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EU-Lieferkettengesetz: Schlupflöcher gefährden Menschenrechtsschutz | Netzwerk Soziale Verantwortung

Lieferkettengesetz

Mit der heutigen Abstimmung im Rechtsausschuss des
Europäischen Parlaments (JURI) haben die Abgeordneten für ein
EU-Lieferkettengesetz gestimmt, das Unternehmen verpflichtet,
Menschenrechte, Umwelt und Klima entlang ihrer gesamten
Wertschöpfungskette zu schützen. Die zivilgesellschaftlichen
Organisationen Südwind, GLOBAL 2000 und Netzwerk Soziale
Verantwortung begrüßen zwar den verbesserten Rechtszugang.
Gleichzeitig bleiben enorme Schlupflöcher, durch die Unternehmen
trotz EU-Lieferkettengesetz keine Verantwortung für
Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden übernehmen müssen.
„Durch die bleibenden Lücken besteht die Gefahr, dass das Gesetz für
Betroffene wirkungslos bleiben könnte. Etwa der Umstand, dass
Mutter-Unternehmen nicht auch für ihre Töchter-Firmen haften müssen”,
sagt Bettina Rosenberger, Koordinatorin der Kampagne Menschenrechte
brauchen Gesetze!. „Für ein effektives EU-Lieferkettengesetz braucht
es noch umfassende Nachschärfungen.“

   Eine der größten Hürden ist die Beweislast.

„Das EU-Lieferkettengesetz muss die Perspektive von Betroffenen in den
Mittelpunkt stellen. Um tatsächlich zu ihrem Recht zu kommen, müssen
Betroffene von Menschenrechtsverletzungen, auch laut Vorschlag des
Rechtsausschusses, massive Hürden überwinden. Die Beweislast darf
nicht allein auf den Schultern der Betroffenen liegen. Es braucht
eine Umkehr, sodass Unternehmen nachweisen müssen, dass sie sich an
die Regeln halten”, fordert Bettina Rosenberger.

   Die Abgeordneten im Rechtsausschuss stimmten für
Sorgfaltspflichten mit einem risikobasierten Ansatz. Das bedeutet,
dass die gesamte Wertschöpfungskette der Sorgfaltspflicht unterliegen
soll, und nicht nur Teile davon. Zudem müssen Unternehmen ein
besonderes Augenmerk auf die Risikobereiche in ihren
Wertschöpfungsketten legen. Offen bleibt im aktuellen
Gesetzesentwurf, ob wirksame Kontrollen garantiert werden:
„Ausgelagerte Audits und kommerzielle Überprüfungen haben sich in der
Vergangenheit als unzuverlässig erwiesen und konnten Katastrophen
nicht verhindern. So stürzte etwa die Textilfabrik Rana Plaza trotz
eines Sozialaudits durch TÜV Rheinland ein”, sagt Stefan
Grasgruber-Kerl, Lieferkettenexperte von Südwind. „Es braucht daher
unabhängige, wirksame Kontrollen unter Einbindung von Gewerkschaften
und Zivilgesellschaft. Unternehmen müssen dazu verpflichtet werden,
Risikoanalysen durchzuführen und echte Schutzmaßnahmen zu
garantieren“, so Grasgruber-Kerl.

   Angesichts der sich verschärfenden Klima- und Umweltkrise muss die
Politik zukunftsweisende Entscheidungen treffen – aber auch die
Klimaverantwortung der Unternehmen bleibt weit hinter den
Empfehlungen des parlamentarischen Umweltausschusses zurück. Anna
Leitner, Expertin für Ressourcen und Lieferketten bei GLOBAL 2000
sieht noch Verbesserungspotential: „Bevölkerung, Expert:innen und
Klimabewegung sind sich einig, dass Klimaverpflichtungen im
Lieferkettengesetz verankert werden müssen. Die heutige Entscheidung
im Rechtsausschuss ist ein wichtiger Schritt, lässt allerdings weiter
Schlupflöcher für Greenwashing zu. Für Finanzakteure gelten nach wie
vor nur abgeschwächte Sorgfaltspflichten, so dass sie weiterhin in
Unternehmen investieren können, die Menschen und der Umwelt schaden.“

   Die Abstimmung im EU-Parlament erfolgt voraussichtlich im Mai.
Danach beginnen die Trilog-Verhandlungen, in der auch der Rat eine
wichtige Position einnehmen wird.

Über „Menschenrechte brauchen Gesetze!“:

   Die Kampagne Menschenrechte brauchen Gesetze! wird von einem
breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis getragen und vom Netzwerk
Soziale Verantwortung (NeSoVe) koordiniert. Gemeinsam mit über 100
NGOs und Gewerkschaften aus ganz Europa mobilisieren
zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften im Zuge der
neuen Kampagne „Gerechtigkeit geht alle an!“([Justice is Everybody’s
Business] (https://justice-business.org/)) für ein
EU-Lieferkettengesetz, das Menschen- und Arbeitsrechte, die Umwelt
und das Klima effektiv schützt.

Foto/Video: Shutterstock.

Geschrieben von Option

Option ist eine idealistische, völlig unabhängige und globale “social media Plattform” zu Nachhaltigkeit und Zivilgesellschaft, 2014 gegründet von Helmut Melzer. Gemeinsam zeigen wir positive Alternativen in allen Bereichen auf und unterstützen sinnvolle Innovationen und zukunftsweisende Ideen – konstruktiv-kritisch, optimistisch, am Boden der Realität. Die Option-Community widmet sich dabei ausschließlich relevanten Nachrichten und dokumentiert die wesentlichen Fortschritte unserer Gesellschaft.

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