„Ungesunde Lebensführung, aber auch Stress sowie Schlafmangel tragen dazu bei, dass die Aussicht auf Sex eher den Totstellreflex stimuliert als etwas anderes.“
Guter Rat ist teuer, und wo sucht man ihn? Natürlich im Internet. Dr. Google wird schon weiter wissen. Und tatsächlich ist eine Suchanfrage betreffend Libidoverlust durchwegs ergiebig. Man erfährt, dass eine Abnahme des Verlangens altersbedingt dank gedrosselter Hormonproduktion, als durchaus normal anzusehen ist. Aber auch, dass hinter verminderter Lust oft organische Erkrankungen, psychische Störungen, sowie Nebenwirkungen verschiedenster Medikamente stecken können. Freilich wird als erster Schritt eine medizinische oder psychologische Abklärung der Ursachen empfohlen. Allerdings würde sich wohl so mancher Betroffener eher einer gediegenen Wurzelbehandlung unterziehen, als bei einem Arzt das Thema sexuelle Unlust zu besprechen. Auch die Apotheke wird selten ins Vertrauen gezogen. „Männer wenden sich so gut wie nie mit dieser Problemstellung an mich. Aber sehr wohl holen sie Erkundigungen ein, ob es nicht etwas gäbe, womit man der Frau wieder etwas mehr Lust machen könnte“, weiß ein befragter Apotheker zu berichten.
In Sachen Potenz
Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Arzneimittel als kleine Helferleins sind die geheimen Top-Seller im Internet. Unter den verschiedenen Wirkstoffen findet sich besonders häufig die Aminosäure L-Arginin, welche gefäßerweiternd wirken, also eher bei männlichen Potenzstörungen Hilfe verspricht. Hierbei handelt es sich zwar um eine andere „Baustelle“, nämlich des „Wollens aber Nicht-Könnens“. Aber durchaus nachvollziehbar, führen Errektionsprobleme häufig dazu, dass dem Mann sprichwörtlich die Lust vergeht. Auch in Zeiten der kleinen blauen Pillen, also Viagra und Co, genießen pflanzliche Alternativen immer noch eine hohe Nachfrage. Dies liegt vermutlich nicht nur an dem vorherrschenden Trend sich mit möglichst natürlichen Mitteln zu behelfen, sondern vor allem auch daran, dass Sildenafil und ähnliche Wirkstoffe nicht von Menschen mit Herzkreislauf- oder Nierenerkrankungen eingenommen werden dürfen.
Darf´s ein bisserl mehr sein?
Wem das Erwachen der Lust als Effekt nicht ausreicht, wird bei mehr oder weniger exotischen Pflanzen fündig. Die Maca-Wurzel zum Beispiel, soll bei regelmäßiger Einnahme sowohl Frauen als auch Männern neue Lendenkraft schenken, aber auch den Muskelaufbau fördern, den Cholesterinspiegel senken, und auch positiv auf die psychische Befindlichkeit wirken. Schon im Inkareich frischten Adelige und Krieger ihre Vitalität damit auf.
Der Bockshornklee, ein weiteres Wunderkind der Natur, bringt ebenso die Libido auf Vordermann. Was er noch alles kann, möchte man gar nicht glauben: Er bringt das Kopfhaar wieder zum Sprießen, hilft bei übermäßigem Schwitzen, wirkt appetitanregend und fördert bei stillenden Frauen die Milchproduktion. Vor euphorischen Hamsterkäufen sei jedoch gewarnt. Wirksamkeits- und Toxizitätsstudien liegen in überschaubarem Umfang vor, und damit auch eine eingeschränkte Anwendungssicherheit. Dies wissend empfiehlt es sich, Bezugsquellen weise zu wählen. Also etablierte Hersteller phytopharmazeutischer Arzneien wählen, welche oftmals das Gute mehrerer Pflanzen in Kombinationspräparaten vereinen. Dazu gehören Durchblutungsförderung, Stärkung bzw. Vitalisierung sowie eine regulierende Wirkung auf einen der sexuellen Appetenz unzuträglichen Hormonhaushalt.
Lustkiller Alltag
Ob und wie sich diese diätetischen Maßnahmen auswirken, hängt freilich von den zu Grunde liegenden Ursachen ab. Ungesunde Lebensführung, (Stichwort Genussgifte) aber auch Stress sowie Schlafmangel tragen dazu bei, dass die Aussicht auf Sex eher den Totstellreflex stimuliert als etwas anderes. Es kann daher kaum verwundern, dass die sexuelle „Appetenzminderung“ wie es im Fachjargon heißt, auf dem Vormarsch ist. Ob fehlende Lust jedoch einen Krankheitswert besitzt, hängt allerdings in erster Linie vom individuellen Leiden der Betroffenen ab.
Katholische Geistliche, werden dies vielleicht ebenso wenig monieren, wie Menschen, die ihr Leben lang keine erfüllenden Sexualkontakte kennengelernt haben. Wenn jedoch in einer Beziehung statt heißem Sex nur noch Kuscheln angesagt ist, wird möglicherweise der sexuell vitale Partner mit dieser Programmänderung auf Dauer ein Problem haben. Vielleicht wird sogar der Fortbestand der Beziehung unter diesen Voraussetzungen in Frage gestellt. Spätestens dann entsteht ein Leidensdruck.
Lust auf Sex? Red ma drüber
Gar nicht so selten lässt aber auch die Motivation beider Partner zu wünschen übrig. Paare haben die Eigenschaft den Sexualakt mit zunehmender Laufdauer zu perfektionieren. Die Handgriffe sitzen, man weiß was zum Erfolg führt, und der Beischlaf wird zur Routine. No risk, no fun. Da kann die Aussicht auf eine 08/15 Nummer, welche bereits vor zehn Jahren einstudiert wurde, nicht mit der neuesten Staffel der aktuellen Lieblingsserie mithalten. Paar fragt sich also, wie kommt denn wieder Leben in die ganze Sache?
Abgesehen von oben genannten Mitteln, gibt es ein besonders vielversprechendes: Kommunikation. Eine kürzlich an der Meduni Wien durchgeführte Studie kam zu diesem erstaunlichen Ergebnis. Es wurde untersucht inwieweit die Gabe von Oxytocin einen positiven Effekt auf das sexuelle Erleben des Mannes hatte. Zur Überraschung der Wissenschaftlerinnen zeigten sich sowohl in der Placebo-Kontrollgruppe als auch in der Ocytocin-Testgruppe gleich positive Werte. Dies war nur dadurch erklärlich, dass begleitend beide Partner gemeinsam (!) Fragebögen zum Thema Sex ausfüllen mussten. So einfach ist die Sache. Mit dem Reden und Zuhören kommt der Appetit.
„Telefonsex-Afficionados“ wissen das bereits. Nach den ersten hochnotpeinlichen Anfängen, schafft das Sprechen über Wünsche und Phantasien Vertrauen und Intimität, und steigert auch nachhaltig die Lust. Vielleicht eine schöne Gelegenheit seine Freiminuten einmal wirklich sinnvoll zu nutzen.
Die Unlust
Sexuelle Inappetenz (Male hypoactive sexual desire disorder” bzw. “Female sexual interest/arousal disorder”) ist gekennzeichnet vom Mangel oder gänzlichen Fehlen (zu 75-100 Prozent) sexueller Phantasien oder des Verlangens sexuell aktiv zu werden. Ein zeitweises Auftreten kann als durchaus normal betrachtet werden, entscheidend für eine
Diagnose sind sowohl die Dauerhaftigkeit (länger als sechs Monate) als auch der Leidensdruck. Da nur ein Bruchteil der Betroffenen medizinische Hilfe in Anspruch nimmt liegen lediglich Schätzungen vor. Etwa 50 Prozent der Frauen und 10-20 Prozent der Männer sind im Laufe ihres Lebens davon betroffen.
„Sexual Health Australia“ erweitert mit dem Begriff der “Miss Matched Libido” das Störungsbild. Im Fokus steht nicht die Problematik des Individuums, sondern jene des Paares. Hierunter wird eine Inkompatibilität des sexuellen Verlangens zweier Partner in einer Beziehung verstanden. Dies bedeutet nicht automatisch, dass eine “Hypoactive sexual desire disorder” vorliegt, auch wenn dies möglich ist. Durch den Fokus auf das Missverhältnis des sexuellen Appetits, entsteht eine Verschiebung des Problems vom einzelnen hin zum Paar, und legt auch eine gemeinsame, häufig paartherapeutische Behandlung nahe.
Abzugrenzen davon ist die sexuelle Orientierung der Asexualität. Asexuelle Menschen erleben das Fehlen des Wunsches nach sexueller Aktivität und auch die fehlende sexuelle Anziehung zu Menschen jedweden Geschlechts, als als zu ihrem Selbst zugehörig.