„Wachstum und Entwicklung sind nicht dasselbe“, sagt schon Nachhaltigkeits-Kommunikator Fred Luks – und trifft damit den großen Wirtschaftstrend der nächsten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte: Wachstum bei Unternehmen wird zusehends neu bewertet und könnte langfristig gar in der Postwachstums-Gesellschaft münden. „Bei Unternehmen kommt es drauf an, was sie für Unternehmen sind und in welchem Umfeld sie agieren. Sicherlich braucht ein Start-up eine Wachstumsphase, damit es sich stabilisieren kann. Ein etablierter Handwerksbetrieb hat vermutlich keine Wachstumsstrategie und braucht sie auch nicht. Auch viele Mittelständler haben keine klar formulierte Wachstumsstrategie. Wachstum ist da eher etwas, das passiert, weil man erfolgreich ist. Und Unternehmen schrumpfen manchmal auch, weil der Markt schrumpft, auf dem man tätig ist. Die Wachstumserzählung ist vor allem eine der Großunternehmen“, sagt dazu André Reichel, Herausgeber der Studie „Next Growth“, im SZ-Interview.
„Wir stehen am Beginn einer Ära des Next Growth, in der sich wirtschaftlicher Erfolg nicht mehr nur über die ständige Maximierung des eigenen Wachstums definiert. Immer mehr verbreitet sich deshalb ein neues Mindset, ein neues Verständnis, das Wachstum nicht als eine rein ökonomische Kategorie begreift, sondern als Kombination mit gesellschaftlichen, ökologischen – und menschlichen Aspekten. Dieses Wachstumsverständnis verlangt, Wirtschaft generell anders zu denken“, sieht das auch das Zukunftsinstitut, das sich aktuell dem Trendthema „Next Growth“ widmet und zur „Befreiung vom Wachstumsfetisch“ aufruft.
Ebenso steht die Kreislaufwirtschaft am Start bisherige Wirtschaftsprozesse über den Haufen zu werfen. „Anstatt unnötig eine kontinuierliche Nachfrage nach Produkten voranzutreiben, die wir nicht wollen oder brauchen, können Fehlkäufe vermieden und Ressourcenkreisläufe verlangsamt werden“, meint Nancy Bocken vom Zukunftsinstitut.
Düstere Prognosen bestätigen, dass „next growth“ und Kreislaufwirtschaft zukunftsträchtige Alternativen sind. So kündigt eine Studie des Beratungsunternehmens Bain & Company eine „Dekade der Extreme“ an: „In den 2020er-Jahren prallen eine rapide alternde Bevölkerung, ein beispielloser Technologieboom und zunehmende Ungleichheit aufeinander und sorgen für enorme Turbulenzen sowie Instabilität in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Digitalisierung von Produktion und Dienstleistungssektor steigert die Arbeitsproduktivität gegenüber 2015 im Schnitt um 30 Prozent. Da die Nachfrage deutlich langsamer wächst als das Produktionspotenzial, gehen Arbeitsplätze verloren. Von der Digitalisierung profitieren indes hierzulande nur etwa 20 Prozent der Berufstätigen. Das sind diejenigen, die für die Anforderungen der Zukunft qualifiziert sind. Während ihre Gehälter deutlich steigen, gerät die breite Mittelschicht in der kommenden Dekade immer stärker unter Druck. Die schon heute bestehende Ungleichheit bei den Einkommen und den Vermögen wird weiter zunehmen. Auch die sozialen Folgen von Alterung, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit stellen eine Bedrohung dar. Regierungen dürften darauf mit strikterer Regulierung der Märkte, verschärftem Kartellrecht oder höheren Steuern reagieren.“