Der Genuine Progress Indicator oder „echter Fortschrittsindikator“, misst die Wirtschaftsleistung von Ländern. Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Wirtschaftsindikator die sozialen und ökologischen Auswirkungen ökonomischer Entwicklung außenvorlässt, berücksichtigt der Genuine Progress Indicator (GPI) auch deren offenen und verdeckte Kosten, wie Umweltschäden, Kriminalität oder abnehmende Gesundheit der Bevölkerung.
Der GPI basiert auf dem 1989 entwickelten Index der nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlfahrt, dessen Abkürzung ISEW vom englischen „Index of Sustainable Economic Welfare“ stammt. Ab Mitte der 1990er hat sich der GPI als praxistauglicherer Nachfolger etabliert. 2006 wurde der GPI, in Deutsch der „echte Fortschrittsindikator“, noch einmal überarbeitet und an die aktuellen Entwicklungen angepasst.
GPI zieht Nettobilanz
Der GPI basiert auf Schätzungen privater Konsumausgaben, gewichtet mit einem Index der ungleichen Einkommensverteilung. Berücksichtigt werden auch soziale Kosten der Ungleichheit. Im Unterschied zum BIP findet beim Fortschrittsindikator außerdem der Nutzen von unbezahlter Arbeit durch Freiwillige, Elternschaft und Hausarbeit einen Stellenwert, ebenso wie öffentliche Infrastruktur. Rein defensive Ausgaben, beispielsweise in Verbindung mit Umweltverschmutzung, Verkehrsunfällen, Verlust an Freizeit, aber auch durch die Abnutzung beziehungsweise die Zerstörung von natürlichem Kapital, werden abgezogen. Damit zieht der GPI eine Nettobilanz von Kosten und Nutzen der örtlichen Wirtschaft.
GPI: Wachstum ist nicht gleich Wohlstand
Historisch begründet sich der GPI auf der „Grenzhypothese“ von Manfred Max-Neef. Diese besagt, dass ab einem gewissen Schwellenwert in einem makroökonomischen System der Nutzen des Wirtschaftswachstums durch einen dabei entstehenden Schaden verloren geht oder gemindert wird – ein Ansatz, der auch die Forderungen und Thesen der Degrowth-Bewegung stützt. Diese kritisiert das Konzept des unbegrenzten Wachstums und setzt sich für eine Postwachstumsgesellschaft ein.
Als Erfinder des „echten Fortschrittsindikators“ gilt Ökonom Philip Lawn. Er hat für den GPI den theoretischen Rahmen zur Kosten-/Nutzenrechnung ökonomischer Aktivitäten entwickelt.
Status Quo GPI
Mittlerweile wurde der GPI einiger Länder weltweit ausgerechnet. Der Vergleich mit dem BIP ist besonders spannend: Das BIP für die USA zum Beispiel, suggeriert eine Verdopplung des Wohlstands im Zeitraum 1950 bis 1995. Der GPI im Zeitraum 1975 bis 1995 zeigt in den USA allerdings einen starken Rückgang von 45 Prozent.
Österreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Schweden und Australien verzeichnen zwar auch nach GPI-Berechnung ein Wachstum des Wohlstands, im Vergleich zur BIP-Entwicklung ist dieses aber viel schwächer. Im Impulszentrum zukunftsfähiges Wirtschaften (ImzuWi) sieht man die Bedeutung von Indizes zur Bewertung von ökonomischen Aktivitäten, wie den GPI, so: „Das BIP sitzt nach wie vor fest im Sattel. Die teils Jahrzehnte alten Versuche, die Abhängigkeit von und die Auswirkungen unseres Wirtschaftens auf Mensch und Natur realistischer abzubilden, haben bis heute kaum etwas von ihrer Radikalität und ihrer Dringlichkeit verloren. (…) Eine bloße Ablösung des BIP durch eine andere zentrale Kennzahl wird jedenfalls nicht die Lösung sein. Wir sehen das vielmehr so: RIP BIP. Es lebe die wirtschaftliche Vielfalt!“