„CSR ist mittlerweile bei sehr vielen Firmen Teil der Unternehmensphilosophie und auch im Mittelstand angekommen.“
Peter Kromminga, UPJ
Der börsennotierte Energieversorgungskonzern RWE AG baut im Rheinischen Braunkohlerevier Kohle ab, um daraus Strom zu erzeugen. Auf riesigen Flächen wird im Tagebau geschürft, zurück bleiben tiefliegende Mondlandschaften. RWE steht in der Kritik, für die Absenkung des Grundwassers und für Bergschäden verantwortlich zu sein. Ortschaften und Natur wurden durch das Abbaggern zerstört.
RWE & Kampf um Hambacher Forst
Der zwischen Köln und Aachen liegende Hambacher Forst sollte im September 2018 abgeholzt werden. Der zwei Quadratkilometer messende Wald ist ein Überrest des ursprünglich 40 Quadratkilometer großen Bürgerwaldes, der seit 1978 für den Tagebau Hambach gerodet wurde. Nun geht es dem letzten Rest Wald an die Wurzeln, wogegen Aktivisten seit sechs Jahren protestierten, indem sie Baumhäuser gebaut und im Wald gelebt haben. Am 1. August 2018 stellte RWE Power bei den Ordnungsbehörden und der Polizei den Antrag, den Hambacher Forst, der Eigentum der RWE ist, „von rechtswidrigen Besetzungen und Nutzungen zu räumen“. RWE rechtfertigte ihr Festhalten an der Rodung mit der Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und der Sicherheit der Stromversorgung.
Am 6. Oktober hat das Oberverwaltungsgericht Münster einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst verfügt und entspricht damit dem Antrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Der BUND hatte argumentiert, dass der Wald von bedrohten Fledermäusen bewohnt wird und deshalb als europäisches FFH-Schutzgebiet geschützt werden müsse.
Im Kampf um den Hambacher Forst geht es aber nicht nur um Bäume und bedrohte Fledermäuse. Es geht vor allem um die Frage, ob es angesichts von Klimawandel und rapidem Verlust von Natur und Artenvielfalt noch zu verantworten ist, Braunkohle im Tagebau abzubauen und daraus Strom zu erzeugen. Kohle emittiert pro erzeugter Kilowattstunde Strom deutlich mehr Kohlenstoffdioxid als Erdöl oder Erdgas und trägt damit überproportional zum Klimawandel bei. Der CO2-Ausstoß von RWE betrug im Jahr 2013 mehr als 163 Millionen Tonnen, damit ist der Konzern der größte Emittent von CO2 in Europa. Bei der Verbrennung von Kohle werden außerdem Schwefeldioxid, Schwermetalle, radioaktive Stoffe und Feinstaub emittiert.
RWE setzte ab Mitte der 1970er Jahre auch auf Kernenergie und klagte das Bundesland Hessen und die deutsche Bundesregierung nach dem Beschluss des Atomausstiegs 2011 auf Schadenersatz. Warum ist RWE nicht längst aus der Braunkohle aus- und auf Erneuerbare Energien umgestiegen? Ein RWE-Sprecher schreibt uns dazu: „Gleichzeitig aus Kernenergie und Kohleverstromung auszusteigen, ist nicht möglich. Aus diesem Grund ist die Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit, die von einer breiten politischen Mehrheit immer wieder bestätigt wurde.“ RWE werde bis 2030 den Treibhausgasausstoß um bis zu 50 Prozent im Vergleich zu 2015 senken. Mit der Transaktion zwischen RWE und E.ON entwickle sich RWE zum drittgrößten Produzenten erneuerbarer Energien in Europa. Und der Tagebau? Im Rheinischen Revier seien bereits mehr als 22.000 Hektar rekultiviert worden, davon 8.000 Hektar Wald, das sei mehr, als zuvor, so der RWE-Sprecher.
Corporate Social Responsibility
Öffentliche Kritik aufgrund vermisster unternehmerischer Verantwortung richtet sich in der Mehrzahl an international tätige Konzerne. Liegt es daran, dass diese Unternehmen sichtbarer sind als kleinere? Dass sie als bedrohliche Giganten gelten? Oder daran, dass sie sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht nicht um die öffentliche Meinung sorgen müssen? Es ginge auch ganz anders.
Peter Kromminga, Geschäftsführer des CSR-Netzwerks UPJ mit Sitz in Berlin, sieht bei der Frage unternehmerischer Verantwortung, Fachausdruck CSR (Corporate Social Responsibility), kaum noch Unterschiede zwischen großen und mittelständischen Unternehmen: „CSR ist mittlerweile bei sehr vielen Firmen Teil der Unternehmensphilosophie und auch im Mittelstand angekommen, nicht nur bei den großen.“ Wobei bei kleineren Firmen die Werthaltung der Inhaber ein wichtiger Faktor für das Engagement sei. „Bei größeren Unternehmen ist der öffentliche Druck zunehmend ein wichtiger Faktor, aber auch Regulierungen spielen eine Rolle, wie etwa die CSR Berichtspflichten für börsennotierte Unternehmen der Europäischen Union.“
Nestlé & der Faktor Investoren
Ein Konzern, der nach eigenen Angaben viel für die Gesellschaft tut, und trotzdem laufend heftig kritisiert wird, ist der Lebensmittel-Riese Nestlé mit Hauptquartier in der Schweiz. Nestlé wurden die Zerstörung von Regenwald für die Gewinnung von Palmöl, die Ausbeutung von Wasservorräten, Tierversuche oder Babynahrung mit schlechter Qualität vorgeworfen.
„Wir sind überzeugt, dass wir nur dann langfristig Erfolg haben werden, wenn wir gleichzeitig Mehrwert für unsere Aktionäre und für die Gesellschaft schaffen. Dieser Ansatz der Gemeinsamen Wertschöpfung prägt unser gesamtes Handeln und ermöglicht damit die Umsetzung unseres Unternehmenssinns: Lebensqualität verbessern und zu einer gesünderen Zukunft beitragen“, schreibt Nestlé 2017 im Bericht zu seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Dazu werden zum Beispiel angeführt: Über 1000 neue nährstoffreiche Produkte lanciert, 57 Prozent des Volumens der zwölf wichtigsten Rohstoffkategorien und des Papiers verantwortungsbewusst beschafft, 431.000 Bauern geschult, Senkung der Treibhausgasemissionen, des Müllaufkommens und des Wasserverbrauchs, rund ein Viertel des Stroms stammt aus erneuerbaren Quellen.
Nestlé bemühe sich auch um die Reduzierung des Plastikmülls durch Umstieg auf wiederbefüllbare oder aus wiederverwertbarem Material bestehende Verpackungen, bessere Information über korrekte Entsorgung und unterstütze den Aufbau von Systemen für die Sammlung, Sortierung und das Recycling von Verpackungen. Bis zum Jahr 2025 sollen alle Verpackungen wiederverwendbar oder verwertbar sein. Theoretisch, so kann man einwerfen, sind sie das jetzt schon. Fakt ist jedoch, dass der heutige Lebensstil, bei dem rasch und „on-the-go“ Speisen und Getränke konsumiert werden, extrem viel Müll produziert. Ein Getränk in der PET-Flasche oder Aludose ist in wenigen Minuten ausgetrunken, ein Burger, Nudelgericht oder Snack in Kürze verzehrt. Zurück bleiben Verpackungen, die nicht selten irgendwo in der Landschaft landen.
Die großen Verschmutzer
Greenpeace und andere Umweltschutzorganisationen haben in den vergangenen Monaten in 42 Ländern weltweit Plastikmüll in Städten, Parks und auf Stränden gesammelt und die 187.000 Stücke nach Markennamen sortiert. Das Plastik stammte in der Mehrzahl von Coca-Cola, PepsiCo und Nestlé, gefolgt von Danone und Mondelez – also jenen Konzerne, die den Lebensmittelmarkt beherrschen.
Besonders absurd erscheint es, dass wertvolles Mineralwasser in Plastikflaschen abgefüllt und in die ganze Welt transportiert wird. Eine große Abfüllanlage von Nestlé gibt es im traditionellen Kurort Vittel in den französischen Vogesen. Nestlé hat dort seit Ende der 1960er Jahre ein Wasserrecht und darf eine Million Kubikmeter pro Jahr entnehmen. Eine örtliche Käserei pumpt 600.000 Kubikmeter jährlich ab. Seit den 1990er Jahren sinkt der Grundwasserspiegel jedoch um etwa 30 Zentimeter pro Jahr. Jean-Francois Fleck, Präsident des Umweltverbands VNE, warf Nestlé in einem Interview für die ARD vor, das Wasser nicht zu schützen, sondern auszubeuten. Die örtliche Bürgerinitiative „Eau 88“ protestiert gegen die Ausbeutung ihres Wassers und hat am Ortsrand ein „Tor zur Wüste“ aus Strohballen aufgestellt.
Nun soll um 20 Millionen Euro eine Leitung gebaut werden, die überschüssiges Wasser aus einer Nachbargemeinde nach Vittel bringt. Der Bürgermeister von Vittel verwies gegenüber der ARD darauf, dass man Nestlé nicht an der Wasserentnahme hindern könne, weil 20.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt an der Wasserabfüllung hängen würden.
Die Firma Nestlé teilt mit, dass die Wasserversorgung nicht akut gefährdet sei und sie die Entnahme freiwillig auf 750.000 Kubikmeter pro Jahr reduziert habe, weil sie selbst ein Interesse an der Nachhaltigkeit der Quelle habe. Ob die Industrie weiterhin so viel Wasser wie bisher verwenden darf, ob die Genehmigungen einst rechtens waren und ob die Ausbeutung des Grundwassers mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie vereinbar ist, müssen nun Rechtsexperten entscheiden.
Es geht auch ganz anders
Tatsächlich führen viele Unternehmen an, dass sie nachhaltig und verantwortungsvoll agieren würde. Ob ihre Angaben stimmen und ob man ihnen glauben kann oder nicht, ist für Konsumentinnen und Konsumenten aber oft schwer zu beurteilen. Das sogenannte „Greenwashing“ ist auch Thema des neuen Films „The Green Lie“ von Werner Boote, in dem die Autorin Kathrin Hartmann über „grüne Lügen“ von Konzernen, zum Beispiel über Palmöl, aufklärt. Nestlé zum Beispiel sagt, dass sie zunehmend auf „nachhaltig“ produziertes Palmöl umsteigen würden. Umweltschützer sagen, nachhaltiges Palmöl gibt es nicht, zumindest nicht in industriellem Maßstab.
„Es gibt vieles, was ich nicht fair finde, wie da draußen gefuhrwerkt wird. Wir wollen eine Lösungsmöglichkeit sein.“
Johannes Gutmann, Sonnentor
Margarine ohne Palmöl
Die Firma Sonnentor aus Sprögnitz in Niederösterreich hat deshalb nach Alternativen für ihre Kekse gesucht und gefunden: Der kleine Betrieb Naschwerk im Waldviertel hat eine eigene Margarine entwickelt, um für Sonnentor vegane Kekse ohne Palmöl backen zu können.
Johannes Gutmann, Gründer und Geschäftsführer von Sonnentor, setzte schon vor 30 Jahren auf Bio und verkaufte Kräuter auf Bauernmärkten. Heute produzieren 400 MitarbeiterInnen und 300 Vertragsbauern in seinem Familienunternehmen an die 900 Produkte – von Gewürzen über Tees bis zu Naschereien. Sonnentor engagiert sich für Bio und Nachhaltigkeit, faire Arbeitsbedingungen und fairen Handel und ist ein Pionierunternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie. Gutmann sagt, er handle nach dem Prinzip: Wer sich bewegt, bewegt andere. Gutmann: „Es gibt vieles, was ich nicht fair finde, wie da draußen gefuhrwerkt wird. Wir wollen eine Lösungsmöglichkeit sein.“ Solange er keine gierigen Investoren reinnehme, könne er so agieren und auch bewusst wachsen. Das sei auch ein gutes Rezept gegen das persönliche Burnout.
Ähnlich sieht es der Chocolatier und Biolandwirt Josef Zotter aus Riegersburg in der Steiermark. 1987 gründete der gelernte Koch und Kellner mit seiner Frau Ulrike eine Konditorei in Graz, schuf ausgefallene Kuchenkreationen und entwickelte die handgeschöpfte Schokolade. 1996 musste er Insolvenz anmelden, drei Jahre später erfand er sich neu mit der Schokolade-Manufaktur. Für seine Bio-Schokoladen kauft er mittlerweile die Kakaobohnen direkt bei den Bauern in Lateinamerika zu fairen Preisen und hat für seine hohe Qualität und immer neue Ideen schon viele Preise erhalten. Zotter hat aktuell 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch seine beiden erwachsenen Kinder arbeiten im Unternehmen mit. „Wir sind ein ganz normales privatwirtschaftliches Familienunternehmen, welches eine sogenannte Familienverfassung festgelegt hat, nach der wir agieren“, sagt er. Ausschlaggebend für seine konsequente unternehmerische Verantwortung sei wohl seine Firmenpleite gewesen, analysiert er rückwirkend: „Eine Pleite führt zu zwei möglichen Konsequenzen: Entweder du passt dich an die Gegebenheiten aller Wirtschaftsgesetze an, oder du ziehst dein Ding voll durch, weil du nix mehr verlieren kannst. Die meisten passen sich den marktwirtschaftlichen Prinzipien an. Das wollte ich nicht.“
„Durch die Auslistung der chemischen Produkte haben wir vielleicht einige Kunden verärgert, aber auch neue Kunden gewonnen.“
Isabella Hollerer, Bellaflora
Gartenbranche umgekrempelt
Auffällig ist bei derartigen Unternehmen, dass sie für ihre Überzeugungen auch Risiken eingehen. Die Firma bellaflora mit Sitz im oberösterreichischen Leonding beispielsweise hat im Jahr 2013 die Pflanzenchemie aus ihren Gartencentern verbannt, 2014 das Sortiment auf ausschließlich naturnahe Dünger umgestellt und seit 2015 wird der Einsatz von Torf reduziert. Arbeitsplätze für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Sonnenstrom aus eigener Produktion und sparsamer Umgang mit Wasser und Abfall sind fast schon selbstverständlich. Ein derartiges Engagement sei natürlich riskant, sagt Isabella Hollerer, die bei Bellaflora für nachhaltige Entwicklung zuständig ist: „Durch die Auslistung der chemischen Produkte haben wir vielleicht einige Kunden verärgert, aber auch neue Kunden gewonnen.“ Zuerst mussten jedoch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult und für den nachhaltigen Weg begeistert werden. Jede Änderung von Gewohnheiten ist schwierig, doch jetzt seien alle stolz darauf, sagt die Nachhaltigkeitsbeauftragte. Eine alternative Wirtschaft steht dafür.
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