Wäre da nicht der Samstag gewesen, an dem mir das Tanzen so leicht von den Sohlen ging, mir der Wein so gut geschmeckt und mich das Bier so herrlich erfrischt hätte. Hätte ich nicht das Gefühl gehabt, den Text von jedem Lied, egal in welcher Sprache auch immer, auswendig zu können und ausnehmend gut zu interpretieren.
Wäre das alles an diesem Samstag nicht gewesen, dann wäre ich am Sonntag vermutlich aufgestanden, hätte Frühstück gemacht und wäre dann mit meiner Familie in den Garten gegangen um die ersten Frühlingssonnenstrahlen zu genießen.
Leider. Gerade Letztere haben mir beinahe das Augenlicht für immer geraubt. Jeder Vogel, der den nahenden Frühling besungen hat, hat dies meiner Meinung nach zu laut getan. Die leichte Frühlingsbrise hat an meinen Haarwurzeln gezogen und meine Beine haben meinen Stehbefehl gänzlich verweigert. Von einem harmonischen Zusammenspiel meiner inneren Organe war ich meilenweit entfernt und jeder Satz, den ich nicht sprechen sowie jede Frage, die ich nicht beantworten musste, erzeugten ein kleines Glücksgefühl in meinem geschundenen Körper.
Ich war berauscht vom Vortag. Zum Glück die Ausnahme, doch ich stecke sie kaum noch weg. Mit zwanzig hätte ich mich voraussichtlich selber ausgelacht, wäre ich mit verdeckten Augen im abgedunkelten Raum auf der Couch gelegen. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich mir: „Sterben wäre durchaus eine Variante.“
Warum gab es kein Korrektiv am Vortag, dass dir ein schlüssiges Bild der folgenden Stunden malt, deinen Verstand überredet und deine Lippen zwingt Wasser zu bestellen, wenn man doch weiß, dass man es am nächsten Tag bitter bereut?
Weil es ein Rausch ist. Der Rausch vor dem Rausch, der dich beflügelt. Der dich unbesiegbar macht. Der dich alle Sprachen sprechen lässt. Der es schafft, dass sich Männer innigst umarmen. Der Freundschaften für die Ewigkeit verspricht. Der die abgehalfterte Bar in einen Ballsaal verwandelt. Der die Idee zur Rettung der Welt aus dem Ärmel schüttelt. Der die kleine bummelige, seit ewiger Zeit allein lebende, krummbeinige Kellnerin in ein Model verwandelt. Der dich zum Lachen bringt, bevor du weinst.
Ein Ausnahmezustand, der dich wissen lässt, was alles noch in dir steckt, auch wenn du es am Tag danach nicht mehr weißt. Es muss nicht immer Alkohol sein. Man kann es auch rauchen. Beiden Verführungen kann ich glücklicherweise völlig widerstehen, ohne auch nur im Ansatz das Gefühl zu haben etwas zu versäumen. Speziell auf der Couch wurde es mir bewusst.
„Rausch kann so viel sein. Es kann die unglaubliche Inspiration durch ein gutes Buch genauso sein, wie ein erlösendes Gespräch, das ungeahnte Kräfte in dir erzeugt oder dir ein Gefühl der Erleichterung verschafft. Berauscht zu sein mit dem richtigen Vorzeichen kann die Welt beflügeln, steckt doch immer beides in uns.“
Rausch kann so viel sein. Es kann die unglaubliche Inspiration durch ein gutes Buch genauso sein, wie ein erlösendes Gespräch, das ungeahnte Kräfte in dir erzeugt oder dir ein Gefühl der Erleichterung verschafft. Berauscht zu sein mit dem richtigen Vorzeichen kann die Welt beflügeln, steckt doch immer beides in uns.
Wenn es der Wutbürger schafft, seine Wut in den Griff zu bekommen, wird er erkennen, mit derselben Anstrengung etwas Positives zu bewirken und die Spirale dreht sich nach oben.
Der Stammtisch hat eine Idee für die gute Sache und losgelöst von allem Groll gegenüber der Obrigkeit, dem Staat, seinen Vertretern, dem Chef und dem Rest der so übermächtigen Welt, machen sich Gleichgesinnte auf den Weg um zu beweisen, dass man sein Schicksal selber in die Hand nehmen muss und dadurch ein Gefühl der Freiheit erfährt, von dessen Existenz man bis dato noch nichts wusste.
„Der Mensch hat in seiner Geschichte schon so oft bewiesen was in ihm steckt, doch bin ich der Meinung, für die wirklich großen Würfe braucht es einen Rausch.“
Der Film „Tomorrow“ veranschaulicht sehr schön, was dabei herauskommt, wenn man aus der Not eine Tugend macht und dabei erkennt, dass sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten bieten. Der Mensch hat in seiner Geschichte schon so oft bewiesen was in ihm steckt, doch bin ich der Meinung, für die wirklich großen Würfe braucht es einen „Rausch“.
Den braucht der nicht müde werdende Archäologe, der fest daran glaubt einen weiteren Stein für sein Mosaik zu finden. Der Taucher, der fest davon überzeugt ist den Schatz zu heben, sowie der Dirigent, der spürt was zwischen den Notenlinien steht, das er den Instrumenten seiner Musiker entlocken möchte. Berauscht zu sein ist ein wunderbares Gefühl. Da braucht es keinen Alkohol und keine Drogen.
Es hat ein bisschen was vom Träumen, mit dem Ziel, etwas ganz Großes zu machen. Sich selber die Momente schenken in denen wir spüren, dass uns eine wunderbare Kraft begleitet.