Ich habe es wiedermal auf die Wiesn in München gewagt, nachdem ich sie zwei Jahre vermieden habe. Trotzdem versuche ich hier objektiv meine Erfahrungen auf dem Oktoberfest zu beschreiben .
Schon in München angekommen und in der Bahn sitzend begegneten mir einige Menschen in Ihrer Tracht. Ob wild knutschend im Wagon, auf dem Boden des Bahnhofs im Delirium oder putzmunter und stolz mit einem riesigen Lebkuchen Herz um den Hals auf dem langen Weg nach Hause – die Szene war bunt.
Sowohl der Zustand der Menschen, als auch Ihre Tracht variierten stark: in dem Meer der Leute konnte man Lederhosen mit weißen Socken aus einem knittrigem Plastik-Stoff, kurze Dirndl die gerade die nötigsten Stellen bedeckten, wunderschöne Flechtfrisuren mit Blumenkränzen, einige Ausreißer in Straßenklamotten und auch edle Tracht erblicken. Eines hatten sie jedoch alle gemeinsam – jeder von ihnen würde binnen Stunden auf den selben Bänken versacken und sich gegenseitig laut grölend „Aber bitte mit Sahne“ oder „Atemlos durch die Nacht“ aus voller Kehle zubrüllen, während sie sich wippend in den Armen lagen.
Natürlich gab es auch die Elite unter den Trinkern, die die Menschentrauben um ein Uhr Mittags vor den geschlossenen Türen des Bierzeltes vermeiden konnten, indem sie ihr Bändchen fröhlich wedelnd in die Luft hielten und die Anderen im wahrsten Sinne mit ihren Regenschirmen im Regen draußen stehen ließen. Denn nur wer viel Geld in der Tasche übrig hat, von einem entfernten Freund eingeladen wird oder sich bereits im März für einen Tisch beworben hat, kann zu jederzeit die Schlangen vermeiden und in das Zelt eintreten.
Selbst die Stimmung im Zelt spaltete sich wie Tag und Nacht. Die Einen hatten den Tag Ihres Lebens, als sie gut gelaunt ihr 25€ Hähnchen mampften, ihre 12€ Maß in der Hand hielten und sie immer wieder auf den Tischen tanzten, mit Fremden Menschen im Arm, während ein Schlager den anderen toppte und sie vor lauter Euphorie lachend von den Tischen fielen. Einige Andere jedoch, egal ob Türsteher, Kellner oder ein in der Schlange stehender Besucher, hatten deutlich schlechtere Laune. Wütend wird man immer wieder mal in die gewünschte Richtung geschubst, oder bekommt einen Tinnitus durch ein Brüllen im Ohr. Hier und da ein aggressiver Kommentar vom Nachbar, der sich über ein Schluck Bier aufregt, das auf dem Körper verschüttet wurde und fertig ist der saure Brei.
Aber das Dilemma ist klar: jede halbe Stunde wird man gedrängt, sich wieder einen Liter Bier zu bestellen, nachdem das Erste noch nichtmal geleert wurde. Wenn man dies nicht in dem gewünschtem Tempo schafft, kann es passieren, dass man prompt von dem um 9 Uhr Morgens ergatterten Tisch gescheucht wird. Das Bier drückt bekanntlich ziemlich schnell und sehr stark auf die Blase. Der Toilettengang sei jedoch gut überlegt, denn vor allem bei den Frauen kann es vorkommen, dass man eine Stunde in der Schlange, beziehungsweise Traube von gereizten Frauen gefangen ist und eine Weile von einer Seite zur nächsten geschoben wird.
Für die etwas ruhigeren Gäste: schön sind die Wiesn besonders, wenn man Vormittags in den Biergärten, auch etwas kleineren Zelten sitzt und sich ein Weißwurschtfrühstück kauft. Des Weiteren gibt es für Liebhaber der bayrischen Kultur die „Oide Wiesn“, auf der man traditionell sein Bier und Hendl in Ruhe zur bayrischen Musik genießen kann.
Und hier noch eine weitere tolle Neuigkeit: Selbst die Wiesn Wirte haben in diesem Jahr etwas zum Klimaschutz beigetragen.
Das Fazit: die Erfahrungen der Wiesn Besucher variieren sehr stark. Manche Fiebern das ganze Jahr auf die drei wöchige Gaudi hin, während Andere sich schon sträuben, wenn Freunde aus dem Ausland ihren Besuch auf die Wiesn ankündigen. Aber genau das ist eben auch der Charme und der Sinn des Oktoberfestes: ob gut oder schlecht, ein Mal muss man es gesehen haben.
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