Haben Sie schon einmal versucht einen Pudding an die Wand zu nageln? Natürlich nicht, wäre irgendwie auch idiotisch. Im übertragenen Sinne versucht die Nicht-Regierungs-Organisation „Global Witness“ (GW) aber genau das – im Kampf gegen anonyme Unternehmen.
Ermittler, Journalisten, Anwälte und Aktivisten haben sich unter diesem Namen in London zusammengefunden um Misswirtschaft und Korruption weltweit den Kampf anzusagen. Sie recherchieren, arbeiten und schleusen sich ein, um anschließend verbrecherische Machenschaften anzuprangern und öffentlichkeitswirksame Kampagnen zu starten, die die Politik unter Druck setzen, an den Missständen etwas zu ändern.
Charmian Gooch, ist die Mitbegründerin von Global Wittness, aktuell gilt ihr Kampf vor allem anonymen Unternehmen. Diese funktionieren nach dem System der russischen Matroschka-Puppen, bei denen unter der Oberfläche der äußeren Puppe immer noch eine weitere steckt. Die wahren Nutznießer und Verantwortlichen des Unternehmens bleiben so im Verborgenen. Wie bei einem Fall in der Ukraine, den Global Witness offenlegt.
Anonyme Unternehmen „Made in Austria“
Die Meschihirja – ein riesiges, umzäuntes Areal, 30 Kilometer von Kiew entfernt, mit künstlichem Wasserfall, kleinen Wäldchen und einer langen Promenade am Dnjepr, gekrönt mit dem Palast des gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch. Bis September 2013 gehörte ein Drittel des Geländes einer britischen Scheinfirma und zwei Drittel einer österreichischen Bank. Früher war die Meschihirja Eigentum des ukrainischen Staates. In der Zeit Janukowitschs als Ministerpräsident wurde die Residenz aber ohne Ausschreibung an die ukrainische Firma MedInvestTraid verkauft, die sofort weiterverkaufte, an die ukrainische Firma Tantalit.
Global Tantalit gehört zu 99,97 Prozent der österreichischen Euro East Beteiligungs GmbH. Die Euro East Beteiligungs GmbH wiederum gehört zu 35 Prozent der britischen Blythe (Europe) Ltd. Die anderen 65 Prozent gehören der österreichischen Euro Invest Bank AG. Blythe (Europe) Ltd ist eine untätige Firma. Nach Angaben von Global Witness beträgt die Einlage laut dem englischen Gesellschaftsregister Company House nur 1000 britische Pfund und ist damit nach Ansicht von GW eine klassische Scheinfirma. Der Direktor von Blythe ist ein österreichischer Staatsbürger, wohnhaft in Liechtenstein. Blythe (Europe) gehört zu 100 Prozent dem Liechtensteiner Trust P&A Corporate Services Trust. Die Adressen des Truts und des Direktors von Blythe stimmen überein. Leider gibt es keine Anhaltspunkte, wer tatsächlich hinter dem Trust in Liechtenstein steht. Anonyme Unternehmen soweit das Auge blickt.
„Mein Wunsch ist eine neue Offenheit in der Geschäftswelt.“
Charmain Gooch, Global Witness, über anonyme Unternehmen
Ukrainische Quellen behaupten, das die Euro East Beteiligungs GmbH im September 2013 Tantalit an einen ukrainischen Parlamentarier verkauft hat, der der gleichen Partei angehörte wie Wiktor Janukowitsch. Zum Preis von umgerechnet 8,5 Millionen Euro. Was die Frage aufwirft, wo das Geld geblieben ist?
Dieses ist nur ein Beispiel dafür, wie das Verwirrspiel mit anonymen Unternehmen aufgezogen wird, deren wahre wirtschaftliche Nutznießer sich nicht zu erkennen geben wollen. Die Anti-Korruptions-Aktivistin Charmian Gooch von Gobal Witness zählt Beispiele aus ihrer erfolgreichen Arbeit auf: „In der Demokratischen Republik Kongo, deckten wir auf, wie geheime Machenschaften mit anonymen Unternehmen die Bürger eines der ärmsten Länder der Welt um mehr als eine Milliarde Dollar betrogen hatten. Das ist das Zweifache des Bildungs- und Gesundheitsetats des Landes. Oder in Liberia, wo ein internationales räuberisches Abholzungsunternehmen Firmendeckmäntel einsetzte, um sich einen Riesenteil der einzigartigen Wälder Liberias zu schnappen. Oder politische Korruption in Sarawak, Malaysia, die zur Zerstörung vieler Wälder des Landes geführt hat. Auch daran sind anonyme Unternehmen beteiligt. Wir filmten heimlich Familienmitglieder des ehemaligen leitenden Ministers und einen Rechtsanwalt dabei, wie sie unserem versteckten Ermittler erzählten, wie genau diese dubiosen Geschäfte mithilfe solcher Firmen abgeschlossen werden.“
Im Jahr 2011 haben 773 Milliarden Euro die Entwicklungsländer auf illegalem Wege verlassen, großenteils gedeckt durch anonyme Unternehmen.
Gobal Financial Integrity
Raubritter mit scheinbar weißer Weste
Gobal Financial Integrity, ein internationales Netzwerk gegen illegale Geldströme, schätzt, das im Jahr 2011 773 Milliarden Euro die Entwicklungsländer auf illegalem Wege verlassen haben, großenteils gedeckt durch anonyme Unternehmen. Geld, das an den Steuerbehörden vorbei gelenkt wurde, und von dem eigentlich Bildung, Gesundheit und Infrastruktur dieser Länder hätte finanziert werden sollen. Nichtregierungsorganisationen wie Global Witness tragen dieses Problem in die Öffentlichkeit und sorgen mit ihren Kampagnen für Druck auf die Politik.
Hoffnung EU und G20-Gipfel
Und ihre Arbeit trägt Früchte. Im März 2014 stimmte das EU-Parlament mit 643 gegen 30 Stimmen für die Anti-Geldwäsche-Richtlinie. Diese verpflichtet wirtschaftlich Berechtigte zur Offenlegung von Firmen, Trusts und anderen Rechtspersonen in einem Register, das öffentlich ist und abgefragt werden kann. Also Schluss für anonyme Unternehmen? Die EU ist auf dem richtigen Weg, doch auf ganzer Linie erfolgreich kann der Kampf gegen anonyme Unternehmen nur sein, wenn er weltweit geführt wird. Die nächste Gelegenheit bietet sich im November 2014, dann treffen sich die G 20 im australischen Brisbane zum Gipfel. Experten erwarten, dass dort grundlegende Veränderungen an den internationalen Finanzregeln vorgeschlagen werden. Ganz im Sinne von Global Witness soll es um mehr Transparenz gehen. Darauf hofft Charmian Gooch: „Mein Wunsch ist eine neue Offenheit in der Geschäftswelt.“ Angewiesen sind Gobal Witness und alle anderen Nichtregierungsorganisationen dabei auf personelle und finanzielle Unterstützung. Wer nicht die Zeit, oder zu viele andere Verpflichtungen hat, um persönlich mitzuhelfen, Missstände anzuprangern, der hat immerhin die Option, zu spenden.
Global Witness
Die Nicht-Regierungs-Organisation wurde 1993 gegründet und bemüht sich, die Verbindung zwischen der Rohstoff-Ausbeutung, Konflikten, Armut, Korruption und Missachtung von Menschenrechten aufzubrechen. Sie hat Büros in London und Washington, D.C. und bezeichnet sich als politisch unabhängig. Global Witness kämpft u.a. gegen anonyme Unternehmen.