„Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind“, meinte schon Politiker und Friedens-Nobelpreisträger Aristide Briand. Demzufolge erreicht die heimische Politik laufend ein neues Niveau. Bitte nicht falsch verstehen: Freilich braucht es Kompromisse. Doch am Kompromiss als pauschalen Grundsatz festzuhalten, halte ich für denkbar falsch.
Erstens gilt es zu unterscheiden, wo ein Mittelweg gesucht wird: am Weg oder beim Ziel. Ein Beispiel: Dass in Sachen Energieeffizienz und Ökologie diskutiert wird, welche Mittel, Maßnahmen und Zeithorizonte eine vernünftige Strategie gegen den fortschreitenden Klimawandel ergeben, ist verständlich und legitim. An den Zielen – etwa dem möglichst raschen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern – zu rütteln, erscheint im Jahr 2016 einfach nur noch absurd.
Zweitens hat alles seine Grenzen. Eine davon nennt sich Vernunft. Denn wenn sich herausstellt, dass nicht nur Detailfragen sondern auch notwendige Ziele durch opportunistische Einflüsterer, sprich: Lobbyisten, verwässert werden, ist Schluss mit lustig – und der Kompromissbereitschaft.
Ein Vergleich: Politisch unkorrekte Postings von verirrten Mitbürgern in den Sozialen Netzen werden inzwischen als Volksverhetzung einzustufen, und zu Recht geahndet. Wenn sich aber ganze Wirtschaftszweige aus reinem Eigennutz gegen nicht nur volkswirtschaftliche, sondern sogar globale, existenzielle Interessen wie dem Klimaschutz stemmen, soll das erlaubt sein? Kann man da noch von vernünftigen Kompromissen sprechen?
In einer Zeit, die zusehends von neuen Ideen und Innovationen getragen wird, ist es schon befremdlich, dass staatstragende Bereiche – allen voran Politik und Wirtschaft – den Anstrich eines 70er-Jahre-Plattenbaus tragen. Es ginge auch anders: Ein Kompromiss muss nicht eine Lösung sein, mit der alle Beteiligten nur geradeso zufrieden sind, es kann auch eine völlig neue Idee sein, von der hoffentlich alle Beteiligten begeistert sind. Heute sind mehr denn je Konstruktivität und Vorstellungskraft gefragt – auch wenn manche gerne im Gestern bleiben möchten.