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Gemeinwohl Ökonomie vor Finanzgewinne

Die Welt und vor allem unser Wirtschaftssystem könnte auch völlig anders funktionieren: Die Gemeinwohl-Ökonomie stellt ein gutes Leben für alle ins Zentrum wirtschaftlicher Tätigkeiten.

Gemeinwohl Ökonomie vor Finanzgewinne

Das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist nicht mehr ganz neu. Bereits seit den 1990er Jahren kursiert der Begriff vermehrt in Fachkreisen. Die Idee des Gemeinwohls selbst, ist aber schon Jahrtausende alt. Schon Cicero meinte: „Das Wohl des Volkes soll oberstes Gesetz sein“. Im Vordergrund der modernen Gemeinwohl-Ökonomie stehen statt finanzieller Gewinne Werte, wie Menschenwürde, Solidarität und ökologische Nachhaltigkeit.

2011 gründete Christian Felber, der auch schon bei der Gründung von Attac Österreich aktiv mitgewirkt hatte, in Wien den „Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie“. Mittlerweile ist der Verein international tätig und wird nach eigenen Angaben von mehr als 2.000 Unternehmen unterstützt. Grundlagen der Gemeinwohl-Ökonomie sind „die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, demokratische Grund- und Verfassungswerte, Beziehungswerte nach Erkenntnissen der Sozialpsychologie, die Ethik der Achtung vor der Natur und der Schutz der Erde (Earth Charter) sowie anerkannte wissenschaftliche Fakten wie das Konzept der planetaren Grenzen.“

Felber beschreibt die angestrebte alternative Wirtschaftsweise so: „Als ethische Marktwirtschaft beruht sie überwiegend auf privaten Unternehmen, doch diese streben nicht in Konkurrenz zueinander nach Finanzgewinn, sondern sie kooperieren mit dem Ziel des größtmöglichen Gemeinwohls.“ So muss für dieses neue Wirtschaften nicht gleich unser gesamtes bekanntes System auf den Kopf gestellt werden.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozial-Ausschuss (EWSA) etwa, erachtet die GWÖ als geeignet, in den Rechtsrahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten integriert zu werden und forderte 2015 die Europäische Kommission auf, Maßnahmen zu setzen, um Unternehmen zu belohnen, die eine höhere ethische Leistung vorweisen können.

Sehnsucht nach Neuordnung

„Statt Gewinnmaximierung Gemeinwohl und Kooperation!“

ASTRID LUGER, Geschäftsführerin des GWÖ-Pionierunternehmens Culumnatura

Astrid Luger ist Geschäftsführerin des Naturkosmetik-Unternehmens CULUMNATURA. Für sie steht das Gemeinwohl schon immer im Vordergrund: „Wir engagieren uns seit vielen Jahren für die GWÖ, weil wir sicher sind, dass es das Modell der Zukunft ist. Wir gehen unseren Weg seit jeher konsequent, natürlich und ehrlich. Werte, die wir vertreten und leben, decken sich seit der Firmengründung im Jahr 1996 zu einem großen Teil mit jenen der Gemeinwohl-Ökonomie. Daher war es für uns eine logische Konsequenz ein Teil dieses Wirtschaftssystems zu werden und für ‚ein gutes Leben für alle‘ einzustehen. Wir arbeiten transparent und übernehmen Verantwortung. Beste Qualität, fairer Einkauf, Natürlichkeit der Rohstoffe und Regionalität haben für uns oberste Priorität. Das schätzen auch die Konsumentinnen immer mehr.“

Den wachsenden Wunsch nach mehr Transparenz und Ethik in der Wirtschaft bestätigt auch eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung bereits 2010. Diese ergab, dass sich 89 Prozent aller Deutschen und 80 Prozent aller Österreicherinnen eine neue und ethischere Wirtschaftsordnung, die den Schutz der Umwelt und den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft stärker berücksichtigt, wünschen. Auch die Studie „Umweltbewusstsein Deutschland 2014“ ortet den Wunsch nach einer Neuordnung der Wirtschaft: 67 Prozent der Befragten sah eine neue Ausrichtung des Wirtschaftssystems weg vom BIP-Wachstum, hin zur Lebenszufriedenheit als wichtigstes Ziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Unter den jungen Menschen wünschten sich sogar 70 Prozent anstelle des BIP, die Messung des Bruttosozialglücks als neuen Indikator.

Würde und Toleranz im Vordergrund

In Realität umgesetzt werden soll das gemeinwohlorientierte Wirtschaften durch neue Prioritätensetzung. Das Herzstück des Systems bildet die Gemeinwohl-Bilanz, basierend auf dem Gemeinwohl-Bericht. Darin enthalten sind Beschreibungen der Unternehmens-Aktivitäten in Bezug auf zwanzig Gemeinwohl-Themen, von der Zulieferkette über die Beziehung zu den Mitarbeiter*innen bis hin zu den ökologischen Auswirkungen.

Statt Gewinnmaximierung und Konkurrenz stehen das Gemeinwohl und die dazu notwendigen Kooperationen im Fokus. Daraus ergeben sich geschäftliche Beziehungen, geprägt von beidseitigem Respekt und Fairness. Unser Beitrag für die Gesellschaft besteht aus vielen kleinen und großen Maßnahmen und Handlungen“, erläutert Luger. Das Streben nach größtmöglichem Gemeinwohl sei eine Lebenseinstellung, die gefördert werden müsse. „Die Politik sollte endlich umdenken und Unternehmen, die im Sinne des guten Lebens für alle arbeiten, belohnen. Gemeinwohl muss gelebt werden. Werte, wie Würde und Toleranz geraten dann in den Vordergrund und werden zum Beispiel auch in den Schulen vermittelt. Wir alle übernehmen endlich Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt. Jetzt!“

INFO: Gemeinwohl-Ökonomie
Die Bewegung der modernen Gemeinwohl-Ökonomie setzt sich für die Orientierung der Wirtschaft an den Verfassungswerten Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie ein und will die dafür nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen.
Weitere Informationen unter www.ecogood.org

Foto/Video: Shutterstock.

Geschrieben von Karin Bornett

Freie Journalistin und Bloggerin in der Option Community. Technikaffines Labradorfrauchen mit Leidenschaft für Dorfidylle und Faible für urbane Kultur.
www.karinbornett.at

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