Die EU-Mitgliedstaaten haben sich diese Woche auf eine EU-Mindeststeuer für Konzerne in der Höhe von 15 Prozent geeinigt. Für das globalisierungskritische Netzwerk attac ist eine Mindeststeuer zwar prinzipiell begrüßenswert, die konkrete Umsetzung bleibt jedoch völlig unzureichend. Denn wie so oft liegt der Teufel im Detail. Attac kritisiert die viel zu geringe Höhe der Steuer, ihren viel zu engen Geltungsbereich sowie die ungerechte Verteilung der Einnahmen.
Steuersatz orientiert sich an Steuersümpfen
„Seit 1980 haben sich die Steuersätze für Konzerne in der EU im Durchschnitt von knapp 50 auf unter 22 Prozent mehr als halbiert. Anstatt nun endlich einen Boden bei etwa 25 Prozent einzuziehen, orientiert sich der Mindeststeuersatz von lediglich 15 Prozent an Steuersümpfen wie Irland oder der Schweiz“, kritisiert David Walch von Attac Österreich. Attac sieht zudem die Gefahr, dass diese viel zu niedrige Mindeststeuer den Steuerwettlauf in zahlreichen EU-Staaten mit Steuersätzen von über 20 Prozent sogar anheizen wird. Tatsächlich erklärten Konzernlobbys in vielen Staaten bereits, die 15 Prozent seien ein Anlass, die Konzernsteuern nun weiter zu senken.
Attac fordert einen Mindeststeuersatz von 25 Prozent und eine Trendumkehr beim internationalen Steuerwettlauf nach unten.
90 Prozent der Unternehmen sind nicht betroffen
Auch der Geltungsbereich der Steuer ist für Attac unzureichend; denn gelten soll sie nur für multinationale Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz. Damit sind 90 Prozent aller Konzerne in der EU von der Mindeststeuer ausgenommen. „Es gibt keine Rechtfertigung, die Schwelle derart hoch anzusetzen. Gewinnverschiebungen sind nicht nur unter Konzerngiganten verbreitet – sie zählen leider zur allgemeinen Praxis multinationaler Konzerne“, kritisiert Walch. Attac fordert, die Mindeststeuer ab 50 Millionen Euro Umsatz einzuführen – jene Schwelle, mit der die EU selbst „große Unternehmen“ definiert.
Und auch aus Perspektive der globalen Gerechtigkeit ist die Mindeststeuer hochproblematisch. Denn die zusätzlichen Einnahmen sollen nicht dorthin gehen, wo die Gewinne erwirtschaftet werden (oftmals ärmere Staaten), sondern an jene Staaten, in denen die Konzerne ihren Hauptsitz haben – und damit vorrangig an reiche Industriestaaten. „Die Mindeststeuer benachteiligt ärmere Staaten, die schon jetzt am meisten unter den Gewinnverschiebungen leiden, massiv. Der Grundsatz, Konzerne dort gerecht zu besteuern, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften, wird nicht erreicht“, kritisiert Walch.
Hintergrund
Basis der EU-Einigung ist so genannte Säule 2, der OECD-Reform der internationalen Besteuerung. Die Regelung legt dabei nicht fest, wie hoch der Steuersatz in jedem Land zu sein hat, sondern ermöglicht Staaten die etwaige Differenz zur Mindeststeuer in einem Niedrigsteuerland selbst nachzubesteuern. US-Präsident Biden hatte dafür ursprünglich 21 Prozent vorgeschlagen. Bereits die ursprüngliche OECD-Formulierung “mindestens 15 Prozent” war ein Zugeständnis an die EU und ihre Steuersümpfe gewesen. Irland konnte in den Verhandlungen jedoch durchsetzen, dass der Mindeststeuersatz auf 15 Prozent gedeckelt und nicht auf „mindestens 15 Prozent“ festgelegt wird. Das schwächt die Steuer weiter und nimmt allen Staaten die Möglichkeit, selbst eine höhere Mindeststeuer einzuführen.
Prinzipiell wäre der Ansatz jedoch ein effektives Mittel, um die ruinöse Konkurrenz um die niedrigsten Steuersätze zu beenden, da eine solche Regelung auch ohne Zustimmung der schlimmsten Steuersümpfe umgesetzt werden kann.