Erdölderivate, Industriealkohol und synthetische Duftstoffe, deren Langzeitwirkung niemand genau kennt. Nichts, das man mit einer sauberen Raumluft in Verbindung bringen würde. Und vermutlich auch nichts, das man gerne ständig einatmen möchte. Tatsächlich aber ist ein wesentlicher Großteil der über 3,7 Millionen Privathaushalte in Österreich mit derartigen Stoffen belastet. Weil sie in konventionellen Putzmitteln vorkommen, die landauf landab zur Reinigung des heimischen Wohnraums eingesetzt werden.
„Diese Werbungen suggerieren, dass alle Bakterien um uns herum böse sind. Die sind aber zu 90 Prozent nützlich für uns und völlig harmlos. Nur in ganz seltenen Fällen führen sie zu Krankheiten. Eigentlich sind aber nicht die Bakterien das Problem, sondern die vielen schädlichen Substanzen, die wir uns mit Putzmitteln in die Raumluft sprühen.“
Hans-Peter Hutter, Institut für Umwelthygiene am AKH Wien
„Nicht nur sauber, sondern rein“
Es sind Slogans wie dieser, mit denen die Industrie ihren Kunden die absolute Reinheit verkaufen möchte – mit antibakteriellen Inhaltsstoffen, synthetisch hergestellt. Die Vorstellung eines völlig keimfreien Haushalts wird zur Ideologie. Hans-Peter Hutter vom Institut für Umwelthygiene am AKH Wien beobachtet diese Entwicklung mit großer Sorge: „Diese Werbungen suggerieren, dass alle Bakterien um uns herum böse sind. Die sind aber zu 90 Prozent nützlich für uns und völlig harmlos. Nur in ganz seltenen Fällen führen sie zu Krankheiten. Das vermittelt dem Konsumenten ein völlig falsches Bild, wir sehen das äußerst problematisch.“
Je weniger Mikroorganismen in einem Haushalt leben, desto weniger Trainingsmöglichkeiten hat das menschliche Immunsystem. Heißt konkret: Die Abwehrkraft des Körpers wird geringer, das Risiko, krank zu werden, steigt. „Die Menschen haben gewisse Urängste vor Infektionskrankheiten und Keimen, die uns angreifen. Hier setzen die finanzstarken Unternehmen mit ihren Marketingkonzepten an. Eigentlich sind aber nicht die Bakterien das Problem, sondern die vielen schädlichen Substanzen, die wir uns mit Putzmitteln in die Raumluft sprühen“, so Hutter weiter.
Die Dosis macht das Gift
Der Umweltmediziner kennt viele gesundheitliche Beschwerden, die mit den Inhaltsstoffen von Reinigungsmitteln in Zusammenhang zu bringen sind – vom Backofenreiniger bis zum Weichspüler, vom Fensterputzmittel bis zum Geschirrspülmittel. Dabei lassen sich kaum einzelne Stoffe identifizieren, die besonders problematisch sind. Die Mischung macht den Cocktail, die Dosis macht das Gift: „Wenn das Gemisch an synthetischen Substanzen in der Atemluft eine gewisse Konzentration erreicht hat, dann leidet die Gesundheit darunter massiv.“ Das beginnt bei Müdigkeit und Kopfschmerzen, geht über Konzentrationsstörungen und Reizungen der Atemwege bis hin zu allergischen Symptomen, die dann zu chronischen Allergien führen können. Der schlimmste Fall: Krebs.
Das Umweltbundesamt weist auf seiner Homepage auf die Langzeitwirkung der Schadstoffe hin: „Gesundheitliche Schäden müssen sich nicht sofort zeigen, sondern können – wie im Fall von Allergien oder Krebs – viel später auftreten, wenn man dem Einfluss der verursachenden Chemikalien schon lange nicht mehr ausgesetzt war.“
Dazu kommt das erhöhte Risiko für Kinder, denn nach dem Verschlucken von Gegenständen ist die Vergiftung die zweithäufigste Unfallursache bei Kleinkindern im Alter zwischen sechs Monaten und vier Jahren, weiß auch das Institut für Umwelthygiene: „Die Vergiftungen werden vor allem durch Reinigungsmittel hervorgerufen – sei es durch den direkten Kontakt oder weil sie einfach gerne alles in den Mund nehmen. Je mehr Putzmittel ich zu Hause herumstehen habe und je problematischer die Inhaltsstoffe, desto höher das Vergiftungsrisiko meines Kindes. Dieser Zusammenhang ist eindeutig nachweisbar“, so Hutter.
Schaden für die Umwelt
Verfolgt man den Weg, den ein Reinigungsmittel nach seinem Gebrauch nimmt, landet man in der Bakterienhochburg Kläranlage. Mikrobiologische Prozesse klären das Abwasser, Milliarden von Mikroorganismen zersetzen die Schadstoffe. Zumindest ist das die Idee dahinter. Doch seit die Menschen immer mehr Reinigungsmittel mit antibakteriellen Konservierungsmitteln verwenden, werden in den Kläranlagen immer mehr Bakterien abgetötet, bevor sie diesen Job machen können.
„Wenn die biologische Sektion in den Kläranlagen gestört wird, entstehen nachhaltige Schäden. Jene Bakterien, die für die Reinigungskraft verantwortlich sind, gibt es dann nicht mehr“, erklärt Hans-Peter Hutter den Zusammenhang weiter. Die verheerende Folge: Umweltschädliche Substanzen passieren das Klärsystem und gelangen dorthin, wo sie niemals hinsollten: in Flüsse, Wiesen, Wälder. Und in letzter Konsequenz zurück in unsere Nahrungskette.
„Die Gesellschaft glaubt, dass Tierversuche für Haushaltsreiniger ein notwendiges Übel sind. Dabei ist das ein großer Irrtum und der falsche Weg. Tiere stehen in den Labors unter Dauerqual und unter solchen Bedingungen reagiert der Körper eines Tieres auf gewisse Reize völlig anders als der des Menschen.“
Petra Schönbacher, Tierschutzverein Animal Fair
Hier finden Sie die wesentlichsten Schadstoffe im herkömmlichen Reiniger.
Qual der Tiere
Dort leiden die Tiere dann das zweite Mal am menschlichen Einsatz von Haushaltsreinigern. Das erste Mal müssen sie bereits herhalten, wenn es darum geht, chemische Substanzen auf ihre Schädlichkeit zu prüfen. „Die Gesellschaft glaubt, dass Tierversuche für Haushaltsreiniger ein notwendiges Übel sind“, sagt Petra Schönbacher, die Obfrau des Tierschutzvereins Animal Fair. „Dabei ist das ein großer Irrtum und der falsche Weg. Tiere stehen in den Labors unter Dauerqual und unter solchen Bedingungen reagiert der Körper eines Tieres auf gewisse Reize völlig anders als der des Menschen.“ In der Kosmetikindustrie sind Tierversuche in der EU seit 2013 verboten – das bedeutet, dass kein Rohstoff mehr an Tieren getestet werden darf, der ausschließlich in der Kosmetik verwendet wird. Das sind aber nur sehr wenige. Die EU schreibt mit der sogenannten REACH-Verordnung vor, bis zum Jahr 2018 alle chemischen Inhaltsstoffe von Haushaltsreinigern an Tieren zu testen. Schätzungen zufolge werden daran insgesamt rund 58 Millionen Tiere größtenteils qualvoll sterben.
Petra Schönbacher plädiert an den gesunden Hausverstand der Menschen: „Ein Putzmittel sollte so sein, dass ich weder die Umwelt schädige noch mich selbst den giftigen Chemikalien aussetze. Eine Win-win-Situation also. Am schönsten aber wäre eine Win-win-win-Situation. Nämlich dann, wenn auch die Tiere was davon hätten.“ Und das ist eigentlich weder besonders aufwendig, noch besonders teuer.
Ökologische Alternativen
Im elterlichen Haushalt von Marion Reichart gab es keine Schadstoffe, die an Tieren getestet werden mussten und ihre Gesundheit belasteten. Auch keine Mikrowelle und keine konventionelle Kosmetik. Ihre Eltern waren um einen ökologisch einwandfreien Haushalt bemüht, damit ist Marion groß geworden. Als sie fünf Jahre alt war, gründete ihr Vater seine Firma mit dem Namen „Uni Sapon“ in Tirol. Fortan wurden dort Putzmittel produziert – solche für „grüne“ Haushalte.
Seit Marion Reichart die Firma vor fünf Jahren übernommen hat, verdoppeln sich die Umsätze jährlich. Die Nachfrage nach ökologischen Haushaltsreinigern ist so groß wie nie. „Vor 30 Jahren haben sie meinen Vater ausgelacht“, erzählt Reichart. „Heute kommen die Leute und sagen: Dein Vater hat recht gehabt, wir können so nicht mehr weitermachen.“ Uni Sapon stellt Haushaltsreiniger her, die keinerlei chemische Substanzen beinhalten und zu 100 Prozent biologisch abbaubar sind.
Die stark gestiegene Nachfrage nach ökologischen Reinigern bestätigt auch Gerhard Heid, Geschäftsführer der Firma Sonett, die ebenfalls ökologische Reinigungsmittel herstellt: „Das Bewusstsein für die Gefahren konventioneller Reinigungsmittel wächst und wird geschärft durch die Zunahme von Allergien in der Familie und im Freundeskreis. Sonett verzeichnet seit vielen Jahren zweistellige Wachstumsraten und Nachfrage aus aller Welt.“
„Es braucht nicht jeder Fleck ein eigenes Putzmittel. Die meisten Produktinnovationen dienen der Gewinnoptimierung und nicht der effizienteren Schmutzbeseitigung.“
Marion Reichart, Uni Sapon
Weniger ist mehr
In den Supermarktregalen steht eine kaum zu überblickende Vielfalt an unterschiedlichen Reinigern. Die einen riechen nach „Sommerregen und weißer Lilie“, die anderen versprechen den „Ultra Glanz“. Und die meisten Hersteller führen in ihrem Sortiment viel mehr Produkte als eigentlich notwendig. „Es braucht nicht jeder Fleck ein eigenes Putzmittel. Die meisten Produktinnovationen dienen der Gewinnoptimierung und nicht der effizienteren Schmutzbeseitigung“, meint Marion Reichart. Uni Sapon führt nur wenige Putzmittel in seinem Sortiment: Neben Pasten und Balsam sind das ein Allzweckreiniger, ein Fettlöser, ein Kalklöser, ein Waschmittelkonzentrat und ein Geschirrspülmittel. Jeweils mit leerer Sprühflasche zum Selbermischen geliefert. „Es ist nicht ökologisch, Wasser durch die halbe Welt zu schicken, wenn es jeder zu Hause hat. Aus einem halben Liter Konzentrat lassen sich 125 Flaschen gebrauchsfertiges Reinigungsmittel herstellen. Das ist für uns der einzig ehrliche Weg“, sagt Reichart.
Was die Reinigungskraft betrifft, so können ökologische Reiniger konventionelle Produkte ohne Weiteres ersetzen. Als Konzentrate sind sie zwar teurer, vergleicht man aber die Ergiebigkeit, dann ist der Preis pro Anwendung oft deutlich niedriger. Ein Beispiel: Ein halber Liter Allzweckreiniger der Firma Uni Sapon kostet 9,90 Euro. Das reicht für 125 Füllungen.
Viel Duft um nichts
Es ist also nicht der Preis, der den großen Unterschied ausmacht. Auch nicht die Putzwirkung. Wer das erste Mal einen ökologischen Reiniger verwendet, wird aber eine völlig unterschiedliche Duftnote wahrnehmen. Die meisten verwenden ätherische Öle, um das Bedürfnis nach wohlriechendem Duft zu befriedigen. „Natürliche ätherische Öle sind die höchste Entfaltung und Essenz der wunderbaren Duftpflanzen. Sie sind Balsam für Seele und Körper und werden auch therapeutisch eingesetzt“, beschreibt Gerhard Heid von der Firma Sonett seinen Zugang.
Konventionelle Reiniger beinhalten künstliche Duftstoffe – bis zu 3000 davon gibt es, viele davon sind auf ihre langfristige Wirkung nicht untersucht. „Dass mittlerweile alles künstlich beduftet wird, ist aus medizinischer Sicht höchst problematisch. Wir fügen unserer Innenraumluft zusätzliche synthetische Stoffe zu, die im Sinne einer erhöhten Putzkraft überhaupt keinen Zweck erfüllen. Der intensive Duft spielt einen besonderen Putzerfolg nur vor. Von dieser Täuschung müsste man sich lösen“, empfiehlt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter.
Was also tun?
Wer bei der Reinigung seines Haushalts weder seiner Gesundheit noch der Umwelt weiter schaden möchte, sollte zuallererst einmal Dosierung und Putzfrequenz überdenken. Denn die Überdimensionierung von Putzmitteln ist auch für Hutter vom Institut für Umwelthygiene ein ganz wesentliches Problem: „Viele denken sich: besser zu viel als zu wenig. Doch das macht überhaupt keinen Sinn, die Reinigungskraft wird nicht stärker. Davon abgesehen ist es nicht notwendig, jeden Tag zu putzen. Hier ist mehr Sparsamkeit angesagt. Der nächste Schritt wäre dann ein Umdenken beim Kauf der Reinigungsmittel.“
Und davon profitieren dann auch die Tiere. „Man kann nie zu 100 Prozent ausschließen, dass irgendein Inhaltsstoff nicht doch an einem Tier getestet wurde. Doch die Verwendung von ökologischen Reinigern verringert das Risiko um ein Vielfaches, das ist der Weg des geringsten Übels“, erklärt Petra Schönbacher. Denn es sind eben nicht die pflanzlichen, sondern die synthetischen Stoffe, die auf ihre Schädlichkeit getestet werden müssen.
Ich komme mit Wasser, Essig und Schlämmkreide wunderbar aus. Nun, dafür kann man bei mir halt nicht vom Boden essen. Dazu gibt es einen Tisch. 😉
Aber Spaß beiseite: Schon in meiner Drogistenausbildung haben wir gelernt, dass überall ähliche waschaktive Substanzen drinnen sind. Der Rest an Inhaltsstoffen ist nur marketingtechnisches „Drumherum“. Damals hatten wir Schlämmkreide und Essig als Ursubstanz. Vielleicht noch eine Hirschseife. Und zum Fensterputzen den Spiritus.
Jetzt habe ich sogar Putzlappen, die ohne irgendeine Substanz auskommen – nur Wasser und sonst nichts. Die sind außerdem noch waschbar und halten ewig.