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Globale Schulden: Wem gehört die Welt?

Die globalen Schulden betragen heute das Dreifache der weltweiten Wirtschaftsleistung und ist damit auch wesentlich höher als noch vor der Wirtschaftskrise. Ein äußerst beunruhigendes Bild – oder etwa nicht?

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Die EZB flutet die Märkte mit frischem Geld. Das Geld landet leider weder im Konsum, noch in Investitionen. Es fließt an der Realwirtschaft vorbei und landet in den Aktienmärkten, in Immobilien und in Staatsanleihen.

Quer über den Globus haben Unternehmen, Staaten und Haushalte Schulden angehäuft, die sie niemals zurückzahlen werden können. Die globalen Schuldenstände von Staaten und Unternehmen sind damit heute deutlich höher (in Vergleich zu Bruttoinlandsprodukt BIP doppelt so hoch) wie noch vor der Wirtschaftskrise 2008. Die Folgekosten in Form sinkender Steueraufkommen, Konjunkturprogrammen und Bankenrettungspaketen machen sich deutlich bemerkbar. Dabei sind es vorwiegend die reichsten Länder, die die höchsten Schuldenberge angehäuft haben. Dem Internationalen Währungsfonds IWF zufolge gehören die USA, China und Japan zu den am höchsten verschuldeten Staaten und machen alleine mehr als die Hälfte des globalen Schuldenstandes aus. Doch auch die Schwellenländer haben das Leben auf Pump für sich entdeckt.

Globale Schulden nach Sektoren 2003-2018 in Billionen US Dollar
Globale Schulden nach Sektoren 2003-2018 in Billionen US Dollar

Ist das nicht äußerst beunruhigend?

Professorin Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin des Bereiches Finanzmärkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sieht die Lage eher gelassen. Ihr zufolge ist Staatsverschuldung alleine noch nicht besorgniserregend, sondern in einem Wirtschaftssystem etwas „ganz Natürliches“. Die angehäuften Schuldenberge sind für Schäfer in erster Linie Resultat der globalen Wirtschaftskrise und ein Zeichen dafür, dass Zentralbanken die Märkte mit Geld geflutet haben. Gefährlich wird die Situation ihr zufolge erst dann, wenn etwa eine Immobilienkrise auf hohe Arbeitslosigkeit trifft.
Auch Richard Grieveson, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), denkt, dass sich die Menschen – vor allem in deutschsprachigen Ländern – viel zu viel über Schuldenstände sorgen. „Ob Verschuldung zum Problem wird, hängt von vielen anderen Faktoren ab, etwa dem nominalen Wirtschaftswachstum, dem effektiven Zinssatz, demographischen Trends oder der durchschnittlichen Laufzeit der Schuldentitel“, so Grieveson.

Globale Schulden – Kein Grund zu sparen?

Tatsächlich scheint im letzten Jahrzehnt unter Ökonomen hinsichtlich der tragbaren Verschuldung ein gewisses Umdenken stattgefunden zu haben. Während einst als Gewissheit galt, dass zu hohe Staatsschulden dem Wachstum von Volkswirtschaften schaden, wird Sparpolitik heute als Investitions- und Wachstumsbremse verteufelt. Ein deutliches Zeichen dafür setzte etwa auch Olivier Blanchard, ehemaliger Präsident der American Economic Association, als er zu Jahresbeginn bei seiner Abschiedsrede verkündete: „Solange der reale Zins auf Kredite niedriger ist als die Wachstumsrate, gibt es keinen fiskalischen Grund zu Sparen. Denn das Schuldenniveau schmilzt auch so wie ein Schneeball bei leichten Plustemperaturen“.

Der Internationale Währungsfond konstatiert zudem in seinem letzten Stabilitätsbericht, dass das globale Finanzsystem seit der Wirtschafts- und Finanzkrise zweifellos sicherer geworden ist. Dabei verweist er darauf, dass Banken weltweit per Gesetz dazu gezwungen wurden ihre Eigenkapitalquoten und Liquiditätsreserven zu erhöhen, ihr Risikomanagement zu verbessern und neuen Regulierungen, Aufsichtsbehörden und Stresstests unterworfen sind.
Dass Staaten durch die hohe Verschuldung ihre fiskalpolitischen und Zentralbanken durch ihre Reanimierungsversuche der Wirtschaft ihre geldpolitischen Handlungsspielräume verlieren, scheint dabei nicht ins Gewicht zu fallen.

Globale Schulden – Wem gehören die Staaten eigentlich?

Wem gehören die EU-Staatsanleihen
Wem gehören die EU-Staatsanleihen? Langfristige Schuldverschreibungen, 3Q 2018, in Milliarden Euro

Die gute Nachricht ist, dass hinter jeder Verbindlichkeit auch ein Vermögen, und im Idealfall auch Konsum oder Investitionen stehen. Doch wer in dessen Genuss kommt, lässt sich nicht so leicht bestimmen. Zum einen gibt es für Staatsanleihen kein Aktionärsverzeichnis und zum anderen nehmen Staaten oftmals mit einer Anleihe einen „Kredit“ bei vielen tausenden Investoren gleichzeitig auf, die dann damit weiter handeln. Für die Eurozone hingegen sammelt die Europäische Zentralbank (EZB) fleißig Daten, um zumindest einen Einblick in die Aktionärsstruktur der 19 Euro-Staaten zu gewinnen.
Daran lässt sich gut erkennen, wem die Euro-Staaten ‚gehören‘: Zu zwei Fünfteln den Banken und jeweils zu knapp einem Fünftel dem Euro-Ausland und Versicherungen. Der österreichische Staat ‚gehört‘ demnach übrigens zu zwei Dritteln dem Euro-Ausland und zu einem Viertel den Banken.
Professorin Schäfer schätzt diese Finanzierungsstruktur als relativ solide ein, denn für die Staaten sind Banken und Versicherungen eine verlässliche Investorengruppe. Banken wiederum brauchen stabile Investitionsmöglichkeiten mit fixen Zinsen. „Was uns Ökonomen viel mehr beunruhigt ist die Tatsache, dass Banken zunehmend in Anleihen ihrer eignen Staaten investieren“, so Schäfer.
In der Tat erfreuen sich seit der globalen und den europäischen Folgekrisen Staatsanleihen großer Beliebtheit. Das liegt nicht nur daran, dass sie für Investoren ein sicherer Hafen sind, sondern vor allem auch an dem Umstand, dass Banken dafür kein Eigenkapital rückstellen müssen.
Besonders beliebt sind sie bei der Europäische Zentralbank, die seit 2015 im großen Stil Anleihen von Eurozonen-Staaten aufkauft. Die Volumina variierten dabei zwischen 15 und 60 Milliarden Euro – monatlich, wohlgemerkt. „Die EZB hat die letzten Jahre versucht Konsum und Inflation anzukurbeln, doch das ist ihr nicht wirklich gelungen. Was ihr jedoch gelungen ist, ist für Stabilität zu sorgen“, meint dazu Richard Grieveson.

Wo ist das frische Geld?

In Kombination mit ihrer Nullzins-Politik flutet die EZB die Märkte also mit frischem Geld. Doch wo bleibt dieses Geld? Der arbeitende und nicht vermögende Teil der Bevölkerung bekommt davon sehr wenig zu sehen. Im Gegenteil: Ein beträchtlicher Teil der EU-Bürger sind armutsgefährdet und leidet unter Wohnungsnot (17 Prozent). Auch gut ausgebildete Menschen und Familien haben Schwierigkeiten finanzierbaren Wohnraum zu finden. Zudem geben der zunehmende Nationalismus, Menschen- und EU-Feindlichkeit einen Einblick in die allgemeine Stimmungslage und Zuversicht der europäischen Bevölkerung.
Das Geld landet leider weder im Konsum, noch in Investitionen. Es fließt quasi an der Realwirtschaft vorbei und landet stattdessen in den Aktienmärkten, in Immobilien und in Staatsanleihen. Auch wenn dieses System ökonomisch betrachtet funktionieren mag, so produziert es immer noch horrende Ungleichheit, mit all ihren sozialen und politischen Folgeerscheinungen.

Globale Schulden: Real- vs. Finanzkapitalismus

Stefan Schulmeister ist einer der wenigen Ökonomen, die sich mit eben dieser Frage beschäftigen: Wie lässt sich das Geld von den Finanzmärkten in die reale Wirtschaft umlenken? Er unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen zwei Spielanordnungen unseres Wirtschaftssystems: dem Realkapitalismus, der das Kapital in produktive, Wert schaffende Aktivitäten lenkt und dabei Arbeitsplätze und Wohlstand auf breiter Basis schafft, und dem Finanzkapitalismus, der lediglich Vermögen durch Bewertungsdifferenzen von Zinssätzen, Währungskursen, Rohstoff- und Immobilienpreisen erzeugt und sich durch die „Benutzungsgebühren bestehender Vermögen vermehrt“. Letzterer dominiert heute die globale Wirtschaft und dämpft damit die Produktion und erzeugt Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Ungleichheit.
Die Hauptursache liegt Schulmeister zufolge darin, dass die Renditen auf den Finanzmärkten höher sind als jene, die durch klassisches Unternehmertum zu erwarten sind. Mit anderen Worten: Die Vermögenden werden durch Finanzspekulation viel schneller viel reicher als durch klassisches Unternehmertum.

Ein wesentliches Instrument, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wäre die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die das Profitstreben von kurzfristigen Finanztransaktionen zu langfristig orientierten Aktivitäten auf den Gütermärkten lenkt. Ebenso empfiehlt Schulmeister zur Finanzierung von Staaten die Gründung eines Europäischen Währungsfonds. Seine Anleihen sollten nicht handelbar sein und würden Finanzalchemisten die Möglichkeit nehmen auf Änderungen von Zinsdifferenzen zwischen Währungen oder den Bankrott einzelner Staaten zu spekulieren. Für seine Kollegen lautet die Empfehlung eine Umorientierung von einer neoliberalen ‚Marktreligiosität‘ zurück zur Aufklärung und Anteilnahme an den realen materiellen Bedingungen der Menschen.

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Geschrieben von Veronika Janyrova

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