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Eine autokratische Welt, ausbeuterische Wirtschaft und „die Huren der Reichen“

Helmut Melzer

Wie schön, wieder ein billiges Handy aus China erstanden. Stylische Textilien, mit Giftfarben in Bangladesch gefärbt. Blutdiamanten aus Liberia, Blutgold aus dem Kongo. Billigfleisch von gequälten Tieren aus Osteuropa. – Wir freuen uns über günstige Ware, unsere Wirtschaft jubelt über fette Margen – und akzeptieren damit Unterdrückung und Leid. Anlass genug für Feiern – mit einer Olympiade in China, einer Fussball-WM in Katar. Die Welt ist doch wunderbar, denkt sich wohl auch Putin.

„Defekte Demokratien“

Erstmals führt der Demokratie-Transformationsindex der Bertelsmannstiftung – der erfasst die jährliche, globale politische Entwicklung – mehr autoritär als demokratisch regierte Staaten: „Die Leitbilder von Demokratie und Marktwirtschaft stehen unter starkem Druck und werden durch korrupte Eliten, illiberalen Populismus und autoritäre Herrschaft herausgefordert“, diagnostiziert der aktuelle Bericht. Neu dabei: Elfenbeinküste, Guinea, Madagaskar, Mali, Nigeria, Sambia und Tansania. Und: In den letzten zehn Jahren habe beinahe jede fünfte Demokratie an Qualität verloren, stellt die Studie fest. So gelten etwa Brasilien, Bulgarien, Indien, Serbien, Ungarn und Polen inzwischen als „defekte Demokratien“.

Die Ukraine wird allein gelassen

Trotzdem, oder vielleicht genau deshalb steht es nicht gut um die Ukraine. Sie ist alleine. Abermals wird der Westen wohl nur zusehen und weiter an Einfluss in der Welt verlieren. Wieder eine Demokratie weniger. Ja, Sanktionen gibt es. Aber wohl keine, die auch uns selbst den Krieg spüren lassen. Das Finanztransaktionsnetz Swift für Russland abschalten? OMG, das könnte auch unsere Wirtschaft treffen.

Zuwarten kostet

Europas Geopolitik kann auch durchaus mit den zaghaften Polit-Schritten hin zu mehr Nachhaltigkeit verglichen werden: Je länger man zuwartet, desto teurer und schwieriger wird die Angelegenheit. Schon jetzt, so die Studie COIN, kostet die Klimakrise alleine Österreich rund zwei Milliarden im Jahr, bis Mitte des Jahrhunderts werden Schäden zum Beispiel durch Dürre, Borkenkäfer, Hochwasser und Hitzewellen im Ausmaß von bis zu zwölf Mrd. Euro erwartet. Aber, unsere Kids machen das schon.

Verwässertes Lieferkettengesetz

Im dritten Anlauf präsentierte dieser Tage die EU auch den Entwurf zum Lieferkettengesetz. Wenn auch durch Lobbyisten verwässert, stellt die Initiative einen riesigen Schritt in die richtige Richtung dar. Allerdings, so die Kritik etwa von attac: „Bitte nachbessern. Damit Menschenrechtsverletzungen, ausbeuterische Kinderarbeit und die Zerstörung unserer Umwelt nicht mehr an der Tagesordnung stehen, darf die EU-Richtlinie keine Schlupflöcher beinhalten, die es ermöglichen die Regelung zu untergraben.“ Das Problem: Das Lieferkettengesetz soll (vorerst) nur für Unternehmen ab 500 Mitarbeiter*innen und mit einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro gelten. Das sind lächerliche 0,2 Prozent der Unternehmen im EU-Raum.

„Die Hure der Reichen“

Leider ist es doch aber so: Nichts, aber auch gar nichts wird sich wesentlich ändern, solange zugelassen wird, dass Wohlstand auf Leid, Umweltzerstörung oder Unterdrückung aufbaut. Solange die Politik auf die Profiteure hört. Solange Gerechtigkeit nichts kosten darf. „Wer zahlt schafft an“, chattete die ÖVP und bekennt sich zu ihrer Rolle als „Hure der Reichen“. Ich sage: Nö, wir, die Steuerzahler zahlen. Lasst uns endlich dafür sorgen, dass auch wir bestimmen. Vielleicht mit ein wenig direkter Demokratie? Jedenfalls aber bitte mit einem eindeutigen Wahlergebnis – wahrscheinlich noch heuer. Damit sich in der Politik niemand mehr prostituieren muss – und alleine dadurch die Welt deutlich besser wird.

Geschrieben von Helmut Melzer

Als langjähriger Journalist habe ich mir die Frage gestellt, was denn aus journalistischer Sicht tatsächlich Sinn machen würde. Meine Antwort darauf siehst Du hier: Option. Auf idealistische Weise Alternativen aufzeigen – für positive Entwicklungen unserer Gesellschaft.
www.option.news/ueber-option-faq/

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