Das Bundeswirtschaftsministerium sperrt sich gegen ein geplantes EU-Verbot von irreführender Klima-Werbung. Das geht aus einem Schreiben des Ministeriums an die Verbraucherorganisation foodwatch hervor. Demnach lehnt das Klima- und Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) ein vom EU-Parlament vorgeschlagenes Verbot von Werbeaussagen wie „klimaneutral“ ab. Stattdessen sollten Unternehmen lediglich dazu verpflichtet werden, ihre Werbeaussagen im Kleingedruckten zu präzisieren. foodwatch kritisierte die Position des Bundesministeriums: Werbeslogans wie „klimaneutral“ seien irreführend und müssten grundsätzlich verboten werden, wenn sie nur auf einer CO2-Kompensation basieren – genau wie es das Europäische Parlament beschlossen hat. Anders als der Grüne Bundesminister in Berlin unterstützen die Europäischen Grünen den Beschluss des EU-Parlaments.
„Das geplante EU-Verbot von grünen Klimalügen könnte ausgerechnet am Klimaschutzministerium aus Deutschland scheitern. Warum stellt sich der deutsche Minister gegen seine europäischen Parteikolleg:innen und blockiert eine strengere Regulierung von Klimawerbung?“, so Manuel Wiemann von foodwatch. Die Verbraucherorganisation kritisierte, dass sich nach dem Vorschlag aus dem Habeck-Ministerium Unternehmen weiterhin ‚klimaneutral‘ nennen dürften, obwohl sie sich lediglich mit fragwürdigen CO2-Zertifikaten freikaufen. „Wo Klimaschutz draufsteht, muss auch Klimaschutz drin sein – alles andere beschädigt Robert Habecks Glaubwürdigkeit als Klimaminister“, sagte Manuel Wiemann.
Das Europäische Parlament hatte sich Mitte Mai mit 94 Prozent Zustimmung dafür ausgesprochen, grüne Werbeclaims strenger zu regulieren. So soll Werbung mit dem Versprechen „klimaneutral“ nach dem Willen der Parlamentarier:innen komplett verboten werden, wenn Unternehmen einfach CO2-Zertifikate zum Ausgleich kaufen, anstatt wirklich eigene Emissionen zu senken. Damit die neuen Regeln in Kraft treten, müssen noch
Das deutsche Wirtschaftsministerium will den Vorschlag jedoch nicht unterstützen, wie ein Schreiben von Robert Habecks Staatssekretär Sven Giegold an foodwatch zeigt. Stattdessen unterstützt das Ministerium „das von der Europäischen Kommission vorgestellte Konzept einer Substantiierung von Umweltaussagen, welches vorzugswürdig gegenüber einem generellen Verbot bestimmter Aussagen erscheint“, heißt es in dem Schreiben. Alle Werbebegriffe erlaubt zu lassen, ermögliche einen „Wettbewerb um die besten Umweltschutzkonzepte“. foodwatch hält den Wettbewerb jedoch gerade durch solche irreführenden Werbeaussagen für verzerrt: Unternehmen mit ernsthaften Klimaschutz-Ambitionen könnten sich nicht absetzen von Konzernen, die lediglich auf CO2-Kompensation durch zweifelhafte Klimaprojekte setzen. Der Alternativ-Vorschlag der EU-Kommission sei daher absolut nicht ausreichend.
Aus Sicht von foodwatch, dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem WWF gehört Werbung mit Aussagen wie „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ komplett verboten, wenn dahinter der Handel mit CO2-Zertifikaten steckt: Anstatt ihre eigenen Emissionen zu reduzieren, können sich Unternehmen günstige Zertifikate von umstrittenen Klimaschutzprojekten kaufen, mit denen sie die eigenen Emissionen angeblich ausgleichen. Laut einer Studie des Öko-Instituts halten jedoch nur zwei Prozent der Projekte ihre versprochene Klimaschutzwirkung ein.
„Für ernsthaften Klimaschutz müssen Unternehmen jetzt ihre Emissionen reduzieren. Genau das verhindern jedoch „klimaneutral“-Siegel: Anstatt CO2-Emissionen drastisch zu vermeiden, kaufen Konzerne sich frei. Das Geschäft mit CO2-Zertifikaten ist ein moderner Ablasshandel, mit dem sich Unternehmen auf dem Papier ruckzuck ‚Klimaneutral‘ rechnen können – ohne, dass für den Klimaschutz etwas erreicht ist. Die Verbrauchertäuschung mit ‚Klimaneutral‘-Werbung muss gestoppt werden“, forderte Manuel Wiemann von foodwatch.
Im November vergangenen Jahres hatte foodwatch in dem ausführlichen Report „Der große Klima-Fake: Wie Konzerne uns mit Greenwashing täuschen und so die Klimakrise verschärfen“ detailliert das Geschäft mit Klima-Zertifikaten entlarvt.
Mehr Informationen und Quellen:
- foodwatch-Report „Der große Klima-Fake“: https://www.foodwatch.org/fileadmin/-DE/Themen/Klimaluegen/Report_Klima_Claims/Klima_Report_2022.pdf
- Studie des Öko-Instituts: https://www.oeko.de/publikationen/p-details/how-additional-is-the-clean-development-mechanism
- Positionen anderer NGOs:
- vzbv: https://www.vzbv.de/pressemitteilungen/vzbv-fordert-verbot-von-werbung-mit-klimaneutralitaet
- DUH: https://www.duh.de/themen/verbraucher/verbrauchertaeuschung/klimaneutral/
- WWF: https://www.wwf.de/2022/november/unternehmen-muessen-irrefuehrende-co2-kompensation-endlich-abschreiben
- BEUC: https://www.beuc.eu/blog/greener-than-green-high-time-to-stop-greenwashing/
Foto/Video: Brian Yurasits auf Unsplash.