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Anders Essen gegen die Klimakrise | Teil 2 Fleisch und Fisch

Nach Teil 1 hier nun die 2. Folge meiner Serie über unsere Ernährung in der Klimakrise:

Wissenschaftlerïnnen nennen die „Big Points“, also entscheidende Punkte, an denen wir mit wenig Aufwand sehr viel gegen die Klimakrise tun können, ohne unser Leben allzu sehr verändern zu müssen. Diese sind:

  • Mobilität (Fahrrad, zu Fuß gehen, Bahn und ÖPNV statt Auto und Flugzeug)
  • Heizen
  • Kleidung
  • Ernährung und hier vor allem der Verzehr tierischer Produkte, vor allem Fleisch.

Der Regenwald brennt für unseren Fleischhunger

Die Zutaten-Listen und Nährstoff-Angaben vieler Fertigprodukte lesen sich wie eine schlechte Mischung aus Chemie-Lehrbuch, Umweltzerstörung, Ärzte-Albtraum und Anleitung zum Übergewicht: Die meisten Produkte enthalten zu viel Zucker, zu viel Salz, reichlich tierische Fette, Palmöl von abgeholzten Regenwald-Flächen und Fleisch aus konventioneller Viehzucht. Dort füttern die Mäster ihre Rinder, Schweine und Hühner mit Kraftfutter, für dessen Zutaten die Regenwälder verschwinden. Mehr als zwei Drittel (69%) der Regenwaldzerstörung geht nach Angaben der Umweltschutz-Organisation „Less Meat Less Heat“ (Weniger Fleisch, weniger Hitze)  auf das Konto der Fleischwirtschaft. Der Amazonas-Wald weicht vor allem Rinderzüchtern und Soja-Fabrikanten, die ihre Ernte zu Viehfutter verarbeiten. 90 Prozent der abgeholzten und abgebrannten Amazonas-Flächen werden für die Viehhaltung genutzt.

Weltweit verursacht die landwirtschaftliche Tierhaltung schon rund 15 Prozent der menschengemachten Treibhausgasemissionen. In Deutschland dienen rund 60% der Agrarflächen der Fleischproduktion. Für pflanzliche Lebensmittel zur Ernährung der Menschen fehlt dann der Platz.

Fisch ist bald aus

Fisch überzeugt als Alternative zum Fleisch nicht. Es gibt für unseren Hunger schlicht zu wenig. Neun von zehn großen Fischen haben die Menschen schon aus den Meeren und Ozeanen geholt. Hinzu kommen enorme Mengen an so genanntem Beifang. Das sind Fische, die in den Netzen hängen bleiben, ohne dass man sie verwertet. Die Fischer werfen sie – meist tot – wieder über Bord. Geht es so weiter wie bisher, sind die Meere bis 2048 leergefischt. Wildlebende Salzwasser-Speisefische wird es dann nicht mehr geben. Seit 2014 liefern Fischzuchten weltweit mehr Fisch als die Ozeane.  

So wird Aquakultur nachhaltiger

Auch die Aquakulturen haben beim Thema Nachhaltigkeit noch viel Luft nach oben: Lachs zum Beispiel wird vor allem mit Fischmehl aus anderen Fischen gefüttert. Die Tiere leben  – wie Rinder und Schweine in der Massentierhaltung an Land – auf engem Raum und infizieren sich häufig mit ansteckenden Krankheiten. Um diese in Schach zu halten, füttern die Züchter ihre Fische mit Antibiotika, die wir dann mitessen. Die Folge: Beim Menschen wirken zahlreiche Antibiotika nicht mehr, weil die Keime Resistenzen gebildet haben. Hinzu kommt, dass der Kot der Zuchtfische die umliegenden Gewässer überdüngt. Besser fällt die ökologische Bilanz bei Bio-Fischzuchten aus. Wer sich an die Regeln der Bio-Anbauverbände hält, darf zum Beispiel  – wie auf Bio-Bauernhöfen – Antibiotika nur Tieren verabreichen, die wirklich krank sind.

Nach einer Untersuchung des Öko-Instituts stammen nur zwei Prozent des in Deutschland verspeisten Fisches aus hiesiger Aquakultur. Diese liefere jährlich 20.000 Tonnen Fisch. Die Autorïnnen empfehlen Fisch aus heimischer Zucht, vor allem Karpfen und Forelle, die nicht mit Fischmehl gefüttert werden. Die Fischzüchterïnnen sollten geschlossene Wasserkreisläufe und erneuerbare Energien nutzen und ihre Tiere vor allem mit umweltverträglichen Stoffen wie Mikroalgen, Ölsaaten und Insektenprotein füttern. 2018 erschien dazu die Studie „Politik für eine Nachhaltige Aquakultur 2050“ mit zahlreichen Empfehlungen.

Grillen grillen

Ein Boom erleben derzeit vegetarische und vegane Produkte. Die Aktie des US-Hersteller Beyond Meat stieg anfangs von 25 auf über 200 Euro und hat sich jetzt bei rund 115 Euro eingependelt. Die Rügenwalder Mühle  nennt ihre vegetarischen Produkte „den Wachstumstreiber“ des Unternehmens. Trotz dieser Zahlen liegt der Marktanteil der fleischfreien Lebensmittel-Produkte am Gesamtverbrauch in Deutschland bisher nur bei 0,5 Prozent. Ernährungsgewohnheiten ändern sich nur langsam. Hinzu kommt, dass man vegane Burger aus Soja, Weizenschnitzel, Gemüsebratlinge oder Lupinen-Bolognese nur in wenigen Supermärkten findet. Und, wo sie angeboten werden, sind sie meist teuer. Rentabel und damit günstig werden die Produkte erst, wenn sie in großen Mengen verkauft werden. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Geringe Mengen, hohe Preise, geringe Nachfrage.

Vor diesem Problem stehen auch die Pioniere der nächsten Ernährungsrevolution: Sie verwenden statt Fleisch von Rindern, Hühnern und Schweinen Insekten. Das Münchner Start-Up Wicked Cricket  begann 2020 mit der Produktion von Bio-Snacks aus Grillen. Die Gründer züchten die Tiere in ihrer Wohnung und demnächst in einem Container auf dem Gelände des „Bahnwärter Tiel“, einem Kultur und Gründerzentrum auf dem ehemaligen Schlachthofgelände. An die 2.000 Insektenarten, darunter Grillen, Mehlwürmer und Heuschrecken, eignen sich bestens für die Ernährung der Menschen. Sie liefern pro Kilogramm Biomasse wesentlich mehr Proteine, Ballaststoffe, Vitamine, Mineralien und ungesättigte Fettsäuren als etwa Fleisch oder Fisch. Grillen enthalten zum Beispiel etwa doppelt so viel Eisen wie Rindfleisch. 

Eklig ist relativ

Was den Bewohnerïnnen Europas und Nordamerikas unangenehm oder gar eklig erscheint, ist in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas oder Südostasiens normal. Weltweit essen nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO der Vereinten Nationen zwei Milliarden Menschen regelmäßig Insekten. Die FAO preist die Tiere als gesunde und sichere Lebensmittel. Anders als bei Säugetieren ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass sich Menschen durch den Verzehr der Krabbler mit ansteckenden Krankheiten infizieren. Die Corona-Pandemie ist wie viele andere Seuchen eine so genannten Zoonose. Der SARS Cov2-Erreger ist von Säugetieren auf Menschen übergesprungen. Je weiter wir den Lebensraum wild lebender Tiere einschränken und diese sogar verzehren, desto häufiger wird sich die Menschheit neue Pandemien einfangen. Die ersten Ebola-Fälle sind in Westafrika aufgetreten, nachdem Menschen dort Affen gegessen hatten.

Der hungrige Nachbar als Nützling des Bauern

Verglichen mit Rindern, Hühnern- oder Schweinen lassen sich essbaren Insekten billig und einfach aufziehen. Im niederländischen Rotterdam arbeitet das Start-Up-Unternehmen De Krekerij mit Bauern zusammen, die ihre Kuhställe für die Grillen- und Heuschreckenzucht umbauen. Das Problem sieht Gründer Sander Peltenburg vor allem darin, den Menschen seine Insekten-Burger schmackhaft zu machen und damit in die Supermärkte zu kommen. Er versucht es mit wachsendem Erfolg über Spitzen-Köche, die anspruchsvollen, probierfreudigen Gästen die neuen Spezialitäten in Feinschmeckerlokalen servieren. Peltenburgs Insekten-Bällchen schmecken frisch aus der Fritteuse leicht nussig, kräftig und intensiv. Ein wenig erinnern sie an Falafel.

Umwelt und Klima würden profitieren, wenn wir statt Fleisch Insekten essen würden: So braucht man für die „Herstellung“ von einem Kilogramm Grillen-Fleisch 1,7 kg Futter, für 1 kg Rindfleisch zwölf mal so viel. Hinzu kommt, dass im Schnitt rund 80 Prozent eines Insekts gegessen werden können. Beim Rind sind es nur 40 Prozent. Auch beim Wasserverbrauch schneiden zum Beispiel Heuschrecken deutlich besser ab als Rinder. Für ein Kilo Rindfleisch benötigt man 22.000 Liter Wasser, für 1 kg Heuschrecken 2.500. 

In Ostafrika sammeln die Menschen ihre Heuschrecken draußen in der Landschaft und helfen damit den Bauern, sich gegen den Kahlfraß auf den Feldern zu wehren. Der Nützling auf dem Acker ist hier der hungrige Nachbar. Weitere Vorteile: Insekten gedeihen am Besten in der Enge. So benötigt man selbst für große Mengen wenig Platz. Die Krabbler produzieren keine Gülle, die man zum Schaden des Grundwassers auf die Felder verteilen muss. Das Klima profitiert davon, dass Insekten anders als Kühe kein Methan von sich geben. Auch Tiertransporte und der Betrieb von Schlachthöfen fallen weg. Insekten sterben von alleine, wenn man sie kühlt.

Teil 3: Lecker Plastik: Verpackungs-Müllflut, demnächst hier

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ZUM BEITRAG AUF OPTION DEUTSCHLAND

Anders Essen gegen die Klimakrise | Teil 1
Anders Essen gegen die Klimakrise | Teil 2 Fleisch und Fisch
Anders Essen gegen die Klimakrise | Teil 3: Verpackung und Transport
Anders Essen gegen die Klimakrise | Teil 4: Lebensmittelverschwendung

Geschrieben von Robert B. Fishman

freier Autor, Journalist, Reporter (Radio und Printmedien), Fotograf, Workshop-Trainer, Moderator und Reiseleiter

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