Laut einer Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen gaben Anfang 2013 40 Prozent der Befragten an, dass sie sich einen ökologisch einwandfreien, klima-freundlichen Urlaub wünschen. Ein Jahr zuvor waren es nur 31 Prozent. Sozialverträglichen Urlaub, also faire Arbeitsbedingungen und Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung, wünschten sich sogar noch mehr, stolze 46 Prozent.
Unsere Reiselust wirkt sich weltweit aus. Schadstoffemissionen und Ressourcenverbrauch greifen in das natürliche und soziale Geflecht jeder Urlaubsregion ein. Schätzungen zufolge liegt der Anteil des Tourismus an den globalen CO2-Emissionen heuer schon bei zwölf Prozent. So zerstören wir langsam, aber sicher, wonach wir doch eigentlich suchen: Eine intakte Umwelt und funktionierende soziale Strukturen. Unser Urlaub unterstützt daher auch den Klima-Wandel.
Klima-bewusster Urlaub
Wer im Urlaub bewusst möglichst umweltschonend leben möchte, findet zum Glück immer mehr Angebote, die sich mit Begriffen wie „Nachhaltigkeit“, „sanfter“ oder „grüner Urlaub“ schmücken. Es gibt heuer mehr als 100 Siegel und Zertifikate, die eine Schneise in den Dschungel der Ferienangebote schlagen sollen. Doch nicht alle sind gleich aussagekräftig. Manche werden nur unter Auflage strenger Kontrollen vergeben, andere verleihen sich die Anbieter praktischerweise gleich selbst. Der „Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung Basel“ hat deshalb gemeinsam mit der Naturfreunde Internationale Wien und anderen Organisationen 20 führende touristische Nachhaltigkeitslabels nach objektiven Kriterien ausgewählt. Neben dem österreichischen Umweltzeichen für Tourismus erfüllen diese in Europa die „Blaue Schwalbe“ und das „CSR“-Siegel. Weltweit bieten auch „Earth Check“ und „Green Globe“ zuverlässig Orientierung.
Schonen können wir die Umwelt schon durch die Wahl unseres Reisemittels. An- und Abreise sowie die Fortbewegung am Urlaub-Ort verursachen rund drei Viertel aller schädlichen Emissionen, die Beherbergung dagegen nur 20 Prozent. Allein ein Interkontinentalflug von Europa in die Karibik verursacht höhere CO2-Emissionen, als aus nachhaltiger Sicht einer einzelnen Person in einem Jahr zusteht.
Verbessern lässt sich das Missverhältnis nur durch einen langen Aufenthalt. Wer weiter als 2.000 Kilometer weit fliegt, sollte mindestens vier Wochen in der Ferne bleiben. Man muss es sich nur leisten können… Nachteilig für das Klima sind auch die beliebten Städtekurztrips, jedenfalls immer dann, wenn sie mit einem Flugzeug angetreten werden. Wem unsere Umwelt lieb ist, der steigt für den Wochenendtrip in Bus oder Bahn. So bleibt vielleicht auch ein Fortbewegungsmittel erhalten, das akut von der Einstellung bedroht ist – der Nachtzug. Mangels Nachfrage streichen immer mehr europäische Bahnunternehmen dieses Angebot vom Fahrplan.
Im nachhaltigen Tourismus gehört unbedingt „sanfte“ Mobilität am Urlaubsort dazu. „Alpine Pearls“, eine Dachmarke von 29 alpinen Urlaub-Orten in sechs Ländern, hebt seine Anstrengungen auf diesem Gebiet besonders hervor. So stehen in den Orten E-Bikes und Elektrofahrzeuge bereit, es gibt Segways und E-Roller. Offensiv wird der Gast aufgefordert, sich Gedanken über die Art seines Urlaubes zu machen und nach Möglichkeit mit der Bahn anzureisen. Ein individueller Abholservice wird von den Tourismusbüros organisiert. Wer jetzt noch lokale Lebensmittel verspeist, sich für die regionale Kultur interessiert und Sport ohne Hilfe von Verbrennungsmotoren betreibt, ist wahrhaft ein nachhaltiger Urlauber.
Klima-Verantwortung der Reisekonzerne
Touristikunternehmen wissen, dass sie und ihre Kunden nicht nur Mitverursacher des Klima-Wandels sind, sie werden auch seine Folgen zu tragen haben. Sei es, dass geschlossene Schneedecken in Mittelgebirgslagen künftig ausbleiben oder an südlichen Urlaub-Destinationen das Wasser knapp wird. „Der Klima-Wandel stellt die großen Reiseveranstalter vor ein Dilemma: Einerseits erkennen sie, dass der Schutz des Klimas langfristig unverzichtbar für den Erhalt ihres Produkts und wirtschaftlichen Erfolgs ist. Andererseits würde effektiver Klima-Schutz aber eine grundlegende Umstrukturierung ihres traditionellen Geschäftsmodells bedeuten. Der strategische Ausbau von besonders nachfragestarken Bereichen, wie zum Beispiel Fernflugreisen oder Kurzurlauben, dürfte in dieser Form nicht weiter forciert werden. Aufgrund von Marktzwängen und kurzfristigem Profitdenken scheuen sich die Entscheidungsträger in der Branche aber noch vor ‚echten‘ Klima-Schutzmaßnahmen.“ Zu dieser Erkenntnis kam Andreas Zotz im Rahmen einer Studie schon 2009.
„Aufgrund von Marktzwängen und kurzfristigem Profitdenken scheuen sich die Entscheidungsträger in der Branche aber noch vor ‚echten‘ Klima-Schutzmaßnahmen.“
Andreas Zotz, Studie „Nachhaltigkeit im Tourismus“
TUI, mit einem Umsatz von mehr als 15 Milliarden Euro größter Reiseveranstalter Europas, hat aber immerhin ein eigenes „Nachhaltigkeitsmanagement“ etabliert. Harald Zeiss leitet diesen Bereich. Er konstatiert: „Auch wenn durch ständige Effizienzverbesserungen der Flugzeuge immer weniger Pro-Kopf-Emissionen erreicht werden, führt die Verbrennung von Kerosin zwangsläufig zu klimawirksamen Emissionen. Ähnliches gilt auch für den Hotelaufenthalt und den Transfer vom Flughafen zum Hotel und zurück. Auch hier werden zusätzliche Emissionen erzeugt.“
TUIfly versucht durch eine moderne Flotte und hohe Auslastung möglichst effizient zu sein, was nicht nur die Umwelt, sondern auch die Kasse des Unternehmens schont. Auch bietet der Konzern Pauschalpakete Zug zum Flug inkludiert an und hofft, dass seine Kunden auf dem Weg zum Flughafen das Auto stehen lassen. TUI geht sogar noch einen Schritt weiter und kompensiert die Dienstreisen aller Mitarbeiter der TUI Deutschland, die per Flugzeug durchgeführt werden. 40.000 Euro fließen so jährlich zusätzlich in Klimaschutzprojekte von myclimate. Die Stiftung sitzt in der Schweiz und organisiert Klimaschutzprojekte auf der ganzen Welt.
Ablasshandel oder gute Tat?
Auch Austrian Airlines haben sich den Umweltschutz auf die Fahne geschrieben. Doch wirklich offensiv scheinen sie damit nicht werben zu wollen. Nur wer auf der Website lang genug sucht, der findet schließlich diesen Hinweis: „Wir unterstützen die Klimaschutzinitiative Climate Austria. Mit dieser können unsere Fluggäste bereits beim Ticketkauf die durch ihre Flugreise erzeugten CO2-Emissionen auf freiwilliger Basis kompensieren.“ Doch wie viele Fluggäste machen von diesem Angebot gebrauch? „Nur zwei bis drei Prozent“, räumt Andrea Stockinger, Projektleiterin bei Climate Austria ein, „Tendenz leicht steigend“.
Nicht alle Klimafreunde sind glücklich über diese Form des Ausgleichs. „Freiwillige Kompensationszahlungen für Flugkilometer sind nur die zweitbeste Lösung“, findet Dr. Christian Baumgartner, Geschäftsführer der Naturfreunde Internationale. Manche Kritiker bemängeln CO2-Ausgleichszahlungen sogar als Ablasshandel, weil die Kompensation nur einen Anstieg der CO2-Emission abmildern, aber nicht senken kann. Das Beste wäre, auf Urlaub-Flüge ganz zu verzichten. Schließlich ist eine Flugreise in die Ferien kein Grundrecht, sondern nur eine Blüte der Wohlstandsgesellschaft, beginnend in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Doch so einfach ist es nicht. Tourismus hat in vielen entwicklungsschwachen Ländern eine wichtige ökonomische Funktion. Darum gilt es, die negativen Umweltfolgen zu minimieren und die positiven Wirtschaftsaspekte zu fördern. So hat die UN-Vollversammlung im Jänner 2014 festgestellt, dass nachhaltiger Tourismus in Mittelamerika zu einem Motor der Armutsbeseitigung geworden ist, „eine fundamentale Säule der regionalen Integration, ein Motor für die soziale und ökonomische Entwicklung der Region“. Die großen Reiseunternehmen können dies fördern. Entweder durch nachhaltig angelegte Urlaubsangebote in diesen Regionen oder Entwicklungsprojekte vor Ort.
Projekte für den Klima- und Umweltschutz
Ein gutes Beispiel dafür ist ein Wiederaufforstungsprojekt von myclimate in Nicaragua. In der Gemeinde San Juan de Limay haben Kleinbauern seit 2011 bislang mehr als 643 Hektar Fläche aufgeforstet, was 900 Fußballfeldern entspricht. myclimate hält den Nutzen dieses Projekts für besonders groß, weil das Projektgebiet eine der wichtigsten Wasserscheiden in der Gemeinde umfasst, die an saisonalem Wassermangel und Überschwemmungen leidet. Die erweiterte Waldfläche wirkt wie ein Schwamm. In der Regenzeit saugt sie Wasser auf und reduziert damit Überschwemmungen, in der Trockenzeit gibt sie es ab.
Im Rahmen des engagierten Umweltschutz-Projekts werden auch energieeffiziente Kochherde mit Kamin verteilt, die die Rauchbelastung im Haushalt stark reduzieren, was vor allem positiv für die Gesundheit der Frauen ist.
Verbesserung der Lebensverhältnisse, Bewahrung der kulturellen Identität in den Gastgeberländern, Umwelt- und Klima-Schutz sowie der Erhalt der biologischen Vielfalt sind auch für Europas zweitgrößten Tourismuskonzern Thomas Cook ein wichtiges Thema. Viele Destinationen des Massenreiseveranstalters liegen in wasserarmen Regionen. Gemeinsam mit der Nachhaltigkeitsinitiative Futouris startet Thomas Cook deshalb heuer das Projekt „Wertvolles Wasser“.
In der ersten Phase im Sommer 2014 werden detaillierte „Water Footprints“ für zwölf Thomas-Cook-Hotels auf der griechischen Insel Rhodos erstellt. Diese „Wasser-Fußabdrücke“ sollen Wasser- und Kosteneinsparungspotenziale aufdecken. Neben dem „direkten“ Wasserverbrauch wird dabei auch der „indirekte“ Verbrauch, der zum Beispiel bei der Erzeugung von Lebensmitteln für das Hotel an anderen Orten der Welt entsteht, in die Bewertung mit einbezogen. So entsteht ein universales Wassermanagement-Handbuch, das allen Konzepthotels als Leitfaden und Einsparungsziel dienen soll. In der zweiten Projektphase werden dann Vorschläge für konkrete Verbesserungsmöglichkeiten gemacht. Hotels, die bereit sind, diese umzusetzen, erhalten ein Wassermanagement-Training für das Personal und Materialien für die Gästesensibilisierung. Nach dem Motto, tue Gutes und rede darüber. Lassen sich Konsumenten so für nachhaltigen Urlaub begeistern?
Urlaub: Verantwortung des Reisenden
Rund 20 Prozent der Reisenden sollen bereit sein, für einen nachhaltigen Urlaub mehr zu bezahlen. Jedenfalls theoretisch. In der Praxis sind dann aber wohl doch die Faktoren Sonne, Entspannung und der Preis die wichtigeren Gründe, um sich für einen Urlaubsort oder eine Urlaubsform zu entscheiden. „Die Kunden sind nicht bereit, für nachhaltigen Urlaub mehr Geld auszugeben“, meint Ury Steinweg, Geschäftsführer des Studienreiseanbieters Gebeco. Dennoch sieht er einen Pluspunkt: „Bei gleichwertigen Angeboten entscheidet sich der Kunde aber eher für das, was nachhaltig ist.“
„Bei gleichwertigen Angeboten entscheidet sich der Kunde aber eher für das, was nachhaltig ist.“
Ury Steinweg, Gebeco
Glaubwürdigkeit wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Kritiker sprechen gern von Greenwashing, wenn die stark beworbenen Umweltaktivitäten am Ende keinen oder kaum einen positiven Effekt für Klima und Umwelt haben. Manche Aufforstungsprojekte fallen in diese Kategorie, und zwar immer dann, wenn die gepflanzten Bäume für die Möbelherstellung wieder abgeholzt werden. Einmal entstandene Schäden lassen sich durch CO2-Kompensationsmaßnahmen ohnehin nicht rückgängig machen.
Klima: Sündige Kreuzfahrt
Ein kritischer Blick ist auch bei Kreuzfahrten angebracht. Die meisten dieser schwimmenden Megahotels erzeugen ihre Energie mit Schweröl, einem Abfallprodukt der Ölindustrie, das nicht nur sehr schwefelhaltig, sondern auch krebserregend ist und das Erbgut schädigt. Eine saubere Alternative wären Schiffe mit Flüssiggasantrieb, doch eine solche Umrüstung ist bei älteren Schiffen nicht möglich. Und so bläst ein herkömmlich betriebenes Kreuzfahrtschiff auf einer einzigen Seereise so viele Schadstoffe aus wie fünf Millionen Autos auf der vergleichbaren Strecke. Das hat der Naturschutzbund Deutschland errechnet – uns ist wohl kaum förderlich für unser Klima. Wen dennoch die Sehnsucht nach fernen Häfen packt, kann nach Schiffen mit Flüssiggasbetrieb suchen oder bucht gleich die mit Abstand umweltfreundlichste Seereise auf einem Segelschiff.
Erstmals mehr als eine Milliarde Auslands-Urlaub zählte die Welttourismusorganisation 2012. Und in Zukunft werden noch mehr Menschen verreisen. Denken wir also bei der nächsten Urlaub-Planung ein wenig mehr an Umwelt und Klima. Informieren wir uns, denn nachhaltiger Urlaub ist machbar und bezahlbar. Wandern an der Donau. Mit dem Fahrrad an die Adria. Oder per Anhalter nach Indien. Wir haben es selbst in der Hand.