Nicht, dass in Österreich Milch und Honig fließen oder das Geld auf Bäumen wächst, fest steht jedoch: Unsere kleine Alpenrepublik erfreut sich eines Wohlstandes, der global gesehen seinesgleichen sucht. Und trotz anhaltender Wirtschaftskrise wird bei uns geteilt – mit jenen, denen es nicht so gut geht. Es gibt nach wie vor eine Pension, Sozialhilfe, Notstandshilfe, Familien- und Wohnzuschüsse – Insgesamt machten die Sozialausgaben laut Statistik Austria 2015 99 Mrd. Euro oder 30,1 Prozent des BIP aus. Keine Frage, es ist nicht alles rosig, auch in Österreich leben Menschen in Armut. Aber niemand muss auf der Straße schlafen. Niemand muss verhungern. Niemand darf im Notfall eines Spitals verwiesen werden.
Und dann hört man das: „Das Sozial- und Gesundheitssystem ist kaputt. Mit Österreich geht´s abwärts. So schlimm war´s noch nie.“ – Indiz dieser unverhältnismäßigen Unzufriedenheit ist das Wahlverhalten von Herrn und Frau Österreicher.
Eine Folge teurer Polit-Skandale letzter Jahrzehnte, politischer Stagnation, tagespolitischer Reaktion statt zukunftsweisender Gestaltung.
Soweit kann ich folgen, auch ich leide am Wahltag unter Entscheidungsschwäche. Doch mein Verständnis scheitert an Undank und übertriebener Angst. Wie kann es sein, dass ein beträchtlicher Teil der Profiteure unseres Sozialstaates auch zur Wählerschaft populistischer Negativität gegen Toleranz und soziale Gerechtigkeit zählt? Wie kann die Angst vor einer schlechteren Zukunft den Protest so weit nach rechts außen tragen und somit die teils mit Blut erkämpften, politischen Errungenschaften vorangegangener Generationen in Gefahr bringen?
Ja, auch mir fehlen demokratische Druckmittel. Ich setze auf die durchsetzungsfähige Zivilgesellschaft, die sogar die Freihandelsabkommen TTIP & Co ins Wanken gebracht haben. Wer zu stark nach rechts oder links lenkt, fährt im Kreis.