Das EU-Parlament hat heute mit überwältigender Mehrheit (560 Ja-, 43 Nein-Stimmen und 27 Enthaltungen) für den Ausstieg der EU aus dem Energiecharta-Vertrag (ECT) gestimmt. Damit steht die EU unmittelbar davor, aus diesem hochproblematischen Vertrag auszusteigen. Der Austritt muss nun noch final vom Europäischen Rat bestätigt werden, der voraussichtlich im Mai darüber abstimmen wird. Die Zustimmung gilt als sicher.
Mit EU-Klimazielen und Pariser Klimaabkommen nicht kompatibel
Der Energiecharta-Vertrag gibt fossilen Konzernen die Macht, Staaten mittels einer Paralleljustiz auf Milliarden zu verklagen, wenn neue Gesetze zum Klimaschutz ihre Profite bedrohen (1). Der Vertrag schränkt damit den demokratischen Handlungsspielraum für mehr Klimaschutz ein und gefährdet die Energiewende. Da er mit den EU-Klimazielen und dem Pariser Klimaabkommen nicht kompatibel ist, haben in den letzten beiden Jahren schon elf Staaten den Ausstieg aus dem ECT angekündigt oder bereits vollzogen. (2)
Bleibt Österreich in einem veralteten und gefährlichen Vertrag?
Für Attac Österreich ist die heutige Entscheidung des EU-Parlaments ein großer Erfolg und das Ergebnis jahrelanger Überzeugungsarbeit durch die internationale Zivilgesellschaft. Die EU müsse jetzt dafür sorgen, Klagen via Paralleljustiz auch in anderen Investitionsabkommen auszuschließen.
Attac kritisiert jedoch Österreichs Wirtschaftsminister Martin Kocher, der – im Gegensatz zu Klimaschutzministerin Leonore Gewessler – bislang weiter am Verbleib Österreichs im ECT festhält. „Es ist dringend nötig, dass Wirtschaftsminister Kocher endlich dem Ausstieg aus diesem Klimakiller-Vertrag zustimmt. Ansonsten bleibt Österreich in einem veralteten und gefährlichen Vertrag – und zwar auf Kosten des Klimaschutzes und der Steuerzahler*innen“, erklärt Theresa Kofler von Attac Österreich.
Was wurde heute abgestimmt und wie geht es weiter?
Bei der heutigen Entscheidung ging es um einen Vorschlag der EU-Kommission, wonach die EU-Institutionen und EURATOM aus dem Vertrag über die Energiecharta austreten sollen. Die Kommission ist der Ansicht, dass der ECT nicht mit der Rechtsordnung der EU, ihrer Investitionspolitik und ihrem Recht sowie ihren Energie- und Klimazielen vereinbar ist. Der Kommissions-Vorschlag durchbrach eine monatelange Blockade, da er den EU-Mitgliedstaaten die Option offenlässt, im Vertrag zu bleiben, während er für andere (und für die EU als Ganzes) einen geordneten Ausstieg ermöglicht.
Bestehende Investitionen sind unter dem Energiecharta-Vertrag 20 Jahre nach dem Austritt weiter geschützt. Die EU verhandelt jedoch derzeit ein Abkommen, um diese Möglichkeit einzuschränken.
(1) Einige Beispiele:
- Im Jahr 2021 verlangten die deutschen Kohleunternehmen RWE und Uniper von der niederländischen Regierung 2,4 Milliarden Euro Schadenersatz wegen der Frist für den Kohleausstieg bis 2030. Beide Verfahren wurden inzwischen eingestellt.
- Im Jahr 2022 erhielt das britische Ölunternehmen Rockhopper gemäß dem Energiecharta-Vertrag 190 Millionen Euro plus Zinsen zugesprochen, nachdem Italien Offshore-Bohrungen verboten hatte.
- Im November letzten Jahres verklagte die Ölgesellschaft Klesch Group Holdings Limited die EU, Deutschland und Dänemark auf mindestens 95 Millionen Euro wegen der Übergewinnsteuern im Energiesektor.
- Die schweizerische Energiefirma AET startete im Oktober ein Verfahren gegen den deutschen Steinkohleausstieg.
(2) Spanien, Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Slowenien, Polen, Luxemburg, Dänemark, Irland, Portugal und Großbritannien. Italien stieg bereits 2016 aus dem Vertrag aus.