheit machen.
Dialog vor Information
Wir alle kennen das vermutlich, wenn wir aufhören wollen zu rauchen, abnehmen oder mehr Sport treiben wollen. Ratgeber empfehlen meist, andere mit ins Boot zu holen, also sich mit einer Freundin oder einem Freund zum Sport zu verabreden. Informationsmaterial, etwa über den Klimawandel oder die Vermeidung von Plastik, habe deshalb null Effekt auf das Umweltverhalten, so Bamberg. Der Dialog sei wirkungsvoller.
Ein immer wieder diskutiertes Thema ist auch, was der oder die Einzelne tun könne und wie weit Strukturen verändert werden müssten. Die Umweltpsychologie beschäftigt sich deshalb aktuell damit, wie kollektives Handeln gesellschaftliche Rahmenbedingungen für nachhaltige Produktions- und Konsummuster schaffen kann. Das heißt:
Wir müssen die Strukturen selbst ändern, statt auf die Politik zu warten – aber nicht alleine.
Ein gutes Beispiel dafür sind sogenannte Transition Towns, in denen Bewohnerinnen und Bewohner gemeinsam auf vielen Ebenen persönliches und gesellschaftliches Verhalten ändern und damit auf die kommunale Politik wirken.
Zurück zum Umweltbewusstsein verändern und zur Rolle des Verkehrs dabei. Wie kann man also Menschen dazu motivieren, für den täglichen Weg zur Arbeit vom Auto aufs Rad umzusteigen? Alec Hager und seine „radvokaten“ zeigen es vor. Seit dem Jahr 2011 leitet er die Kampagne „Österreich radelt zur Arbeit“, an der aktuell 3.241 Firmen mit 6.258 Teams und 18.237 Personen teilnehmen. Mehr als 4,6 Millionen Kilometer wurden heuer bereits zurückgelegt und damit 734.143 Kilogramm CO2 eingespart.
Alec Hager hat die Idee für die Kampagne aus Dänemark, Deutschland und der Schweiz übernommen und für Österreich adaptiert. So wurde z.B. das Radel-Lotto eingeführt, bei dem man an jedem Werktag im Mai etwas gewinnen kann, wenn man mit dem Rad unterwegs ist. Was ist das Erfolgsrezept von „Radelt zur Arbeit“? Alec Hager: „Es sind drei Elemente: Das Gewinnspiel, dann das Spielerische, wer die meisten Kilometer und Tage zusammenbringt, und die Multiplikatoren in den Betrieben, die ihre Kollegen überreden, mitzumachen.“