„Es geht nicht darum, was mit den Gewinnen gemacht wird, sondern wie die Gewinne erzielt werden: umweltverträglich, sozial verantwortlich und zugleich ökonomisch erfolgreich“
Dirk Lippold, Humbold Universität, zu nachhaltig wirtschaften
Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsrisiken lässt sich spätestens seit der UN Klimarahmenkonvention 1992 nicht mehr leugnen, als sich 154 Staaten in New York dazu verpflichtet haben die globale Erwärmung zu verlangsamen und ihre Folgen zu mildern. An Brisanz hat der drohende Klimawandel seitdem leider nichts verloren. Ebenso wenig wie weitere ökologische, gesellschaftliche und gesundheitliche Schäden die das Unternehmertum gerne hinterlässt. Heute betrachten selbst weltweit führende Unternehmen ökologische und soziale Risiken als die größten Herausforderungen unserer Zeit.
Heilige Dreifaltigkeit der Nachhaltigkeit
Nicht weiter verwunderlich also, dass Unternehmen für die unerwünschten Nebenwirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zunehmend zur Verantwortung gezogen werden. Konkret bedeutet es, dass sie „für ihre Produkte oder Dienstleistungen die Verantwortung tragen, die Verbraucher über deren Eigenschaften informieren und sich für eine nachhaltige Produktionsweise entscheiden“ – so werden nachhaltige Unternehmen etwa von der Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands definiert. Daniela Knieling, Geschäftsführerin von respACT, einer österreichischen Unternehmensplattform für verantwortungsvolles Wirtschaften, sieht die Rolle nachhaltiger Unternehmen noch ein Stück ambitionierter. Ihr zufolge tragen „nachhaltige Unternehmen mit ihrer Geschäftstätigkeit zur Lösung realer ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Probleme bei. Dazu gehört die bestmögliche Verringerung des ökologischen Fußabdruckes genauso wie die Vermeidung negativer sozialer Auswirkungen“.
Wo genau unternehmerische Verantwortung beginnt und wo sie endet, darüber wird seit Jahrzehnten öffentlich debattiert, und das wird wohl auch weiterhin so bleiben. Denn das Verständnis von Nachhaltigkeit ist auch stets dem Wandel der Zeit unterworfen. Während Unternehmen in den 1990er Jahren hinsichtlich ihrer Wasser- und Luftverschmutzung in die Pflicht genommen wurden, so stehen heute ihre Treibhausgasemissionen und ihr Energieverbrauch im Fokus, ebenso wie ihre Lieferketten.
Nachhaltig wirtschaften: Für jeden etwas anderes
Nachhaltigkeit bedeutet auch für jedes Unternehmen etwas anderes. Während sich ein Spielzeughersteller über die Produktionsbedingungen seiner Lieferanten und die Verträglichkeit der eingesetzten Materialien Gedanken machen wird, so liegt der Fokus eines Lebensmittelherstellers auf dem Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngermitteln oder artegerechter Tierhaltung. Branchenspezifisch, also.
Wesentlich dabei ist jedoch, dass Nachhaltigkeit das Kerngeschäft des Unternehmens betrifft: „Es handelt sich dabei um keine zusätzliche Aktivität, sondern eine Art Denkhaltung, das Kerngeschäft zu betreiben: Es geht nicht darum, was mit den Gewinnen gemacht wird, sondern wie die Gewinne erzielt werden: umweltverträglich, sozial verantwortlich und zugleich ökonomisch erfolgreich“, so Professor Dirk Lippold von der Humbold Universität. Damit sind auch schon die drei Säulen der Nachhaltigkeit benannt: ökonomische, soziale und ökologische Verantwortung.
Auch Florian Heiler, Geschäftsführer von plenum, Gesellschaft für nachhaltige Entwicklung GmbH erkennt ein nachhaltiges Unternehmen daran, dass es tatsächlich nachhaltig wirtschaftet und nicht lediglich eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt. Zudem versteht er Nachhaltigkeit als Entwicklungspfad: „Wenn Nachhaltigkeit den Führungskräften ein echtes Anliegen ist, das Unternehmen hinsichtlich seiner ökologischen und sozialen Einflüsse ehrliche Transparenz schafft und die betroffenen Stakeholder einbindet, dann ist es auf dem richtigen Weg“, so Heiler.
Obwohl das nachhaltige Engagement eines jeden Unternehmens anders ausgeprägt sein mag, gibt es mittlerweile weltweit etablierte Standards über die wichtigsten Aktivitätsfelder. Diese sogenannten GRI-Standards sind auch gleichzeitig das führendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung der Global Reporting Initiative (GRI).
Nicht nur Image
Nachhaltige Unternehmensführung ist jedoch bei weitem kein rein philanthropisches Ziel. Die Unternehmensberater von Ernst & Young sehen sie auch für den wirtschaftlichen Erfolg und die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens von erheblicher Bedeutung, denn Nachhaltigkeit „wirkt sich nicht nur positiv auf die Reputation eines Unternehmens aus, sie ist auch für die Beziehungen zu Kunden, (potentiellen) Mitarbeitern und Investoren äußerst wichtig“. Nach Ansicht von Stephan Scholtissek, Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Accenture, hängt davon letztendlich die Zukunftstauglichkeit jedes Unternehmens ab, denn auf Dauer bleibe „nur wettbewerbsfähig, wer Nachhaltigkeit zum Bestandteil seines Kerngeschäftes macht“.
Share- UND Stakeholder
Heute erwarten Konsumenten wie Investoren von Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften. Bei Konsumenten zeigt sich dies etwa sehr gut in der Lebensmittelindustrie. Das Interesse an Bio-Lebensmitteln steigt in Österreich seit Jahren sukzessive an. Damit steigen auch der Umsatz der Unternehmen, ebenso wie der Anteil an biologisch bewirtschafteten Flächen und Betrieben. Heute werden immerhin über 23 Prozent der österreichischen Agrarflächen für ökologische Landwirtschaft genutzt. EU-weit ein Spitzenwert.
Nicht zu unterschätzen ist aber auch der Einfluss von Investoren. Während Aktionäre oft als größtes Hindernis für nachhaltiges Wirtschaften galten, so sind sie heute mitunter eine treibende Kraft. Seit der Jahrtausendwende sind in den USA wie in Europa hunderte Investmentfonds entstanden, die sich auf nachhaltige Unternehmen spezialisieren diese bewerten, ranken und mit Kapital versehen. Das Investitionsvolumen in nachhaltige Unternehmen wird von der in New York ansässigen Forschungs- und Beratungsfirma Impactinvesting LLC für das vergangene Jahr auf 76 Milliarden US-Dollar geschätzt – Tendenz steigend. Dabei ist Europa mit 85 Prozent des globalen nachhaltigen Investitionsvolumens das Gravitationszentrum dieser Entwicklung. Investoren erwarten aber auch eine umfassende und systematische Berichterstattung.
Schöne Berichte
Dass schöne Berichte noch keine nachhaltige Unternehmensführung bewirken liegt auf der Hand. Dennoch bleiben sie nicht ganz ohne Wirkung. Immerhin haben sie aufseiten der Unternehmen eine systematische Auseinandersetzung mit und steigende Transparenz über Materialkreisläufe, Energieeinsatz, Umwelteinflüsse, Menschenrechte und Mitarbeiterinteressen bewirkt.
Gleichzeitig sind diese Nachhaltigkeitsberichte – aufgrund unzähliger Berichtsrahmen, -normen und –standards oft weder aussagekräftig noch vergleichbar. Die Nachhaltigkeits-Berichterstattung selbst drohte zu einer regelrechten Greenwashing-Branche zu verkommen, in der Agenturen und PR-Profis den Unternehmen mithilfe schöner Berichte einen grünen Anstrich verleihen.
Orientierungshilfe SDGs
Kaum hat sich aus dem Normen-Dschungel der GRI-Standard als globaler Standard etabliert, beginnen sich Unternehmen auch schon einem neuen Rahmenwerk zuzuwenden: Den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen.
Die UN Agenda 2030, in deren Rahmen die SDGs im Jahr 2015 veröffentlicht wurden, unterstreicht dabei die gemeinsame Verantwortung von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft für nachhaltige Entwicklung. Österreichische Unternehmen zeigen an diesem globalen Rahmenwerk großes Interesse und richten ihre Aktivitäten an den für sie relevantesten SDGs aus. Laut Michael Fembek, Autor des österreichischen CSR-Guides, ist Ziel Nr. 17 („Sofortmaßnahmen ergreifen um Klimawandel und seine Auswirkungen zu bekämpfen“) derzeit das beliebteste. Ihm zufolge ist „das Interessante an den SDGs vor allem der Ansatz der Messbarkeit, denn jedes der Sub-Ziele hat auch einen oder mehrere Indikatoren, an den der Fortschritt in jedem Staat gemessen werden kann und soll“, so Fembek im österreichischen CSR Guide 2019.
Nachhaltig wirtschaften: Erfolge und Misserfolge
Trotz zahlreicher Rückschläge für die Umwelt und Nachhaltigkeitsbewegung und horrender Herausforderungen, gibt es auch zahlreiche Erfolge zu verbuchen. In Österreich etwa sind seit 2013 Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der Bundesverfassung verankert. Kürzlich hat auch die öffentliche Trinkwasserversorgung darin Einzug gefunden – und nicht der Wirtschaftsstandort Österreich. Unternehmen sind hierzulande hohen Umwelt- und Sozialstandards unterworfen, die der unternehmerischen Verantwortung zu einem großen Teil Rechnung tragen. Im Energiewende-Index 2019 des World Economic Forums, rangiert Österreich immerhin auf Platz 6 von 115 untersuchten Ländern. Durch Kooperation von Wirtschaft und Politik gelang es hierzulande (seit 1990) Treibhausemissionen von Gebäuden (-37 Prozent), der Abfall- (-28 Prozent) oder Landwirtschaft (-14 Prozent) maßgeblich zu senken. Der Energieverbrauch blieb seit 2005 trotz eines Wirtschaftswachstums von aggregierten 50 Prozent nahezu konstant, während sich der Anteil biogener Energien mehr als verdoppelte. Angesichts dieser Teilerfolge lässt sich schlichtweg nicht mehr behaupten dass Veränderung nicht möglich sei.
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