Menschen mit hohem sozio-ökonomischem Status haben einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf Treibhausgas-Emissionen. Und zwar direkt durch ihren Konsum und indirekt durch ihre finanziellen und sozialen Möglichkeiten. Dennoch zielen Klimaschutzmaßnahmen kaum auf diese Bevölkerungsgruppe ab und die Möglichkeiten solcher Initiativen sind noch kaum erforscht. Klimaschutz-Strategien müssen darauf abzielen, die Treibhausgas-Emissionen der Eliten zu reduzieren. Egal, welche Strategien man bevorzugt, ob Überredung und Überzeugungsarbeit oder politische und steuerliche Maßnahmen, auf jeden Fall muss die Rolle dieser Eliten mit ihrem hohen Konsum und ihrer politischen und finanziellen Macht, Klimagerechtigkeit zu behindern oder zu fördern, mit einbezogen werden. Fünf Wissenschaftler*innen aus den Bereichen Psychologie, Nachhaltigkeitsforschung, Klimaforschung, Soziologie und Umweltforschung haben dazu kürzlich einen Beitrag im Fachblatt nature energy veröffentlicht (1). Wie wird „hoher sozio-ökonomischer Status“ definiert? In erster Linie durch Einkommen und Vermögen. Einkommen und Vermögen bestimmen wesentlich Status und Einfluss in der Gesellschaft, und sie wirken sich unmittelbar auf die Möglichkeiten zu konsumieren aus. Doch Personen mit hohem sozio-ökonomischem Status haben auch Einfluss auf Treibhausgas-Emissionen durch ihre Rollen als Investor*innen, als Bürger*innen, als Mitglieder von Organisationen und Institutionen und als gesellschaftliche Vorbilder.
Die Eliten verursachen die meisten Emissionen
Das reichste 1 Prozent verursacht 15 Prozent der durch Konsum hervorgerufenen Emissionen. Die ärmsten 50 Prozent dagegen verursachen zusammen nur halb so viel, nämlich 7 Prozent. Viele Superreiche mit Vermögen über 50 Millionen US-Dollar, die mit Privatjets zwischen mehreren Wohnsitzen auf der ganzen Welt pendeln, haben einen immens hohen CO2-Fußabdruck. Gleichzeitig werden diese Menschen am wenigsten von den Folgen des Klimawandels getroffen. Auch zeigen Studien, dass stärkere soziale Ungleichheit innerhalb eines Landes generell mit höheren Treibhausgas-Emissionen und weniger Nachhaltigkeit verbunden ist. Das liegt einerseits am Konsum dieser Menschen mit hohem Status und andererseits an ihrem Einfluss auf die Politik. Drei Formen des Konsums sind es, die den größten Teil der Treibhausgas-Emissionen der Reichen und Superreichen bewirken: Flugverkehr, Kraftfahrzeuge und Immobilien.
Das Fluzeug

Das Auto

Die Villa

Das bekannte eine Prozent ist auch für einen großen Teil der Emissionen aus dem Bereich des Wohnen verantwortlich, nämlich für 11 Prozent. Diese Menschen besitzen größere Häuser oder Wohnungen, haben mehrere Wohnsitze und benutzen Haushaltsgüter mit hohem Energieverbrauch, zum Beispiel zentrale Klimaanlagen. Andererseits Menschen mit hohem Einkommen mehr Möglichkeiten, ihre Emissionen durch Maßnahmen mit hohen Anfangskosten zu reduzieren, zum Beispiel Heizungsanlagen zu erneuern oder Solarpanele anzubringen. Das größte Potenzial in diesem Bereich hat der Umstieg auf erneuerbare Energien, gefolgt von umfangreichen Renovierungen zur energetischen Sanierung und der Umrüstung auf energiesparende Haushaltsgeräte. Gut abgestimmte öffentliche Maßnahmen können das auch für Haushalte mit kleinerem Einkommen ermöglichen. Studien zu Verhaltensänderungen haben sich bisher, so sagen die Autor*innen, leider auf Verhaltensweisen mit relativ geringem Klimaschutzpotential konzentriert. (Vor allem auf Verhaltensänderungen, die zu einem sofortigen oder nahezu sofortigen Effekt führen, wie z. B. den Thermostat der Heizung zurückzudrehen [2].) Die vorhandenen Erkenntnisse zum Einfluss des sozio-ökonomischem Status auf Möglichkeiten zu Verhaltensänderungen sind unterschiedlich. So würden Menschen mit höherem Einkommen und höherer Bildung zwar eher in Maßnahmen zur Verbesserung der Energie-Effizienz oder in effizientere Technologien investieren, aber trotzdem nicht weniger Energie verbrauchen. Allerdings hätten, wie schon gesagt, Menschen mit höherem Einkommen die besseren Möglichkeiten, ihre Emissionen zu reduzieren. Nach bisheriger Erfahrung haben CO2-Steuern den Konsum von Haushalten mit hohem Einkommen kaum beeinflusst, weil diese zusätzlichen Kosten in deren Budget vernachlässigbar sind. Auf der anderen Seite werden Haushalte mit geringem Einkommen durch solche Steuern stark belastet [3]. Politische Maßnahmen, die zum Beispiel dazu beitragen, Anschaffungskosten zu reduzieren, wären ökonomisch gerechter. Die Lage von Wohnsitzen mit hohem Status kann Treibhausgas-Emissionen verstärken oder verringern. Ein Wohnsitz im teuren, dicht besiedelten Stadtzentrum, wo Wohneinheiten auch kleiner sind, wirkt sich günstiger aus, als ein Wohnsitz außerhalb der Stadt, wo die Wohneinheiten größer sind und wo die meisten Wege mit Kraftfahrzeugen zurückgelegt werden. Die Autor*innen betonen, dass das Konsumverhalten nicht nur durch rationale Entscheidungen bestimmt wird, sondern auch durch Gewohnheiten, soziale Normen, Erfahrungen und Neigungen. Preise können ein Weg sein, Konsumverhalten zu beeinflussen, aber Strategien, um soziale Normen zu verändern oder Routinen zu durchbrechen, können ebenfalls sehr erfolgreich sein.
Das Portfolio

Die Prominenz

Die CEOs

Die Lobby

Menschen beeinflussen Treibhausgas-Emissionen auf der staatlichen Ebene durch Wahlen, durch Lobbying und durch die Teilnahme an sozialen Bewegungen. Die Netzwerke nicht des obersten einen Prozents, sondern des obersten Zehntelprozents bilden den Kern der politischen und Ökonomischen Macht, sowohl global als auch in den meisten Ländern. Menschen mit hohem sozio-ökonomischem Status haben in ihrer Rolle als Bürger*innen unverhältnismäßig großen Einfluss. Sie haben besseren Zugang zu den Entscheidungsträger*innen in privaten Unternehmen und im öffentlichen Sektor. Ihre finanziellen Ressourcen ermöglichen ihnen, durch Zuwendungen an Lobbygruppen, Politiker*innen und soziale Bewegungen, ihren Einfluss auf diese Gruppen zu erweitern und soziale Veränderungen zu fördern oder zu blockieren. Die Energiepolitik von Staaten wird stark durch Lobbying beeinflusst. Eine sehr kleine Anzahl sehr einflussreicher Menschen wirkt wesentlich auf Entscheidungen ein. Das politische Handeln der Eliten war bisher ein mächtiges Hindernis für Maßnahmen, den Klimawandel einzudämmen. Im Energiesektor kam politisches Lobbying und Einflussnahme auf die öffentliche Meinung in überwältigendem Ausmaß vom fossilen Sektor und begünstigte Politiken, die die Erzeugung und den Konsum von fossilen Brennstoffen einzementieren. Beispielsweise haben zwei Ölmilliardäre [5] über Jahrzehnte tiefgreifenden Einfluss auf den politischen Diskurs in den USA genommen und ihn nach rechts gedrängt, was den Aufstieg von Politiker*innen begünstigt hat, die niedrige Steuern befürworten, gegen Umweltschutz und Klimaschutz auftreten und prinzipiell misstrauisch gegenüber staatlicher Einflussnahme sind. Unternehmen für erneuerbare Energien und andere, die von einer dekarbonisierten Zukunft profitieren würden, könnten theoretischen diesen Einflüssen entgegentreten, doch war ihre Wirkung bislang minimal.
Was noch erforscht werden muss
In ihren Schlussfolgerungen nennen die Autor*innen drei hauptsächliche Forschungslücken: Erstens, wie beeinflussbar ist das Konsumverhalten der Eliten, vor allem in Bezug auf Flugverkehr, Kraftfahrzeuge und Wohnen? Dass die negativen Auswirkungen des Fliegens keinen Preis haben, ist eine direkte Subventionierung der Reichsten, da sie für 50 Prozent der Flugemissionen verantwortlich sind. Eine lineare CO2-Steuer würde sich wahrscheinlich kaum auf das Konsumverhalten der Reichen auswirken. Eine Vielflieger-Abgabe, die mit der Anzahl der Flüge höher wird, könnte wirksamer sein. Eine generelle progressive Besteuerung hoher Einkommen und großer Vermögen könnten sich besonders günstig auf das Klima auswirken. Damit könnte man den Prestige-Konsum einschränken. Die relativen Statusunterschiede würden erhalten bleiben: Die Reichsten wären immer noch die Reichsten, aber sie wären nicht mehr um so viel reicher als die Ärmsten. Die Ungleichheit in der Gesellschaft würde dadurch reduziert und der unverhältnismäßig hohe Einfluss der Elite auf die Politik vermindert. Doch diese Möglichkeiten müssen noch viel besser erforscht werden, so die Autor*innen. Eine zweite Forschungslücke betrifft die Rolle von Menschen mit hohem sozio-ökonomischem Status in Unternehmen. Wie weit gehen die Möglichkeiten solcher Personen, Unternehmenskultur und Unternehmensentscheidungen in Richtung geringerer Emissionen zu verändern, und wo liegen ihre Grenzen? Eine dritte Forschungslücke machen die Autor*innen aus, inwiefern die Art der Einflussnahme von Personen mit hohem sozio-ökonomischem Status die Politik betrifft, nämlich durch ihr politisches Kapital, ihren Einfluss auf Unternehmen und Organisationen und durch finanzielle Unterstützung von Lobbying und politischen Kampagnen. Diese Eliten haben bisher am meisten von den gegenwärtigen Strukturen der Politik und der Wirtschaft profitiert, und es gibt einige Hinweise, dass Altruismus mit höherem Wohlstand abnimmt. Es geht darum, zu verstehen, wie unterschiedliche Elite-Personen ihren Einfluss nutzen, um die rasche Dekarbonisierung zu fördern oder zu behindern. Zum Abschluss betonen die Autor*innen, dass die Eliten mit hohem sozio-ökonomischem Status in großem Ausmaß für den Klimawandel und die daraus folgenden Schäden verantwortlich sind. Doch die Machtpositionen, die sie haben, würden ihnen auch ermöglichen, auf die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen hinzuwirken und damit auch die Verringerung von Klimaschäden. Die Autor*innen wollen die Rolle von Menschen ohne hohen Status bei der Bekämpfung des Klimawandels nicht in Frage stellen, und sie betonen auch die Rollen von Indigenen und lokalen Bevölkerungen. Doch in dieser Untersuchung konzentrieren sie sich eben auf die, die die Probleme zum größten Teil verursacht haben. Keine einzelne Strategie kann das Problem lösen, und die Handlungen der Eliten können große Wirkung haben. Darum sind weitere Forschungen darüber, wie das Verhalten der Eliten geändert werden kann, von großer Bedeutung. Martin Auer
Quellen, Anmerkungen
1 Nielsen, Kristian S.; Nicholas, Kimberly A.; Creutzig, Felix; Dietz, Thomas; Stern, Paul C. (2021): The role of high-socioeconomic-status people in locking in or rapidly reducing energy-driven greenhouse gas emissions. In: Nat Energy 6 (11), S. 1011–1016. DOI: 10.1038/s41560-021-00900-y 2 Nielsen KS, Clayton S, Stern PC, Dietz T, Capstick S, Whitmarsh L (2021): How psychology can help limit climate change. Am Psychol. 2021 Jan;76 [1]:130-144. doi: 10.1037/amp0000624 3 Die Autor*innen beziehen sich hier auf lineare Steuern ohne begleitende Ausgleichsmaßnahmen wie etwa einen Klimabonus. 4 Gemeint ist Michael Bloomberg, vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/C40_Cities_Climate_Leadership_Group 5 Gemeint sind die Koch-Brüder, vgl. Skocpol, T., & Hertel-Fernandez, A. (2016). The Koch Network and Republican Party Extremism. Perspectives on Politics, 14(3), 681-699. doi:10.1017/S1537592716001122
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