in , , , ,

Klimaschutz: Compensators kaufen der Industrie die Verschmutzungsrechte weg


Fliegen, Heizen, Autofahren, Einkaufen. Bei fast allem, was wir tun, verursachen wir Treibhausgase. Diese befeuern die Erderwärmung. Wer dem entgegenwirken will, kann mit einer Spende an vermeintliche oder tatsächliche Klimaschutzprojekte seine Treibausgasemissionen „ausgleichen“. Doch viele dieser sogenannten Kompensationen halten ihre Versprechen nicht. Niemand weiß zum Beispiel, wie lange Wälder stehen bleiben, die aus den Spenden für den CO-Ausgleich finanziert werden. Auch die Wirkung anderer Projekte irgendwo im „Globalen Süden“ lassen sich kaum kontrollieren. Deshalb kaufen einige Anbieter mit den Spenden lieber Verschmutzungsrechte aus dem EU-Emissionshandel und entziehen sie dem Markt. 

Industriebetriebe, Kraftwerksbetreiber, Fluggesellschaften und andere Unternehmen in Europa müssen Verschmutzungsrechte kaufen, bevor sie klimaschädliche Treibhausgase in die Luft pusten. Nach und nach gilt diese Pflicht für immer mehr Branchen. Spätestens ab 2027 müssen nach den Plänen der EU auch Betriebe der Gebäudewirtschaft, der Schifffahrt und des Straßenverkehrs, also etwa Speditionen, solche Emissionsrechte erwerben. Nach und nach erfasst dieser Europäische Emissionshandel ETS so bis zu 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen.

Aktuell kostet das Emissionsrecht für eine Tonne CO₂ etwas mehr als 90 Euro. Anfang des Jahres waren es noch 80. Bisher erhielten die Unternehmen einen großen Teil dieser Zertifikate kostenlos. Von Jahr zu Jahr vergibt die EU-Kommission nun weniger dieser Verschmutzungsrechte. Ab 2034 gibt es dann keine kostenlosen mehr. 

Emissionshandel: Markt für Verschmutzungsrechte

Wer die Berechtigungen nicht nutzt, weil er oder sie weniger Treibhausgase ausstößt, kann sie weiterverkaufen. So hat sich ein Markt für Verschmutzungsrechte gebildet. Je teurer diese Zertifikate werden, desto rentabler sind Investitionen in den Klimaschutz.

Organisationen wie die Compensators kritisieren, dass die EU zu viele dieser Verschmutzungsrechte ausgegeben hat. Der Preis sei viel zu niedrig, um die Umstellung auf klimaschonende Technologien zu fördern. „So erreichen, wir Europäer unsere Klimaziele nie“, schreiben die Compensators auf ihrer Internetseite. 

Deshalb helfen sie dem Klimaschutz auf die Sprünge: Sie sammeln Spenden und kaufen mit dem Geld Verschmutzungsrechte, die die Industrie dann nicht mehr nutzen kann. Compensators-Vorstandsmitglied Hendrik Schuldt verspricht, dass diese Emissionsrechte „nie wieder auf den Markt kommen“. Bis Ende Februar habe seine Organisation mit Spendeneinnahmen von 835.000 Euro Zertifikate für rund 12.400 Tonnen CO2 stillgelebt. Noch ist diese Menge zu gering, um den Preis spürbar zu beeinflussen.

Den Preis für die Belastung des Klimas hochtreiben

Je mehr Verschmutzungsrechte die Compensators dem Markt entziehen, desto schneller steigt der Preis. Das funktioniert, solange die EU nicht wieder neue Zertifikate billig oder kostenlos auf den Markt wirft. Das hält Schuldt jedoch für sehr unwahrscheinlich. Schließlich nehme die EU ihre Klimaziele ernst. Tatsächlich hat sie auch jetzt in der aktuellen Energiekrise nur die Verteuerung der Zertifikate gestoppt, aber keine zusätzlichen kostenlosen oder verbilligten Emissionsrechte ausgegeben.

Michael Pahle beschäftigt sich am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK mit dem Emissionshandel. Auch ihn überzeugt die Idee der Compensators. Allerdings hätten 2021 auch zahlreiche Finanzinvestoren Verschmutzungsrechte gekauft, um von steigenden Preisen zu profitieren. Damit hätten sie die Kurse so sehr nach oben getrieben, dass die Politik schon zusätzliche Zertifikate auf den Markt bringen wollte, um den Preisanstieg zu bremsen. Diese Gefahr sieht Pahle auch dann, wenn „viele idealistisch motivierte Leute zu viele Zertifikate kaufen und die Preise deshalb stark steigen“.

Der Politik zeigen, dass wir für Klimaschutz freiwillig bezahlen

Pahle lobt den Ansatz der Compensators auch aus einem anderen Grund: Die Spenden zeigten der Politik, dass Menschen bereit sind, für mehr Klimaschutz zu bezahlen – und das trotz steigender Preise für die Emissionsrechte.

Neben den Compensators kaufen auch andere Organisationen Emissionsrechte von den Spenden, die sie einnehmen: Cap2 richtet sich jedoch nicht an Endverbraucher*innen, sondern an die großen Investoren auf den Finanzmärkten. Diese können über Cap2 die Emissionen „ausgleichen“, die ihre Wertpapierdepots direkt oder indirekt verursachen.  

Anders als Cap2 oder For Tomorrow arbeiten die Compensators in ihrem gemeinnützigen Verein ehrenamtlich. Sie versprechen, dass sie 98 Prozent der Spendeneinnahmen für den Kauf der Verschmutzungsrechte verwenden und nur etwa zwei Prozent für Verwaltungskosten.

Hinweis: Den Autor dieses Beitrags hat das Konzept der Compensators überzeugt. Er ist dem Verein beigetreten.

Da geht noch mehr?

Wer über Vermeiden, Verringern und Kompensieren hinaus noch etwas für den Klimaschutz tun möchte, kann sich in zahlreichen Projekten engagieren. Spenden sind willkommen, zum Beispiel  bei ZNU goes Zero der Uni Witten– Herdecke oder der Klimaschutz Plus Stiftung. Statt CO₂– Kompensationen bietet deren Ableger Climate Fair die Möglichkeit, Geld in Bürgerfonds einzuzahlen, die Energiesparprojekte und den Ausbau der „Erneuerbaren“ in Deutschland fördern. Die Einnahmen daraus fließen dann wieder in neue Klimaschutz– Projekte. Über die Verwendung der Mittel entscheiden die Spenderinnen und Spender.

Dieser Beitrag wurde von der Option-Community erstellt. Mach mit und poste Deine Meldung!

ZUM BEITRAG AUF OPTION DEUTSCHLAND


Geschrieben von Robert B. Fishman

freier Autor, Journalist, Reporter (Radio und Printmedien), Fotograf, Workshop-Trainer, Moderator und Reiseleiter

Schreibe einen Kommentar