Die Menschheit hat den Planet Erde an seine Grenzen gebracht. Fortlaufende Ressourcenverschwendung, Überkonsum in den Industrieländern und Ausbeutung der Natur – aus Not oder Habgier – lassen weder Raum noch Zeit zur Regeneration. Ändert sich die Gesellschaft weltweit nicht grundlegend, ist der ökologische Kollaps vorprogrammiert. Da sind sich inzwischen viele einig.
Die moderne Degrowth-Bewegung setzt sich für „ein gutes Leben für alle“ ein. Damit meinen ihre Vertreterinnen ein global sozial gerechtes und ökologisch nachhaltiges System. Zentraler Kritikpunkt der Bewegung an der vorherrschenden Ordnung ist deren Fundament: das Konzept des Wachstums. „Wir fahren zurzeit gegen die Wand und verhindern zukunftsfähiges Wirtschaften“, ist Franziskus Forster, Referent für Öffentlichkeitsarbeit von ÖBV-Via Campesina Austria, überzeugt. Die Österreichische Berg- und Kleinbäuerinnen Vereinigung wurde 1974 als eine bäuerliche Basisbewegung und überparteilicher Verein gegründet, der Agrarpolitik und Bildungsarbeit betreibt. Als Teil der weltweiten Kleinbäuerinnen-Bewegung „La Via Campesina”, setzt sich der ÖBV bis heute für die Grundsätze seiner Gründerinnen ein. Dazu zählt der „Widerstand gegen die Philosophie des ‚Wachsens und Weichens‘.“
Degrowth ist mehr als Reduktion
In den 1970er-Jahren hat der Begriff „Degrowth“ seinen Ursprung. Zeitgenössische Wachstumskritiker*innen brachten zunächst das französische Wort „décroissance” ins Spiel. In den 1980ern und 90ern trat die Diskussion mit Ende der Ölkrise allerdings in den Hintergrund. Einen neuen Aufschwung erlebt die Wachstumskritik seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Jetzt unter dem Begriff „Degrowth“ oder in Deutsch „Postwachstum“. Der Gedanke war bereits in den 1970ern nicht neu. John Maynard Keynes schrieb zum Beispiel schon 1930 über die „ökonomischen Möglichkeiten unserer Enkelkinder“ und sah Stagnation nicht als eine Katastrophe, sondern als eine Chance für ein „goldenes Zeitalter“. Seine Forderungen nach Umverteilung, Arbeitszeitverkürzung und die Bereitstellung öffentlicher Leistungen wie Bildung, sind auch zentrale Eckpfeiler der gegenwärtigen Degrowth-Bewegung. „Eine Postwachstumsgesellschaft braucht im Wesentlichen drei Ansatzpunkte: Reduktion – zum Beispiel beim Ressourcenverbrauch, kooperative Organisationsformen und Mitbestimmung sowie die Stärkung von nicht-monetärer Arbeit“, sagt Iris Frey von Attac Österreich.
Konkrete Handlungsvorschläge, um den Wandel zu vollziehen, sind zahlreich vorhanden. Als Beispiel für die Umverteilung mittels Steuern und Förderungen nennt Forster eine Reform der Flächenförderung in der Landwirtschaft. „Würden die ersten 20 Hektar doppelt gefördert und wären Förderungen grundsätzlich an soziale und ökologische Kriterien geknüpft, könnte die ‚Wachsen und Weichen-Spirale‘ gebremst werden. Außerdem hätte damit Arbeit, wie die Sorge um Tier und Boden, wieder eine größere Bedeutung. Die undifferenzierten Flächenzahlungen des herrschenden Systems schaden der kleinstrukturierten Landwirtschaft und erfordern nur wenige Qualitätskriterien.“ Frey ergänzt: „Wir brauchen ein komplettes Umdenken und eine umfassende Transformation der Wirtschaft. Dazu können verschiedene Ansätze beitragen. Die Initiativen für ein Lieferkettengesetzt oder genossenschaftlich organisierte Initiativen, Food Coops und andere innovative Projekte zeigen, dass dieses Umdenken bereits stattfindet und eine Postwachstumsgesellschaft realisierbar ist.“