Die Verbraucherorganisation foodwatch hat sich für ein Verbot irreführender Klima-Werbung auf Lebensmitteln ausgesprochen. Begriffe wie „CO2-neutral“ oder „klimapositiv“ sagten nichts darüber aus, wie klimafreundlich ein Produkt tatsächlich ist. Eine Recherche von foodwatch zeigt: Um ein Lebensmittel mit Klima-Claims zu vermarkten, müssen die Hersteller nicht einmal ihren Treibhausgasausstoß reduzieren. Keiner der untersuchten Siegelanbieter wie Climate Partner oder Myclimate machten dazu konkrete Vorgaben. Stattdessen könnten sich selbst Hersteller unökologischer Produkte mit dem Kauf von CO2-Gutschriften fragwürdiger Klimaprojekte ganz einfach klimafreundlich rechnen, kritisierte foodwatch.
„Hinter dem Klimaneutral-Label steckt ein Riesenbusiness, von dem alle profitieren – nur nicht der Klimaschutz. Selbst Hersteller von Rindfleischgerichten und Wasser in Wegwerfplastikflaschen können sich ganz einfach als Klimaschützer inszenieren, ohne ein Gramm CO2 einzusparen, und Labelanbieter wie Climate Partner kassieren bei der Vermittlung der CO2-Gutschriften richtig ab“, sagte Rauna Bindewald von foodwatch. Die Organisation forderte Bundesernährungsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf, sich in Brüssel für ein Verbot irreführender Umweltwerbung einzusetzen. Die EU-Kommission will Ende November einen Entwurf für eine „Green Claims“-Verordnung vorlegen, zudem wird aktuell über eine Verbraucher-Richtlinie diskutiert – darin könnten grüne Werbeversprechen strenger reguliert werden. „Özdemir und Lemke müssen dem Greenwashing mit Klimalügen einen Riegel vorschieben“, so Rauna Bindewald.
In einem neuen Report hat foodwatch analysiert, wie das System hinter der Klimawerbung funktioniert: Um Produkte als klimaneutral zu labeln, kaufen die Hersteller über Siegel-Anbieter CO2-Gutschriften aus vermeintlichen Klimaschutzprojekten. Damit sollen die bei der Produktion anfallenden Treibhausgas-Emissionen ausgeglichen werden. Offiziell hätten sich die Anbieter zwar das Prinzip auf die Fahnen geschrieben: „Zuerst Emissionen vermeiden, dann reduzieren und zuletzt kompensieren“. In der Realität machten sie den Lebensmittelherstellern jedoch keinerlei verpflichtende Vorgaben, ihren CO2-Ausstoß auch wirklich zu reduzieren. Der Grund lasse sich erahnen: Die Siegel-Vergeber würden an jeder verkauften Gutschrift verdienen und dadurch Millionen-Beträge einnehmen, kritisierte foodwatch. Die Organisation schätzt, dass Climate Partner allein mit der Vermittlung von CO2-Gutschriften aus Waldprojekten an elf Kunden im Jahr 2022 circa 1,2 Millionen Euro eingenommen hat. Für die Vermittlung von Gutschriften eines peruanischen Waldprojekts verlangt Climate Partner pro Gutschrift laut foodwatch-Recherchen circa 77 Prozent Aufschlag.
Darüber hinaus sei der Nutzen der angeblichen Klimaschutzprojekte fraglich: Laut einer Studie des Öko-Instituts halten nur zwei Prozent der Projekte ihre versprochene Klimaschutzwirkung „sehr wahrscheinlich“ ein. foodwatch-Recherchen von Projekten in Peru und Uruguay belegen, dass selbst zertifizierte Projekte eklatante Mängel aufweisen.
„Das Geschäft mit der Klimawerbung ist moderner Ablasshandel, der dem Klima mehr schaden als nützen kann. Anstatt Geld für irreführende Klimasiegel auszugeben, sollten die Hersteller lieber in wirksame Klimaschutzmaßnahmen entlang der eigenen Lieferkette investieren“, sagte Rauna Bindewald von foodwatch. „Wenn Klima-Siegel dazu führen, dass Verbraucher:innen Fleisch und Einweg-Plastik als ökologisch vorteilhaft betrachten, ist das nicht nur ein Rückschlag für die Umwelt, sondern auch eine dreiste Täuschung.“
foodwatch illustriert exemplarisch an fünf Beispielen, wie irreführend mit Klimalabels auf dem deutschen Markt geworben wird:
- Danone bewirbt ausgerechnet Volvic-Mineralwasser als „klimaneutral“, das in Einweg-Plastikflaschen verpackt und hunderte Kilometer aus Frankreich importiert wird.
- Hipp vermarktet Babybrei mit Rindfleisch als “klimapositiv”, obwohl Rindfleisch besonders hohe Emissionen verursacht.
- Granini kompensiert für sein Label “CO2 neutral” auf Fruchtsaft gerade einmal sieben Prozent der Gesamtemissionen.
- Aldi verkauft „klimaneutrale” Milch, ohne genau zu wissen, wie viel CO2 bei der Produktion überhaupt ausgestoßen wird.
- Gustavo Gusto schmückt sich mit dem Titel „erster klimaneutraler Tiefkühlpizzahersteller Deutschlands“, auch wenn die Pizzen mit Salami und Käse klimaintensive tierische Zutaten enthalten.
foodwatch spricht sich für eine klare Regulierung nachhaltiger Werbeversprechen aus. Aktuell diskutieren das Europäische Parlament und der Ministerrat über einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel („Dossier Empowering Consumers“). Die Richtlinie böte die Chance, irreführende Werbeaussagen wie „klimaneutral“ zu verbieten. Am 30. November wird darüber hinaus ein Entwurf für eine „Green-Claims-Verordnung“ von der Europäischen Kommission erwartet. Diese stelle vermutlich keine Anforderungen an die Werbung, sondern an die Produkte. Bestenfalls würde Umweltwerbung auf unökologischen Produkten verboten, so foodwatch.
Quellen und weiterführende Informationen:
– foodwatch-Report: Der große Klima-Fake – Wie Konzerne uns mit Greenwashing täuschen und so die Klimakrise verschärfen
Foto/Video: foodwatch.