Österreich sieht sich gerne als moderne Demokratie. Doch was den Umgang mit öffentlichen Informationen betrifft, ist es ein Spätzünder. Es ist gemeinsam mit Luxemburg das einzige Land der alten EU, das noch über kein modernes Informationsfreiheitsgesetz verfügt und EU-weit das einzige, in dem das Amtsgeheimnis noch in der Verfassung steht.
Haben Sie sich nicht auch schon mal gefragt, auf welcher Grundlage in Österreich politische Entscheidungen überhaupt getroffen werden? Welche Betriebe in Österreich subventioniert werden oder in welche Länder österreichische Unternehmen welche Waffen exportieren? Warum der Gemeinderat gerade den Ausbau einer Gokartbahn beschlossen hat? Mit wem Behörden in unserem Namen Verträge abschließen und wie diese ausgestaltet sind? Welche Studien von öffentlicher Hand beauftragt wurden und welche Erkenntnisse sie offenbaren? Leider sind all dies Fragen, auf die man – zumindest hierzulande – keine Antwort bekommt.
Als Menschen, die das Weltgeschehen mehr oder weniger aufmerksam verfolgen, sind wir dennoch durchaus froh, in einem Land zu leben, in dem man sein Gehalt pünktlich überwiesen bekommt, gutes Wasser aus der Leitung sprudelt und man letztendlich doch immer wieder einen Parkplatz findet. Bei all den Annehmlichkeiten, die das Leben hier – zumindest für die meisten – mit sich bringt, merken wir gar nicht, dass wir inmitten einer Zensur leben. Denn Antworten bekommen wir nur, wenn sie politisch wünschenswert oder zumindest nicht heikel sind.
Überblick Transparenz – Transparenz-Gesetze sind wohlgemerkt nichts Neues. Als erstes Land hatte Schweden bereits 1766 ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet, das jedoch weitgehend dadurch motiviert war, dass das Parlament mehr Transparenz vom König einforderte. Danach folgten Finnland im Jahr 1951, 1966 die Vereinigten Staaten und 1970 Norwegen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und einer starken zivilgesellschaftlichen Emanzipationsbewegung bekam dieser Trend einen weiteren Schwung. Angesichts beispielloser Korruptionsaffären und der drängenden Aufarbeitung ihrer kommunistischen Vergangenheit forderten die Bürger von ihren Regierungen mehr Transparenz. Zwischen den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren verabschiedeten weitere 25 zentral- und osteuropäische Länder Transparenz-Gesetze, die aus bürgerrechtlicher Sicht heute internationale Vorbildwirkung haben. Dieser mittlerweile globale Trend zu mehr Transparenz in der Verwaltung kann sich sehen lassen: Die Anzahl der weltweit verabschiedeten Transparenz-Gesetze hat sich seit dem Jahr 2002 mehr als verdoppelt und erfasst mittlerweile drei Viertel der Weltbevölkerung.
Die geheime Bürokratie
Österreich verfügt zwar über ein verfassungsmäßiges Auskunftspflichtgesetz, wonach alle öffentlichen Stellen „über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen haben“, doch wird dies vom Spezifikum des Amtsgeheimnisses gleichzeitig ad absurdum geführt.
Demnach sind nämlich öffentliche Bedienstete „zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet“, wenn deren Geheimhaltung im Interesse der öffentlichen Ordnung, nationalen Sicherheit, auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer öffentlichen Körperschaft, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im Interesse einer Partei sind. Sofern gesetzlich nicht anders bestimmt, versteht sich. Die Amtsverschwiegenheit ist als leitender Grundsatz der hiesigen Bürokratie konstituiert und bildet für interessierte Bürger eine undurchdringliche Mauer und für politische Akteure einen Schutzschild der Verschwiegenheit. Dadurch ist es in Österreich auch möglich, über Jahre hinweg Informationen über dubiose Gegengeschäfte, verfehlte Bankenverstaatlichungen und öffentliche Haftungen „öffentlich geheim zu halten“ und den Bürgern dafür dennoch eine Rechnung in Milliardenhöhe zu präsentieren. Laut Josef Barth, dem Gründer des österreichischen Forums Informationsfreiheit (FOI), „haben die in den letzten Jahren publik gewordenen Korruptionsskandale gezeigt, dass sie zu einem Gutteil nur möglich waren, weil die Handlungen der Verwaltung nicht transparent und sie somit der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen waren“.
„Die in den letzten Jahren publik gewordenen Korruptionsskandale haben gezeigt, dass sie zu einem Gutteil nur möglich waren, weil die Handlungen der Verwaltung nicht transparent und sie somit der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen waren.“
Josef Barth, österreichisches Forum Informationsfreiheit (FOI)
Transparenz: Freiheit für die Information!
Angesichts weltweit grassierender Korruptionsaffären, Steuerverschwendungen und generellem Misstrauen gegenüber Politik und Bürokratie wird die zivilgesellschaftliche Forderung nach einer offenen, transparenten Verwaltung immer lauter. Mittlerweile hat diesen Ruf knapp die Hälfte aller Staaten weltweit erhört und Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet, die es ihren Bürgern ermöglichen, Dokumente und Akten der öffentlichen Verwaltung einzusehen.
Die regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen, die beim Europarat und der UNESCO-Beobachterstatus genießt, schreibt dazu: „Informationen sind der erste Schritt zu Veränderungen – deshalb fürchten nicht nur autoritäre Regierungen eine freie und unabhängige Berichterstattung. Wo Medien nicht über Unrecht, Machtmissbrauch oder Korruption berichten können, findet auch keine öffentliche Kontrolle statt, keine freie Meinungsbildung und kein friedlicher Ausgleich von Interessen.“
Informationsfreiheit ist das Recht der Bürger zur Einsicht in Dokumente und Akten der öffentlichen Verwaltung. Sie holt politisches und bürokratisches Handeln aus dem Verborgenen und verpflichtet Politik und Verwaltung zur Rechenschaft gegenüber ihren Bürgern. Das Recht auf Information ist mittlerweile auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert und wird vom Europäischen Gerichtshof und vom UNO-Menschenrechtsausschuss als solches anerkannt. Nicht zuletzt da es die Wahrung weiterer Grundrechte, wie etwa der Meinungs- und Pressefreiheit oder der politischen Mitbestimmung, überhaupt erst ermöglicht.
Gemeinsam mit der in Spanien ansässigen Menschenrechtsorganisation Access Info Europe (AIE) erstellt das kanadische Centre for Law and Democracy regelmäßig ein globales Länderranking (Right To Information Ranking). Darin werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit öffentlichen Informationen analysiert und bewertet. Österreich bildet in diesem Ranking das Schlusslicht der 95 weltweit untersuchten Staaten.
Transparenz: Österreich ist anders
In Österreich stellt sich die Lage etwas anders dar. Wir sind neben Estland, Luxemburg und Zypern das einzige Land in der EU, das noch kein modernes Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet hat, und zudem das einzige, in dem das Amtsgeheimnis noch in der Verfassung verankert ist. Gemeinsam mit der spanischen Menschenrechtsorganisation Access Info Europe (AIE) erstellt das kanadische Centre for Law and Democracy regelmäßig ein globales Länderranking (Right To Information Ranking). Darin werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit öffentlichen Informationen analysiert und bewertet. Österreich bildet in diesem Ranking das Schlusslicht der 95 weltweit untersuchten Staaten.
Toby Mendel, Geschäftsführer des Centre for Law and Democracy, Autor zahlreicher Studien und Herausgeber des Rankings, stellt gleichzeitig fest: „Es gibt Länder, die gute Transparenz-Gesetze haben, sie jedoch nicht implementieren, und andere, die mittelmäßige Gesetze haben, ihre Verwaltung aber dennoch einen guten Job macht. Die USA beispielsweise haben ein mittelmäßiges Transparenz-Gesetz, genießen jedoch eine beachtliche Informationsfreiheit. Äthiopien wiederum hat ein gutes Transparenz-Gesetz, das aber nicht implementiert wird. Österreich ist ein Grenzfall. Es scheint mit seinem Informationsgesetz irgendwie davonzukommen.“
„Es gibt Länder, die gute Transparenz-Gesetze haben, sie jedoch nicht implementieren, und andere, die mittelmäßige Gesetze haben, ihre Verwaltung aber dennoch einen guten Job macht. Österreich ist ein Grenzfall. Es scheint mit seinem Informationsgesetz irgendwie davonzukommen.“
Toby Mendel, Centre for Law and Democracy
Diesem Missstand konnte auch die 2008 verabschiedete Konvention des Europarats über den Zugang zu amtlichen Dokumenten keine Abhilfe verschaffen. Darin haben sich 47 europäische Außenminister und Entsandte der europäischen Parlamente darauf geeinigt, die „Integrität, Effizienz, Effektivität, Rechenschaftspflicht und Legitimität der öffentlichen Verwaltungen zu stärken“, indem sie ihren Bürgern das Recht einräumen, Einsicht in amtliche Dokumente zu erhalten.
Der Aufschrei der Neugierigen
Die Zeichen der Zeit erfolgreich ignorierend, ließ die österreichische Bundesregierung im Juni dieses Jahres sogar durch die Ankündigung eines Verwertungsverbots für als geheim eingestufte öffentliche Unterlagen aufhorchen. Es sollte die mediale Verwertung von geheimen öffentlichen Unterlagen, auch wenn diese den Medien anonym zugespielt würden, unter Strafe stellen. Die Proteste gegen dieses Vorhaben ließen nicht auf sich warten und waren erstaunlich wirkungsvoll. Alle österreichischen Journalistenvereinigungen reagierten mit einer gemeinsamen Aussendung und zahlreichen Stellungnahmen und forderten vehement die Abschaffung des österreichischen Amtsgeheimnisses und ein modernes Informationsgesetz nach dem Prinzip „Auskunft soll die Regel sein und Geheimhaltung die Ausnahme“. Kritik hagelte es auch vonseiten des ehemaligen Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler („eine Radikalmaßnahme, die einen Rückschritt ins 19. Jahrhundert darstellt“), von Verfassungsjurist Heinz Mayer („Einschränkung der Pressefreiheit“), der Vereinigung der Parlamentsredakteure („Einschränkung der Berichterstattung aus dem Parlament“) und nicht zuletzt vonseiten der Opposition.
Einen kräftigen medialen Schub verlieh das Thema dem Forum Informationsfreiheit (FOI), das sich um den ehemaligen Profil-Redakteur Josef Barth formiert hat. Das FOI sieht sich als „Watchdog der Informationsfreiheit“ in Österreich und betreibt die Bewusstseins- und Informationskampagnen transparenzgesetz.at und fragdenstaat.at. Erstere wurde 2013 sogar mit dem Concordia-Preis für Pressefreiheit ausgezeichnet. Aus Sicht des FOI ist ein modernes Informationsfreiheitsgesetz vor allem aus fünf Gründen unerlässlich: Es erschwert Korruption, beugt Steuerverschwendung vor, stärkt das Vertrauen in die Politik, vereinfacht und beschleunigt Verwaltungsabläufe und erleichtert Mitbestimmung.
Die Kampagnen zeigten erstaunliche Wirkung. Nach einer Woche war das Verwertungsverbot vom Tisch. Klubchef Andreas Schieder (SPÖ) verkündete einen Verzicht darauf und ein Sprecher von Klubchef Reinhold Lopatka (ÖVP) meinte, die Affäre sei „ein Missverständnis“ gewesen.
Das Quasi-Informationsfreiheitsgesetz
Der bereits im Vorjahr aufgebaute mediale und öffentliche Druck veranlasste die Regierung zu Jahresbeginn immerhin, einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Amtsgeheimnisses in Begutachtung zu schicken. Dieser soll auch die Auskunftsplicht öffentlicher Stellen neu regeln. Er sieht eine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse sowie ein verfassungsmäßiges Recht auf Zugang zu öffentlichen Informationen vor. Unter Informationen von allgemeinem Interesse fallen insbesondere allgemeine Weisungen (Erlässe), Statistiken, Gutachten und Studien, die von den öffentlichen Organen erstellt oder in Auftrag gegeben werden, Tätigkeitsberichte, Geschäftseinteilungen, Geschäftsordnungen, Kanzleiordnungen u. a. Diese Informationen sollen in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise – und zwar ohne konkretes Ansuchen – veröffentlicht werden. Aus der „Holschuld“ der Bürger soll eine „Bringschuld“ der Verwaltung werden. Nicht zuletzt umfasst dieser Entwurf nicht nur staatliche Organe, sondern auch Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen.
Doch gibt es in diesem Gesetzesentwurf umfassende Ausnahmeregelungen: Informationen, deren Geheimhaltung aus außen- und integrationspolitischen Gründen, im Interesse der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, zur Vorbereitung einer Entscheidung, im wirtschaftlichen Interesse einer Gebietskörperschaft, aus Datenschutzgründen sowie Informationen, die „zur Wahrung anderer gleich wichtiger öffentlicher Interessen durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich angeordnet ist“, sollen von der Informationspflicht ausgenommen sein. Was auch immer das bedeuten mag.
„Für uns ergibt sich die ernste Sorge, dass es anstelle der zum Ziel erklärten Transparenz zu einer Ausweitung des Amtsgeheimnisses kommt. Denn an Ausnahmen hat das Gesetz wahrlich keinen Mangel … Es bleibt offen, ob am Ende mit mehr Transparenz oder mit mehr Intransparenz zu rechnen ist.“
Gerald Grünberger, Verband der Österreichischen Zeitungen VÖZ, zum Gesetzesentwurf
Die insgesamt 61 Stellungnahmen, die vonseiten diverser Landesregierungen, Ministerien, staatlicher Institutionen und Unternehmen, Interessenverbänden und Gebietskörperschaften eingebracht wurden, legen den Schluss nahe, dass dieses Gesetz so bald nicht verabschiedet wird. Trotz des grundsätzlich positiven Tenors gegenüber der angestrebten Informationsfreiheit wurden vielfältige Kritikpunkte und Problembereiche hervorgehoben.
Während der Verwaltungsgerichtshof den Schutz von laufenden Verfahren, der beteiligten Personen und der richterlichen Tätigkeit bedroht sieht, sieht der ORF-Redaktionsrat vor allem das Redaktionsgeheimnis in Gefahr und die Datenschutzbehörde eben den Datenschutz. Die ÖBB Holding setzt den Gesetzesentwurf „einer Abschaffung des Datenschutzes für offenlegungspflichtige Unternehmen“ gleich, wohingegen die Bundeswettbewerbsbehörde kritisiert, dass gar keine deutliche Erweiterung der Informationsfreiheit zu erkennen sei. Generell befürchten staatliche Unternehmen einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber nicht staatlichen Unternehmen und Verwaltungsbehörden einen erheblichen personellen und finanziellen Mehraufwand.
Besonders harsche Kritik kam vom Verband der Österreichischen Zeitungen (VÖZ): „Für uns ergibt sich die ernste Sorge, dass es anstelle der zum Ziel erklärten Transparenz zu einer Ausweitung des Amtsgeheimnisses kommt. Denn an Ausnahmen hat das Gesetz wahrlich keinen Mangel … Es bleibt offen, ob am Ende mit mehr Transparenz oder mit mehr Intransparenz zu rechnen ist“, so VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger.
„Es ist wirklich höchste Zeit, dass Österreich mit dem Rest Europas aufholt!“
Helen Darbishire, Think Tanks Access Info Europe
International ist woanders
Während hierzulande das Transparenz-Gesetz scheinbar erst neu erfunden werden muss, haben sich international bereits klare Standards hinsichtlich seiner Ausformulierung und Umsetzung herausgebildet. Diese basieren etwa auf der Konvention des Europarats über den Zugang zu amtlichen Dokumenten, dem UN-Menschenrechtskomitee, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EUGH), auf Stellungnahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und nicht zuletzt den Erfahrungen von knapp hundert Staaten, die von internationalen Think Tanks systematisch aufgearbeitet werden. Diese geballte Expertise scheint für den österreichischen Gesetzgeber schlichtweg nicht relevant zu sein. Helen Darbishire, Geschäftsführerin des in Madrid ansässigen Think Tanks Access Info Europe, sieht die wesentlichen Elemente eines Transparenz-Gesetzes darin, dass alle Informationen der öffentlichen Verwaltung grundsätzlich öffentlich sind und die Regierung gleichzeitig eine beschränkte Anzahl an gut begründeten Ausnahmen formuliert. Zudem sollte ein starker und mit Ressourcen gut ausgestatteter Informationsbeauftragter die Umsetzung des Gesetzes überwachen und öffentliche Beschwerden rasch und kostenlos bearbeiten. „Es ist wirklich höchste Zeit, dass Österreich mit dem Rest Europas aufholt!“, so Darbishire.
„Einzelne Personen in der Verwaltung sahen die Sache sehr kompliziert und befürchteten, dass Hamburg nicht mehr regierbar sein würde. Aber erstaunlicherweise waren die meisten froh, endlich eine klare Handhabe zu haben, sich nicht mehr verstecken zu müssen, dass endlich offene Diskussionen stattfinden konnten und sichtbar wurde, was sie eigentlich tun.“
Daniel Lentfer, Initiative „Mehr Demokratie Hamburg“ zum Vorbildgesetz Hamburg
Vorbild Hamburg
Das Hamburgische Transparenz-Gesetz, das oft und gerne als Vorbild für Österreich herangezogen wird, beinhaltet u.a. drei Kernelemente: eine Veröffentlichungspflicht von Behörden für geschlossene Verträge, eingekaufte Gutachten und Ähnlichem; die Schaffung eines zentralen Informationsregisters, in dem Berichte und Dokumente der öffentlichen Verwaltung veröffentlicht werden, und drittens die Schaffung eines zentralen Informationsbeauftragten, der die Einhaltung von Informationsfreiheit und Datenschutz überwacht und Anlaufstelle für die Informationsanliegen der Bürger ist. Das hamburgische Transparenz-Gesetz umfasst zahlreiche öffentliche Dokumente, die hierzulande Verschlusssache sind. Daniel Lentfer ist Mitinitiator der Bürgerinitiative „Mehr Demokratie Hamburg“, die das hamburgische Transparenz-Gesetz initiiert und mitgestaltet hat. Aus seiner Sicht ist es unerlässlich, „dass Informationen unabhängig davon veröffentlicht werden, ob sie gerade politisch wünschenswert sind oder nicht. Nur so können Regierungen wieder Vertrauen aufbauen.“ Auf die Frage, wie die Hamburger Initiative mit Vorbehalten der Verwaltung umgegangen ist, bemerkt Lentfer: „Einzelne Personen in der Verwaltung sahen die Sache sehr kompliziert und befürchteten, dass Hamburg nicht mehr regierbar sein würde. Aber erstaunlicherweise waren die meisten froh, endlich eine klare Handhabe zu haben, sich nicht mehr verstecken zu müssen, dass endlich offene Diskussionen stattfinden konnten und sichtbar wurde, was sie eigentlich tun.“ Nicht zuletzt verfolgte die Verwaltung das Ziel, „das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen und dass die Menschen verstehen, wie Verwaltung funktioniert.“
Wenn Bürokratie aus dem Ruder läuft
Welche Auswirkungen es haben kann, wenn die Öffentlichkeit von politischen und bürokratischen Vorgängen systematisch abgeschirmt wird, zeigen uns aktuell die umstrittenen Verhandlungen der Europäischen Kommission mit Kanada beziehungsweise den USA über die Transatlantischen Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Dabei wird uns gerade vorgeführt, wie hinter verschlossenen Türen demokratische, ökologische und sozialrechtliche Errungenschaften Konzerninteressen geopfert werden und sich die Politik durch Investorenschutzklauseln, Schiedsgerichte und Regulierungsräte bereitwillig kastrieren lässt. Und dies trotz des heftigen Widerstandes einer beispiellosen zivilgesellschaftlichen Allianz von rund 250 Nichtregierungsorganisationen (stop-ttip.org), zahlreichen Oppositionsparteien und auch breiter Bevölkerungsschichten.
All das ist nur möglich, weil die Öffentlichkeit keinen Zugang zu den Verhandlungsdokumenten hat. Wären Informationen, welche „die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaats“ beeinträchtigen, von der Informationsfreiheit nicht ausgenommen, könnten wir die Verhandlungen live mitverfolgen und rechtzeitig reagieren. Und zwar nicht erst dann, wenn die EU-Mitgliedsstaaten bereits an die 1200 bilaterale Investitionsschutzverträge mit Drittstaaten abgeschlossen haben und Deutschland bereits wegen seines Atomausstiegs geklagt wird. Laut Alexandra Strickner, Obfrau von attac Österreich, birgt das TTIP eine enorme Gefahr für die Demokratie. Sie erwartet eine Flutwelle an Klagen US-amerikanischer, aber auch europäischer Konzerne, mit denen sich nationale Gerichte und Staatskassen befassen werden müssen. „Sollte diesen Klagen im vorgesehenen Schiedsgericht entsprochen werden, müssen öffentliche Gelder für potenziell entgangene Unternehmensgewinne herhalten.“ Eine weitere Gefahr sieht Strickner im angestrebten „Rat für Regulatorische Kooperation“. Künftige Gesetze sollen den durchgesickerten Verhandlungsdokumenten zufolge in diesem transatlantischen Rat konsultiert werden, bevor sie überhaupt die nationalen Parlamente erreichen. „Somit erlangen Konzerne einen privilegierten Zugang zur Gesetzgebung und können Gesetze mitunter auch verhindern. Demokratie wird dadurch ad absurdum geführt.“ Wie sich eine gestartete EU-Bürgerinitiative gegen die Abkommen auswirkt, bleibt abzuwarten.