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Detox: Warum Entgiften?

Warum der Frühling einfach nach einem Entgiften schreit, was Detox dazu beiträgt, und wieso Gwyneth Paltrows „Hula Hydrator“ nicht wirklich die erste Wahl dafür ist.

Detox: Warum Entgiften?

„Wir sind in Europa so sehr mit Umweltgiften belastet, dass speziell unsere Leber mit der Entgiftung nicht mehr nachkommt.“

Kate Moss tut es, Cate Blanchett, Ralph Fiennes und Gwyneth Paltrow. Sie alle detoxen. Beigebracht hat es ihnen Nish Joshi, ein Alternativmediziner mit indischen Wurzeln. 21 Tage dauert das Programm des Detox-Urvaters, das ayurvedisch inspiriert ist. Und es ist nichts für Weicheier: Gestrichen ist nicht nur Kaffee, Brot und rotes Fleisch, sondern auch Weizen, Milchprodukte, Fruchtsäfte, Obst – außer Bananen – Alkohol, Zucker, Pilze, Auberginen und alles mit Zusatzstoffen. Dafür labt man sich an Salat, gekochtem Gemüse, Fisch, Darmspülungen und Akupunktur.

Und warum das Ganze? Abgesehen davon, dass man danach nie mehr Lust auf Süßes haben wird, wie Joshi verspricht? Die Vermeidung von sauren und verarbeiteten Lebensmitteln soll Toxine ausspülen, die Balance des pH-Wertes im Körper von sauer auf basisch umstellen. Das lässt nicht nur die Kilos purzeln, sondern ist auch gesund. Schließlich sind bereits rund 25 Prozent aller Krankheiten und Todesfälle global auf Nahrungsmittel- und Umweltgifte zurückzuführen. Das sagt übrigens nicht der Detox-Guru, sondern die Weltgesundheits-Organisation WHO. Und die sagt noch mehr: Etwa, dass künstliche Lebensmittelzusätze und die zunehmende Umweltverschmutzung die Gesundheit mehr und mehr belasten – neben ständigem Stress, mangelnder Bewegung und ungesunder Ernährung.

17 Jahre ist es jetzt her, seit Joshis Detox-Klinik in London ihre Pforten öffnete. Zwischenzeitlich sind Detox-Angebote wie Schwammerl aus dem Boden gewachsen. Einer der ersten, der hierzulande entlasten wollte, ist der Mediziner Christian Matthai. In seinem vierwöchigen Programm stehen die Organe Leber und Nieren im Zentrum, die Umweltgifte, Medikamente, Schwermetalle, Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker verarbeiten müssen. Wenn es ihnen zu viel ist, geben sie mitunter ungute Antworten in Form von chronischen Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verdauungsproblemen, Schwindel oder Konzentrationsstörungen. Matthai setzt auf positive Vibes, Bewegung und entgiftendes Essen, etwa Rote Rüben, Artischocken, Brokkoli, Kohl, Zwiebel und Knoblauch, Gojybeere, Acai oder Mangosteen. Und auch bei ihm gilt: kein Zucker, kein Alkohol, vier Stunden Sport pro Woche, viel trinken und schlafen, nichts Gebackenes, Paniertes, Frittiertes, keine Fertiggerichte oder Junkfood. Einen vierstelligen Betrag muss man dafür allerdings investieren.

Und was halten Sie von Detox?

„Ich halte den Begriff für überzogen“, sagt Marcus Drapal, dessen gleichnamiges Unternehmen vor allem naturreine Pflanzensäfte herstellt. Warum? „Weil damit auch Versprechen gegeben werden, die dann leider nicht erfüllt werden können“. Für ehrlicher und realistischer hält Drapal „Reinigung von Innen oder die Reduktion der Zufuhr sogenannter Gifte.“ Ganz ähnlich sieht das die Komplementärmedizinerin Ilse Triebnig, die Detox-Kuren leitet: „Detox bedeutet für mich Entgiftung im weitesten Sinn, im Gegensatz zu Fasten, das eine zeitweilige Enthaltsamkeit zumeist von Genussmitteln bedeutet und schon seit alters her im Frühling eine wohl durchdachte Einrichtung ist.“

Sie unterscheidet zwischen Menschen, die quasi dauerentgiften sollten und den „Normalos“. Erstere sind Berufsgruppen, die mit Blei, Crom, Pestiziden, Fungiziden etc. zu tun haben oder auch Landwirte, die Unkrautvertilgungsmittel verwenden. „Das Buch von Martin Rümmele ,Zeitbombe Umweltgifte´ sollte jeder einmal lesen“, empfiehlt sie. Wer sich mit Bio-Lebensmitteln ernähre und sauberes Trinkwasser habe, bei dem reiche es, zwei Mal pro Jahr die Gifte aus dem Körper auszuschleusen.
Dem gegenüber steht allerdings das Argument, der Körper entgifte selber mit Leber und Niere, Darm und Haut, das gern von einigen Wissenschaftlern eingebracht wird. Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften an der Uni Wien etwa sagt: „Wenn wir uns halbwegs vernünftig ernähren, können wir unseren Organismus so am Laufen halten, dass er automatisch Giftstoffe ausscheidet.“

Abgesehen davon gäbe es auch keine Nährstoffe, die den Körper besonders dazu befähigen würden, zu entgiften. Triebnig ist da anderer Meinung: „Wir sind in Europa so sehr mit Umweltgiften belastet, dass speziell unsere Leber mit der Entgiftung nicht mehr nachkommt, was zur Folge hat, dass die Fettleber die häufigste Erkrankung darstellt.“ Nicht zu vergessen sei die noch immer vorhandene Belastung der Böden mit den Tschernobyl-Abfallprodukten: „In den Gebieten, die damals von Regen betroffen waren, haben Pilze und Wildschweinfleisch noch immer zu viel an Cäsium und Strontium – beides krebserregende Substanzen.“ Und weil sich die Toxine zumeist im Bindegewebe ablagern, ist es sinnvoll, diese Last auch wenn man sich nicht schlapp oder müde fühlt, zu eliminieren, sagt sie.

Setzen Sie auf Pflanzenpower

Warum der Frühling, wenn auch die Natur nach einem langen Winter wieder erwacht, die richtige Zeit ist, Altlasten loszuwerden? Weil auch wir Menschen die schwere und träge Energie dieser Jahreszeit damit hinter uns lassen und neu durchstarten können. Den Körper bei der Reinigung zu unterstützen, bringt physische wie auch mentale Klarheit und hilft beim Loswerden etwaigen Winterspecks. Sich dabei auch budgetfreundlicher heimischer Pflanzenstoffe und Mineralien zu bedienen, ist kein Fehler. „Die Artischocke unterstützt die Leber, die Brennnessel fördert eine klassische Entschlackung und der Löwenzahn stärkt den Magen und Darm“, sagt Drapal. Ärztin Triebnig setzt daneben auch noch auf Bärlauch, Bitterstoffe, Aloe Vera und Zeolithe. Von teuren Packages zum Detoxen halten beide gar nichts: „Der Markt ist überlastet mit teuren Säften mit zu viel Zucker und Konservierungsmitteln, die meist nur der Erzeugerfirma helfen“, so Triebnig, die dazu rät, den Beipackzettel zu studieren. Und auch Drapal spricht Klartext: „Detox ist leider sehr oft Hokuspokus – ein kritischer Blick auf die Details und seine Zusammenhänge ist dringend zu empfehlen.“

Von daher wird´s bei diesen beiden wohl auch nichts mit Frau Paltrows eigenem siebentägigem Joshi-inspiriertem Entgiftungsprogramm, das sie inzwischen auf den Markt gebracht hat – obwohl das mit Zitronenwasser, Suppen, Gemüsesäften und Smooties mit klingenden Namen wie „Godzilla Native“ oder „Hula Hydrator“ besticht.

Detox nach TCM
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) setzt in Sachen Detox auf Getreide, dem ein hohes therapeutisches Potenzial beim Entwässern oder Ausleiten von Feuchtigkeit zugeschrieben wird. Die TCM-Expertin Claudia Nichterl sagt: „Eine Reiskur beispielsweise ist ideal, wenn man sich ständig schlapp fühlt und man häufig Magenprobleme hat.“ Und so geht´s: Ein Reiskur-Tag beinhaltet maximal 150 Gramm Reis (roh gewogen). Dazu kommt Gemüse ohne Ende, maximal 500 Gramm Obst und 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit in Form von Tee, Suppe oder Wasser. Um eine vollwertige Mahlzeit zu erhalten, wird das gekochte Getreide mit gedünstetem Gemüse, Obst oder Obstkompott, Kräutern und Gewürzen ergänzt. Erlaubt sind zudem kleine Mengen Nüsse, Samen, Linsen, Bohnen oder Tofu und hochwertige, kalt gepresste Öle. Kaffee, Schwarztee, Alkohol und Nikotin sind tabu. Tees wie Maishaartee, Melissentee, Brennesseltee, Mariendisteltee und warmes oder heißes Wasser unterstützen die Kur. Die Tage danach muss die Verdauung und der Stoffwechsel je nach Länge der Kur mit leicht verdaulicher Kost wieder behutsam an die Mahlzeiten herangeführt werden. Die Aufbauzeit sollte mindestens ein Drittel der Länge der Fastenzeit betragen.

Geschrieben von Alexandra Binder

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