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Weltuntergang doch lieber absagen


Wie sollen wir über die Klimakrise berichten? Die Horrormeldungen überschlagen sich. Medienleute erzählen den Menschen immer wieder, dass Dürren, Unwetter, Hungersnöte  vor der Tür stehen, dass das ansteigende Meer die Küsten überfluten wird und immer mehr Gebiete der Welt unbewohnbar werden. Damit wollen sie die Leser*innen, Zuschauer*innen und Hörer*innen aufrütteln, damit sie weniger fliegen, weniger konsumieren, weniger Autofahren und weniger Fleisch aus Massentierhaltung kaufen. 

Und was passiert: Die meisten machen weiter wie bisher. Entweder sie schieben die Verantwortung auf andere oder den Staat nach dem Motto: „Ich allein kann eh nichts ändern“. Andere leugnen die Klimakrise und wählen aus Trotz Donald Trump, die FPÖ oder die AfD. Und viele resignieren komplett. Ihr Schluss: „Wenn die Welt sowieso untergeht, dann will ich es jetzt noch richtig „krachen lassen“. All das bringt uns nicht weiter.

Ermutigung statt nur Horror

Das Internetportal earthrise about geht einen anderen Weg: Statt auf wissenschaftliche Zahlen und Grafiken konzentriert es sich auf Menschen, die etwas gegen die Klimakrise unternehmen und sich dafür einsetzen, dass unser Planet bewohnbar bleibt. Ähnliche Wege gehen die Krautreporter, die Riffreporter und im Wirtschaftsjournalismus Lets flip it. Jeden Freitag stellen die Journalist*inn*en des Portals Menschen und Unternehmen vor, die die Wirtschaft nachhaltiger machen. Sie erzählen die Geschichte eines jungen Mannes, der kaputte Turnschuhe repariert, obwohl sich das (wirtschaftlich angeblich) nicht lohnt. Eine andere Folge des Newsletters berichtet vom Start-Up Recup aus München, das einen bundesweiten Vertrieb von Mehrweg-Kaffebechern aufbaut, eine weitere berichtet über die Bürgerbewegung Finanzwende, die sich unter anderem mit nachhaltigen Geldanlagen beschäftigt.

Der wöchentliche Podcast Geilmontag stellt jede Woche Sozialunternehmer*innen vor, die ihr Geld ihr Geld damit verdienen, dass sie die Welt ein bisschen besser machen. Dort habe ich zum Beispiel von Africa Greentec erfahren. Das junge Unternehmen exportiert mobile Solaranlagen nach Mali und in den Niger, wo sie in abgelegenen Dörfern erstmals Strom produzieren. Die Wirkung, neudeutsch Impact, ist enorm. Menschen, die Strom haben, können kleine Unternehmen gründen, sich damit ihren Lebensunterhalt verdienen und die Lebensbedingungen im Dorf verbessern. Man kann dort sogar Geld anlegen – gut verzinst, aber natürlich riskant. 

Medienkonsument*innen wünschen sich mehr gute Nachrichten, klicken aber vor allem auf die schlechten

In einem Experiment wies zum Beispiel die McGill University in Kanada nach, dass Leser*innen negative Nachrichten eher lesen als positive. Worte wie „Krebs“, „Bombe“ oder „Krieg“ erfassen die meisten Menschen schneller, als freundliche Begriffe wie „Spaß“, „Lächeln“ oder „Baby“. Wissenschaftler*innen vermuten, dass unser Gehirn in Jahrhunderten der Evolution vor allem darauf trainiert wurde, auf Gefahren zu reagieren. Die Folge: Die große Mehrheit der Menschen schätzt den Zustand der Welt deutlich schlechter ein, als er ist. Psycholog*innen nennen diesen Effekt den Negativitäts-Bias. Dabei ist in den letzten Jahrzehnten vieles besser geworden. Einige Beispiele findest Du hier (Englisch).  

konstruktiver Journalismus: Missstände benennen UND Lösungswege zeigen

Um die Menschen aus der Negativhaltung und daraus folgenden Resignation zu holen, verschreiben sich immer mehr Medienschaffende dem „Konstruktiven Journalismus“  In Deutschland gibt es inzwischen ein Online-Magazin, das diesem Konzept folgt: Perspective Daily. Es will nicht nur über das berichten, was falsch läuft, sondern Alternativen aufzeigen und Verbesserungsvorschläge dokumentieren. Der Norddeutsche Rundfunk hat im Oktober 2020 einen Tag mit Diskussionen und Gesprächen zum konstruktiven Journalismus veranstaltet. Die Aufzeichnung kannst Du hier nachhören

Objektivität ist ein Mythos

Unter deutschsprachigen Journalist*inn*en ist das Konzept umstritten. Viele meinen, man dürfe sich als Berichtende*r mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer Guten. Sie berufen sich unter anderem auf den ehemaligen Tagesthemen-Moderator Jans-Joachim (HaJo) Friedrichs, dem das Zitat zugeschrieben wird. Auch an den deutschen Journalistenschulen lernen angehende Reporter*innen, dass sie objektiv zu berichten hätten und keine Partei ergreifen dürfen. Doch dieser Anspruch ist unrealistisch. Schon die Auswahl der Geschichten, die gedruckt werden oder über den Sender gehen, ist subjektiv gefärbt. Ist es dann nicht ehrlicher, als Reporter*in zu sagen, was man über die jeweilige Sache denkt? An ihre Grenzen kommt die Objektivität, wenn Medien über Minderheiten-Meinungen auch dann ausführlich berichten, wenn diese keine Faktengrundlage haben. So kommen Corona-Leugner*innen, Verschwörungserzähler*innen und Leute in die Medien, die die Klimakrise bestreiten, obwohl fast alle Wissenschaftler*innen längst vom Gegenteil überzeugt sind und diese Einschätzung auch belegen. 

An die Klimakrise haben sich die Menschen inzwischen gewöhnt. Es wird kaum noch über die Folgen berichtet, weil wir ja angeblich alle schon wissen, was da auf uns zukommt. Wie gefährlich das ist und warum Journalist*innen sich gegen die Klimakrise engagieren sollten, zeigt zum Beispiel ein Artikel von Miriam Petzold im enorm Magazin.  

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Geschrieben von Robert B. Fishman

freier Autor, Journalist, Reporter (Radio und Printmedien), Fotograf, Workshop-Trainer, Moderator und Reiseleiter

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