Reinhard Steurer zur Klimapolitik der SPÖ
Wissenschaftler:innen analysierten die Klimapolitik der SPÖ und stellten bei einer Aktion vor der Parteizentrale der SPÖ ein durchwachsenes Zeugnis aus: “Die Klimapolitik hat in der SPÖ unter dem Parteivorsitzenden Andreas Babler an Bedeutung gewonnen. Teile der SPÖ treiben allerdings nach wie vor den Bau neuer Autobahnen voran oder setzen auf Klimaschutz, den niemand merkt“ fasst Reinhard Steurer zusammen.
Reinhard Steurer ist assoz. Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien.
Zunächst: Die ÖVP ist eine Partei der Doppelmoral
Eigentlich sollten wir ja heute vor der ÖVP-Parteizentrale stehen, aus aktuellem Anlass würde es dort eigentlich besser passen zu protestieren, aber wie der Max gerade gesagt hat, da waren wir schon und es sollen ja alle dran kommen. Trotzdem möchte ich ein paar Worte zur Diskussion der letzten Woche sagen. Die ÖVP hat immer betont, die Grünen haben jetzt ihr wahres Gesicht gezeigt. Ich würde sagen, die ÖVP hat einmal mehr ihr wahres Gesicht gezeigt, wenn es um Klimaschutz und Naturschutz geht. Sie hat sich als Partei der Doppelmoral gezeigt, die Spielregeln und Vertrauen von anderen einfordert und im Grunde nichts anderes getan hat, als fünf Jahre lang Spielregeln und Vertrauen zu brechen. Sie hat das Klimaschutzgesetz bis heute blockiert, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz mit Substanz blockiert und den nationalen Energie- und Klimaplan. Sie hat dann plötzlich die Sorge um Lebensmittelsicherheit erkannt, als es um Naturschutz ging, gefährdet aber genau diese, indem sie seit fünf Jahren die Ziele für Bodenversiegelung verhindert und selbst Enteignungen vornimmt für Straßenbau. Enteignungen, die sie dem Umweltschutz vorwirft, die es aber nie geben wird. Sie opponiert gegen Privatgutachten, meint man könne mit Privatgutachten keine politischen Entscheidungen treffen, obwohl sie selbst mit einem Privatgutachten die Indexierung der Familienbeihilfe mit der FPÖ durchgesetzt hat. Auch ein Zeichen der Doppelmoral. Sie agiert zu Recht gegen Vorverurteilungen, wenn es um die eigenen Leute geht, aber sie macht seit einer Woche nichts anderes, als die Grünen vorzuverurteilen, weil sie angeblich Verfassungsbruch begangen haben, was dann Gerichte entscheiden werden. Und es schaut ganz so aus, als ob das nicht der Fall wäre. Die ÖVP ist also sozusagen eine postfaktische Partei, die tatsächlich die Fakten immer zu ihren Gunsten dreht, auch nicht wirklich auf die Wissenschaft hört, Wissenschaftler beschimpft als solche, die Untergangsszenarien malen und so weiter.
Die SPÖ will und kann Teil der Lösung sein
Heute sind wir bei der SPÖ und da ist es zum Glück etwas anders. Es ist auch eine Volkspartei, eine große, und da ist es immerhin so, dass die SPÖ das Renaturierungsgesetz ermöglicht hat. Dafür sind wir zunächst einmal dankbar. Auch das soll gesagt werden, trotz des Protesttags, denn ohne den Umschwung bei der Wiener SPÖ wäre es zu dieser Zustimmung nicht gekommen, verfassungskonform. Und insofern ist es schon mal ein starkes Zeichen. Die SPÖ beschimpft auch Wissenschaftler:innen nicht, sondern respektiert uns. Und sie hat speziell unter einem neuen Vorsitz dem Klima tatsächlich eine größere Priorität gegeben. Deshalb ist vorneweg die Schlussfolgerung ganz klar, die SPÖ ist gemeinsam mit den Neos und den Grünen Teil der Lösung in Österreich. Sie können die Konstellation bringen, die tatsächlich mehr Klimaschutz in diesem Land ermöglicht. Es ist vermutlich die einzige Konstellation, unter der mehr möglich ist.
Nur drei, vier Forderungen zur Klimapolitik
Allerdings, und da kommen wir jetzt zum kritischen Teil unseres Daseins hier, allerdings ist diese Konstellation sehr unwahrscheinlich, aus vielen Gründen, zum einen, weil die SPÖ im politischen Diskurs oft zu wenig präsent ist. Also gerade in den letzten Wochen hat man sich oft einmal gedacht, wo ist die SPÖ, wo sind die Ansagen, wo war das Zögern und warum kam es zu diesem Zögern? Blöderweise ist dann die politische Rhetorik auch nicht immer ganz passend. Der Herr Babler hat dann der Gewessler vorgeworfen, sie habe zu lange gebraucht für die Entscheidung. Na ja, reden wir mal darüber, wie lange die SPÖ gebraucht hat für den Meinungsumschwung. Also auch nicht wirklich am Punkt. Und dann fragt man sich manchmal, wo sind die richtigen Prioritäten. Wir haben jetzt die Wochen eine veritable Regierungskrise hinter uns. und dann kommt auf einmal der Einwurf, na ja wir wollen eigentlich Fußball für alle im Gratis-TV. Ja, kann man fordern, war vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt. Also da fehlt ein bisschen das politische Gespür für meinen Geschmack. Was auch fehlt und das wiegt viel schwerer, das ist ein ausgereiftes Konzept für die Wirtschaftsstandorts- und auch Klimapolitik dieses Landes. Ich habe im Zuge der Vorbereitungen für heute recherchiert, was eigentlich die die die SPÖ zur Klimapolitik fordert und man findet eigentlich nur drei, vier Punkte auf einer Website, unter anderem einen Transformationsfonds mit 20 Milliarden, der helfen soll, die Wirtschaft klimafreundlicher zu machen, die Attraktivierung öffentlicher Verkehrsmittel, auch wichtig, und dann ein Verbot von Privatjets. Ja, schön und gut, aber das wird nicht reichen für Klimaneutralität, wobei nicht einmal klar ist, bis wann die SPÖ endlich Klimaneutralität vorhätte. 2040, 2045, 2050. Auch das ist also im Ungewissen. Und zu dem eigentlich fehlenden Programm kommt dann noch dazu, dass oft einmal komische Zwischenrufe kommen. Zum Beispiel, dass man den CO2-Preis doch aussetzen sollte in Zeiten hoher Inflation. Ich würde mir von der SPÖ erwarten, dass sie betont, der CO2-Preis mit einem Klimabonus ist sozial gerecht, weil arme Haushalte mehr davon profitieren, als sie einzahlen.
Und vor ein paar Wochen kam ein sonderbarer Zwischenruf aus der Wiener SPÖ. Da hat der Herr Ludwig gemeint, wir wollen Klimaschutz machen so, dass man nicht die Leute sekkiert. Als ob das möglich wäre, dass Klimaschutz von niemandem bemerkt wird.
Die Klimaillusion der SPÖ: Wir machen Klimapolitik so, dass niemand was merken wird
Zusammenfassend könnte man also sagen, die Klimaillusion der ÖVP lautet , es ist alles halb so schlimm, wir werden uns anpassen und China ist eigentlich schuld, was sollen wir denn tun. Die Realität ist natürlich, es ist alles viel schlimmer als wir glauben. Die Realität überholt dann oft unsere eigenen Prognosen. Es gibt grenzen der Anpassungen, das sehen dann die, deren Häuser weggespült werden und die sterben an der Klimakrise. Und wir haben eine Verantwortung wahrzunehmen. Während China seine Ziele vorzeitig erreichen wird, werden wir unsere voraussichtlich verfehlen. Die Illusion der SPÖ lautet dann, wir machen Klimapolitik so, dass niemand was merken wird, wir sekkieren niemand, auch das ist eine Illusion, denn Klimapolitik, die Ziele erreicht, wird im Alltag spürbar sein, anders geht das nicht. Oder man verfehlt halt Ziele auf andere Art und Weise. Und das was schade ist, ist, dass gerade in der Klimamusterstadt natürlich auch sehr viel möglich wäre. Viel möglich wäre, ohne dass man tatsächlich Leute sekkiert. Was ist mit den Gemeindebauten, die man zu Solarkraftwerken umbauen könnte? Ich habe da noch nicht viel gesehen davon. Was ist mit den Radhighways, die immer wieder angekündigt werden, aber dann doch nicht gebaut werden? Und was ist mit einer klaren Absage an fossile Projekte wie den Lobautunnel und die dritte Piste in Schwechat? Aber da fehlen klare Worte, der Günter Emberger wird dazu dann mehr sagen. Was uns also fehlt, ist ein Mut zu klaren Ansagen und tatsächlich die Vorzeigerolle einer Klimamusterstadt in Wien zu zeigen. Die Klimamusterstadt ist auch eine Art Illusion. Das sehen Sie am besten, wenn Sie mal versuchen, die Klimamusterstadt mit dem Fahrrad am Gürtel zu suchen. Kurzum, sonntags renaturieren, das ist schön, das ist ein Fortschritt, für den wir dankbar sind, aber es reicht nicht, wenn man dann montags bis freitags weiter betoniert. Und insofern hoffen wir, dass die SPÖ mehr Mut findet für klare Ansagen, für klare Absagen fossiler Projekte, denn sie ist tatsächlich Teil der Lösung und eine Partei in der Konstellation, die für Österreich mehr Klimapolitik bringen kann. Insofern hoffen wir, dass die Partei entsprechend gut abschneidet und wir dieser Lösung tatsächlich näher kommen.
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