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Die Nicht-Beziehung – Kolumne von Mira Kolenc

Mira Kolenc

In meiner Umgebung tummeln sich einige Menschen, die eine Nicht-Beziehung führen. Diese Form der Beziehung macht sich für die Umgebung vor allem in der Art und Weise bemerkbar, wie über sie berichtet wird. Egal wie eine Geschichte anfängt, ob Eltern oder Freunde getroffen wurden, eine gemeinsame Reise angetreten oder ein Ausflug in ein schwedisches Möbelhaus gemacht wurde, sie endet immer mit dem Satz „Aber wir sind nicht in einer Beziehung“.

Ein weiteres Merkmal ist, dass immer nur ein Teil des Paares eine Nicht-Beziehung ausruft, während die andere Seite dies nicht besonders ernst nimmt, dagegen sprächen einfach zu viele Fakten. Weil es aber dennoch kein offizielles Bekenntnis zu einer Beziehung gibt, endet jede Erzählung eben mit dem Zusatz, es handle sich trotz alledem um keine Beziehung. Wobei dieser Satz genau von jenem Teil des Paares ausgesprochen wird, das die Nicht-Beziehung nicht ausgerufen hat, sondern hinnimmt. Klingt kompliziert. Ist es auch.

Irgendwie muss ich dabei an Alice im Wunderland denken. Also Sie wissen schon, an dieses wundervolle Kinderbuch des britischen Autors Lewis Carroll, das man unbedingt als Erwachsener noch einmal lesen sollte.
Die Titelheldin Alice trifft auf ihrer Abenteuerreise unter anderem auf einen Hutmacher und dessen bemerkenswerten Freundeskreis, die gerade dabei sind eine Teeparty zu feiern. Nicht ganz freiwillig, wie sich herausstellen soll. Der Hutmacher erzählt Alice von seiner früheren Freundschaft zur Zeit, die er beeinflussen konnte wie er wollte. Doch mit dem Befehl der Herzkönigin, den Hutmacher für seinen fehlerhaften Liedvortrag zu köpfen – das Köpfen ist eine große Leidenschaft der Regentin – blieb die Zeit stehen. Seit dem geht die Uhr nicht mehr weiter und für den Hutmacher und seine Freunde ist es stets fünf Uhr, also immer Zeit für den Nachmittagstee. Sie sind in einer unendlichen Tea-Party-Zeitschleife gefangen.
Alice verlässt diese verrückte Gesellschaft befremdet, jedoch mit dem Gedanken, dass es durchaus großartig sein müsste, wenn man denn die Zeit anhalten könnte, es an seinem Geburtstag zu tun. Denn dann könnte man 364 Tage Geburtstag feiern. Und „das Fest würde dann Nicht-Geburtstag heißen.“

Vielleicht denkt sich ja der Alice-Teil einer Nicht-Beziehung genau dies. Er findet den Nichtzustand einer Beziehung so aufregend, dass er die Zeit anhalten und für immer eine Nicht-Beziehung feiern möchte. Klingt romantisch, oder?

Hätte das Ganze nicht doch irgendwie einen bitteren Beigeschmack. Und nicht deshalb, weil der Alice-Teil noch irgendwelche Tindergärten nebenher beackern könnte und offiziell ja auch dürfte. Es geht nicht so sehr um ein in Frage stellen der Monogamie, denn die wird in Nicht-Beziehungen nicht selten ausgerufen und geschätzt. Vielmehr geht es doch darum, warum die Bürde für ein Bekenntnis zu einem anderen Menschen so schwierig zu sein scheint, obwohl gerne Zeit mit selbigem verbracht wird.

Und tatsächlich wird es mit voranschreitendem Alter immer schwieriger dieses Bekenntnis überhaupt noch über die Lippen zu bekommen. Je mehr sich das Leben festigt, desto kompromissloser werden wir gegenüber anderen. Manchmal zu recht, manchmal aber auch zu unrecht. Es ist gut zu wissen, was man möchte und nicht mehr möchte, aber kategorisch sollten wir dabei lieber nicht sein. Das Leben passiert nämlich immer dazwischen. Klingt abgedroschen, ist aber so.

Irgendwann, so stellt man fest, sind die Zeiten vorbei, in denen man auf einer Party herumknutscht, am nächsten Morgen irgendetwas unternimmt und dann irgendwie plötzlich zusammen ist. Die Leichtigkeit weicht einem Misstrauen und Abwägen der eigenen Bedürfnisse, gefolgt von der Frage, was man eigentlich (noch) bereit ist aufzugeben für einen anderen Menschen.

Ich halte nicht so viel davon, ein Sind-wir-jetzt-ein-Paar-Gespräch herausfordern zu müssen, entweder jemand will oder will nicht, sagt dies oder lässt es. Und das Unterlassen ist eben auch eine Aussage. Ja, ich mag in dieser Hinsicht ein wenig starrköpfig wirken, aber es zeigt sich immer wieder, dass am Ende des Tages doch alles recht einfach ist. Der Rest ist Spielerei. Schöne und aufregende zwar, aber eben auch schmerzhafte. Denn eine Nicht-Beziehung bleibt am Ende eben genau das, eine Beziehung ohne wirkliches Kommitment und ein Teil wird darunter leiden müssen. Während der andere Teil sagt, er habe doch niemals etwas versprochen oder von Anfang an darauf hingewiesen, dass eine Beziehung nun mal nicht möglich sei. Auch wenn das eigene Handeln bei der Gegenseite gegenteilige Hoffnungen geweckt haben könnte.

Jede Beziehung bedeutet Kompromisse einzugehen, auf vielen Ebenen gleichzeitig. Das ist auch gut so, alles andere wäre langweilig. Aber ich finde, dass zumindest eine Sache als grundlegende Basis unabdingbar ist: ein klares Ja zueinander. Es warad wegen der Wertschätzung.

Geschrieben von Mira Kolenc

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